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payoff Focus

871(m) – steuerlicher Stolperstein bei US-Wertpapieren

16.01.2024 6 Min.
  • Ülkü Cibik
    Counsel
    MLL

  • Stéphanie Fuchs
    Senior Tax Associate
    MLL

Der US-Aktienmarkt gehört auch in der Schweiz zu einem zentralen Handelsplatz. Die Kurse der eigenen Aktien an der Wall Street steigen zu sehen, oder das nächste Unicorn aus dem Silicon Valley als Investor mitzuentdecken, gehört wohl zum Traum vieler Investoren. Diese Anlagebestrebungen sind kaum verwunderlich, wirft man einen Blick auf die Entwicklung des US-Aktienmarktes im vergangenen Jahr 2023. Gemäss dem etablierten US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Forbes verzeichnete der Aktienindex von Standard & Poor’s 500, welcher die 500 der grössten börsennotierten US-amerikanischen Unternehmen umfasst, per Ende Dezember 2023 eine Gesamtrendite von rund 26% für 2023, was deutlich über seiner durchschnittlichen Rendite von rund 10% liegt. Dabei sind nicht nur Direktinvestitionen in US-Aktien gefragt, sondern gerade auch indirekte Investitionen via Derivate bzw. strukturierte Produkte oder Exchange Traded Funds. Lesern von entsprechenden Termsheets wird nicht entgangen sein, dass sich jeweils ein Verweis auf US-Quellensteuern und einen Paragraphen 871(m) des «Internal Revenue Codes», sprich des US Einkommenssteuergesetzes, findet. Um was es sich hierbei konkret handelt und weshalb dies von Bedeutung sein kann, darauf soll im Folgenden eingegangen werden.

Klassiker von US-Investments 

Reverse Convertibles sind die Investments, die nicht aussterben, meinte einst Larry Light, ein erfahrener Investmentspezialist des Wallstreet Journal. Während der Negativzinsphase gewann vor allem der Klassiker dieser Anlagefamilie, jener der Barrier Reverse Convertibles, kurz BRC, auch bei Anlegern in der Schweiz an Beliebtheit. BRC sind strukturierte Produkte – eine Unterform der Reverse Convertibles – und garantieren dem Käufer, ähnlich wie klassische Reverse Convertibles regelmässige Coupons und gelten aufgrund des zusätzlichen Schutzmechanismus, der so genannten «Barriere», als beliebte Einstiegsprodukte für Privatanleger. Die BRC sind jeweils an einen oder mehrere Basiswerte gekoppelt, z.B. an Aktien oder Indizes. Erst am Ende der Laufzeit entscheidet sich, was genau den Anlegern zurückgezahlt wird, gibt es doch viele unterschiedliche Eigenschaften und Zusatzmerkmale (z.B. physische oder Barabgeltung). 

Weitere Klassiker unter Anlageprodukten, die an einen Index gekoppelt und bei Investitionen in den US-Aktienmarkt gefragt sind, stellen die so genannte Exchange Traded Funds, kurz ETFs, dar. ETFs bilden typischerweise direkt einen Index nach, werden an der Börse gehandelt und investieren wie klassische Anlagefonds in verschiedene Wertschriften wie bspw. Aktien. 

Werden nun durch diese Produkte Investitionen in US Aktien gehalten, ist Vorsicht geboten im Hinblick auf die US Quellensteuer, konkret: Die 871(m)-Regelung ist u.U. zu beachten. Denn Derivatprodukte mit (i) US-amerikanischem Basiswert (z.B. US-Aktie) und (ii) einem Delta nahe 1 werden gemäss den amerikanischen Steuergesetzen steuerlich Aktien gleichgestellt. Mit dem Delta wird dabei gemessen, wie stark die Wertentwicklung von Derivaten ähnlich jener der entsprechenden Basiswerte verläuft, sprich bringt das Verhältnis der Änderung des Marktwerts des jeweiligen Derivats im Verhältnis zur Änderung des Marktwerts des zugrunde liegenden Basiswerts zum Ausdruck. 

Ausweitung der US-Quellensteuern

Von Seiten der USA werden bekanntlich Dividenden- und Zinszahlungen auf US-Wertschriften an Nicht-US-Personen einer Quellensteuer von 30% unterworfen. Basierend auf den jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen lässt sich diese je nach Beteiligungsverhältnis ganz oder teilweise zurückfordern. Üblicherweise verfügen bspw. die Grossbanken ausserhalb der USA über den so genannten «Qualified Intermediary Status» sprich jenen eines «anerkannten Vermittlers», der es ihnen erlaubt, Abwicklung und Zahlung der US-Quellensteuer direkt vorzunehmen, sodass für Investoren lediglich der verbleibende Residualsatz anfällt. In der Schweiz kann die Quellensteuer dann jeweils potenziell an die Einkommenssteuer angerechnet werden.

Um die Umgehung der US-Quellensteuern zu verhindern, wurden seit 2010 Ergänzungen des US-Einkommenssteuergesetzes, des «Internal Revenue Code» kurz IRS, in Paragraph 871(m) vorgenommen, die schliesslich teilweise 2017 in Kraft traten und in 2025 erweitert werden sollen. Kurz zusammengefasst werden mit den Erweiterungen die von der Quellensteuer erfassten Transaktionen auf «dividendenähnliche Zahlungen» ausgedehnt, sprich sämtlichen Zahlungen, die von Dividenden der jeweiligen US-Aktien abhängen. Im Visier der US-Quellensteuerbestimmungen stehen damit auch derivative Finanzinstrumente oder strukturierte Produkte, welche bei Vorliegen eines US-amerikanischen Basiswerts wie bspw. einer Aktie und einem Delta nahe 1 steuerrechtlich mit Aktien gleichgesetzt werden. Zu beachten gilt nun, dass sich die Rückforderung der US-Quellensteuer je nach Produkt etwas heikler gestaltet. Dies lässt sich am Beispiel von ETFs sowie BRC aufzeigen. 

30% US-Quellensteuer können resultieren

Für die Rückforderung der US-Quellensteuern ist auch unter dem Paragraphen 871(m) die Einsetzung von anerkannten Vermittlern vorgesehen, sei es auf Stufe des Emittenten, der Depotbank oder der Zentralverwahrer. Jedoch ist auch im Zusammenhang mit dem Paragraph 871(m) erforderlich, dass die jeweiligen Anleger und deren Ansässigkeit sowie die korrekte Produktklassifizierung dem anerkannten Vermittler bekannt sind. Liegen diese Informationen nicht vor, wird es schwierig. Die jeweiligen Gewinne werden netto an die Anleger ausbezahlt, sprich unter Abzug der kompletten 30% der US-Quellensteuern. Vor diesem Hintergrund hat sich in der Praxis auch eine alternative Vorgehensweise entwickelt, indem der Handel mit Derivaten teilweise eingeschränkt wird. Emittenten stellen bspw. für Produkte mit einem amerikanischen Basiswert mit einem Delta nahe 1 keine Briefkurse sondern nur noch Geldkurse. Diese Produkte sind dann entsprechend nicht kaufbar. Hingegen wird der Verkauf, welcher von der 871(m)-Steuerthematik unbeeinflusst ist, weiterhin ermöglicht. 

Gerade bei BRCs und herkömmlichen ETFs mit eher komplexen Zahlungsketten, lässt sich eine Rückforderung der US-Quellensteuer wohl nur in den seltensten Fällen bewerkstelligen. Eine allenfalls mögliche Anrechnung der jeweiligen Beträge an die Einkommenssteuer kann die Steuerbelastung nicht in jedem Fall ausgleichen. Dagegen profitieren bspw. synthetische ETFs, bei welchen jeweils keine direkte Investition in die vom jeweiligen Fonds gehaltenen Titel erfolgt, davon, dass sie nicht von den Regelungen von Paragraph 871(m) erfasst werden. Je nach Anlagevehikel lohnt es sich daher, einen genaueren Blick darauf zu werfen, welche Qualifikation für US-Quellensteuerzwecke zutrifft. 

Fazit

Es gilt bei Investitionen in den US-Aktienmarkt gerade bei strukturierten Produkten im Vorfeld abzuklären, wie sich die US-Quellensteuersituation darstellt und eine volle oder teilweise Rückforderung möglich ist. Ist keine Rückforderung möglich, resultiert auch durch die allfällige Anrechnung an die in der Schweiz erhobene Einkommenssteuer keine vollständige Entlastung. Ebenfalls gilt es allfällige Einschränkungen des Handels mit Derivaten zu beachten. Gerade bei strukturierten Produkten mit Direktinvestitionen in den US-Aktienmarkt ist daher Vorsicht geboten. Gleichzeitig gilt es diesbezüglich vor allem im Blick zu behalten, welche zusätzlichen Änderungen in Paragraph 871(m) sodann in 2025 in Kraft treten werden.

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