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payoff Focus

Am Schmelztiegel der Wirtschaft

08.05.2025 8 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Seltene Erden sind für viele Anwendungen des modernen Lebens unverzichtbar. Bislang kommen diese mineralischen Rohstoffe vor allem aus China – ein Umstand, den US-Präsident Donald Trump mit aller Macht beenden will. Der Handelskonflikt zwischen Washington und Peking könnte die Machtverhältnisse bei den «Rare Materials» tatsächlich verschieben und Chancen für langfristig orientierte Anleger bieten.

Das Anforderungsprofil ist klar und knapp: «Optimus» soll unsichere, monotone oder eintönige Aufgaben übernehmen. Genau dafür wurde der humanoide Roboter bei Tesla entwickelt. Im Herbst 2022 präsentierte der Elektroautogigant erste Prototypen der autonomen, zweibeinigen Maschine. Nun geht es in die Serienproduktion: Bis Ende des Jahres plant Tesla Tausende der «Optimus»-Roboter fertigzustellen. Doch der von US Präsident Donald Trump angezettelte Handelskrieg mit China erschwert die Geburt des 173 Zentimeter grossen und 73 Kilogramm schweren Roboters. «Optimus» war von den Magnetproblemen in China betroffen», räumte Tesla-Chef Elon Musk im April in einer Telefonkonferenz zur Vorstellung der Quartalszahlen seines Unternehmens ein. Im Arm des Roboters sind Stellantriebe verbaut, die Permanentmagnete benötigen. Diese wiederum gehören zu den häufigsten Anwendungsgebieten von Seltenen Erden.

China dominiert

Anfang April schränkte Peking den Export dieser Mineralien ein – als Reaktion auf den «Zollhammer» von Donald Trump, der Importe aus China mit hohen Einfuhrabgaben belastet hatte. Ausgerechnet Trump-Berater Elon Musk bekommt die Folgen des Streits nun mit voller Wucht zu spüren. Tesla braucht eine spezielle Exportlizenz, um wieder an die Seltenen Erden zu kommen. Die Verhandlungen mit dem Reich der Mitte laufen bereits. Unter anderem muss der US-Konzern nachweisen, dass es sich bei «Optimus» nicht um ein Waffensystem handelt. «Wir hoffen, eine Lizenz für die Verwendung von Seltenerdmagneten zu bekommen», sagte Elon Musk.

Nicht nur Tesla, auch viele andere Unternehmen wünschen sich eine schnelle Lösung. Schliesslich führt beim Thema Seltene Erden kein Weg am grössten Schwellenland der Welt vorbei. Im Jahr 2024 wurden weltweit knapp 400’000 Tonnen dieser Rohstoffe gefördert. Mehr als zwei Drittel der Minenproduktion entfielen auf China (siehe Grafik 1). In keiner anderen Region der Welt kommen Lanthan und die ihm im Periodensystem folgenden Elemente so häufig vor wie in der Volksrepublik. Die U.S. Geological Survey (USGS) schätzt die Reserven in China auf 44 Millionen Tonnen. Brasilien, das Land mit den zweitgrössten Vorkommen, verfügt über weniger als die Hälfte dieser Menge (siehe Grafik 2).

Immense Bedeutung

Seit seiner Rückkehr ins Weisse Haus hat Donald Trump mehrere Erlass-Verordnungen unterzeichnet, die sich auf die Förderung von Rohstoffen konzentrieren. In der Executive Order 14241 vom 20. März 2025 heisst es: «Transport, Infrastruktur, Verteidigungsfähigkeit und die nächste Generation von Technologien hängen von einer sicheren, vorhersehbaren und erschwinglichen Versorgung mit Mineralien ab». Durch die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und die erleichterte Nutzung von Bundeseigentum für die Förderung von Bodenschätzen strebt Trump an, die heimische Produktion in den USA zu steigern.

«Die Nachfrage nach Seltenen Erden wird zwar steigen, aber nicht für alle gleichermassen», prognostiziert die Deutsche Rohstoffagentur (DERA). Besonders hohe Wachstumsraten erwartet man in der Anwendung von Magneten, bei denen vor allem Neodym, Dysprosium, Praseodym und Terbium eine wichtige Rolle spielen. Auch der Bedarf an Lanthan und Cer für Batterien dürfte deutlich ansteigen. «Rückläufig ist dagegen der Einsatz in Leuchtmitteln, zum Beispiel bei Europium», so die DERA weiter.

Abhilfe aus Down Under

Vom erwarteten Boom ist auf dem Markt noch wenig zu spüren. Die Weltmarktpreise bewegen sich auf einem relativ niedrigem Niveau. «Alle Unternehmen, die derzeit Seltene Erden abbauen oder verarbeiten, berichten von wirtschaftlichen Problemen, auch die in China», sagt Harald Elsner von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR). Aus seiner Sicht wird der Westen noch lange auf Lieferungen aus dem Reich der Mitte angewiesen sein. Als besonders kritisch beschreibt die DERA in einer aktuellen Studie die Versorgung mit schweren Seltenen Erden – sie kommen zu 100% aus China. Neben dem Automobilsektor hat vor allem die Rüstungsindustrie ein Interesse daran, diese Situation zu ändern. Das weltweit grösste Vorkommen an schweren Seltenen Erden befindet sich in Grönland – Donald Trump liebäugelt bekanntlich recht offen mit einer Annexion der arktischen Insel. Allerdings wird dort noch nicht einmal gefördert.

«Stattdessen werden schwere Seltene Erden – wenn auch in vergleichsweise geringen Mengen – viel eher aus Lagerstätten in Australien auf den Weltmarkt gelangen», so die Einschätzung der DERA. Auf dem fünften Kontinent ist Lynas Rare Earths zu Hause. Das Bergbauunternehmen hat angekündigt, demnächst in Malaysia und später auch in den USA schwere Seltene Erden aus australischem Erz zu produzieren. Konkurrent Iluka Ressources arbeitet an einer Aufbereitungsanlage in Westaustralien und will von dort aus ab 2027 schwere Seltene Erden liefern. «Das würde die Abhängigkeit der westlichen Welt von China bei diesen sehr speziellen Rohstoffen deutlich verringern», meint BGR-Experte Elsner.

Ein forscher Auftritt

Die Minenkonzerne wittern das grosse Geschäft – allen voran Lynas. Das Unternehmen aus Perth bezeichnet sich selbst als «der weltweit einzige bedeutende Hersteller von separierten Seltenen Erden ausserhalb Chinas». Lynas betreibt zwei Bergwerke in Westaustralien, während in Kuantan, Malaysia, die Rohstoffe weiterverarbeitet und anschliessend an Kunden in Ostasien, den USA und Europa geliefert werden. Seit fast elf Jahren steht Amanda Lacaze an der Spitze des Unternehmens. Ende Februar richtete sie sich direkt an den US Präsidenten mit der Botschaft, dass Lynas die Seltenen Erden liefern könne, die der Westen benötigt. «Wir verfügen über die Ressourcen und die Fähigkeit, diese kosteneffizient zu verarbeiten», erklärte die Top-Managerin.

Passend zu diesem Auftritt hat die Aktie von Lynas Fahrt aufgenommen. Der australische Mid Cap erreichte das höchste Niveau seit mehr als zwei Jahren (siehe Grafik 3). Auch operativ zeigt das Unternehmen ein erhöhtes Tempo: Im 3. Quartal der Fiskalperiode 2025 (per 30. Juni) lag der Umsatz mit AUD 123 Millionen um gut ein Fünftel über dem Niveau des Vorjahreszeitraums. Analysten hatten allerdings mit einem noch stärkeren Wachstum gerechnet. Derzeit nimmt Lynas die Produktion der Seltenen Erden Terbium und Dysprosium auf. Nicht zuletzt durch diese Angebotserweiterung sieht sich das Unternehmen gut aufgestellt, um zur Diversifizierung der Lieferketten beizutragen und von günstigen Marktbedingungen zu profitieren. Zwar werde es noch einige Zeit dauern, bis die Kunden ihre Prozesse und Liefervereinbarungen angepasst hätten. «Aber jetzt bietet sich die Chance, den Markt nachhaltig umzugestalten», betonen die Verantwortlichen.

Brisantes Abkommen

Nur wenige Tage nach dieser Ankündigung wurde Lynas mit der Realität konfrontiert. In Washington D.C. wurde ein Wirtschaftsabkommen zwischen den USA und der Ukraine unterzeichnet. Es sieht vor, dass beide Länder gemeinsam Bodenschätze ausbeuten, um Mittel für den Wiederaufbau der Ukraine zu generieren. So erhalten die USA unter anderem privilegierten Zugang zu den Seltenen Erden des osteuropäischen Landes. Details des Abkommens sind allerdings kaum bekannt: Die von den USA forcierten Bemühungen, die Abhängigkeit von Seltenen Erden aus China zu reduzieren, sind offensichtlich. Auch die Bedeutung dieser Rohstoffe für das moderne Leben steht ausser Frage.

Anlagelösungen

An der Börse hat sich das Thema in den letzten Jahren allerdings eher schwer getan. Typisch für das Rohstoffsegment spielen neben den Rohstoffpreisen auch die konjunkturelle und geopolitische Entwicklung bei den Seltenen Erden-Aktien eine wichtige Rolle. Auch die Exploration beeinflusst die Kurse. Verläuft die Erschliessung und Inbetriebnahme neuer Minen nicht wie geplant, kann es zu Kurskorrekturen kommen. Aufgrund dieser Unwägbarkeiten und Risiken sollten Anleger, die in das Thema Seltene Erden investieren wollen, diversifiziert vorgehen.

Für Schweizer Anleger gibt es verschiedene Lösungen. Anfang 2019 hat Swissquote den Sektor auf die Plattform «Themes Trading» geholt. Seither suchen die Experten des Brokers nach Unternehmen mit bedeutenden Aktivitäten im Bereich der Seltenen Erden. Derzeit sind zehn Titel im Swissquote Rare Earth Index enthalten. Wenig überraschend nimmt Lynas mit einer Gewichtung von knapp 17% die Spitzenposition ein. Generell ist der Index stark auf den fünften Kontinent ausgerichtet. Australische Bergbaufirmen machen mehr als ein Drittel des Index aus. Kanada nimmt mit einer Gewichtung von 21.6% den zweiten Platz in der geographischen Rangliste ein. Trotz der Dominanz Chinas im Markt für Seltene Erden hat es nur ein Unternehmen aus der Volksrepublik in den Index geschafft. Die CMOC Group ist mit gut einem Zehntel im Index gewichtet.

Ganz anders ist das Kräfteverhältnis im MVIS® Global Rare Earth/Strategic Metals Index. Hier dominieren Unternehmen aus dem Reich der Mitte. An der Spitze steht mit einer Gewichtung von 7.4% China Northern Rare Earth Group. Insgesamt enthält der Index mit 22 Titeln mehr als doppelt so viele Aktien wie das Swissquote-Barometer. Neben der stärkeren Berücksichtigung chinesischer Branchenvertreter setzt der MVIS®-Index einen Schwerpunkt auf den Batterierohstoff Lithium. Dieser Fokus dürfte den US-Konzernen Albemarle und Lithium Americas die Aufnahme in den Index ermöglicht haben. In Bezug auf die Performance hat die breitere Auswahl den Nachteil. Über fünf Jahre weist der Swissquote Rare Earth Index eine deutliche Outperformance gegenüber dem MVIS® Global Rare Earth/Strategic Metals Index auf (siehe Grafik 4).

Anleger können die beiden Benchmarks auf unterschiedliche Weise in ihr Portfolio integrieren. Leonteq bildet den Swissquote Rare Earth Index mit dem Tracker-Zertifikat RARETQ ab. Die Verwaltungsgebühr für das Strukturierte Produkt beträgt 0.70% pro Jahr. Hinzu kommt eine Gebühr von 0.10% für das Rebalancing des Basiswertes. Für eine jährliche Gesamtkostenquote von 0.59% verpackt VanEck den MVIS® Global Rare Earth/Strategic Metals Index in einen ETF-Mantel. In dem im Herbst 2021 lancierten passiven Fonds REMX verwaltet die auf Themen- und Rohstoffprodukte spezialisierte US-Gesellschaft weniger als USD 100 Millionen, was zeigt, dass Seltene Erden trotz ihrer verstärkten Präsenz in den Börsennachrichten keine elektrisierende Wirkung auf ETF-Investoren haben. Für Anleger mit einem langen Atem und einer ausgeprägten Risikobereitschaft könnte der Zeitpunkt für ein Engagement dennoch günstig sein.

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