

Biotechnologie: Verschnaufpause im Aufwärtstrend
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Dieter Haas
Ein steigender Kostendruck sowie politisch verlangsamte Neuzulassungen bremsen derzeit die Dynamik des Megatrends Biotechnologie. Für langfristig orientierte Anleger sollte die Branche auf jeden Fall Teil des Portfolios sein – die Chancen sind enorm.
Es gibt nur wenige Bereiche, die ähnlich erfolgreich sind: Biotechnologie ist seit der Finanzkrise 2008 der Innovationsmotor im Bereich Gesundheitswesen. Zahlreiche Neuzulassung zwischen 2012 und 2015 sorgten für einen kräftigen Wachstumsschub. Die Nachfrage nach Aktien aus diesem Bereich wurde im Zeitraum 2013 bis 2015 durch zahlreiche Übernahmen zusätzlich angeheizt. Ab Mitte 2015 bis Spätherbst 2016 kam es zu einem überraschenden Dämpfer. Unsicherheiten wegen der Fortführung von Obamacare in den USA, Debatten um die Preisgestaltung, eine deutlich rückläufige Anzahl bewilligter Neuzulassungen sowie eine abflauende Übernahmewelle führten zu einer Kurskorrektur der beiden wichtigsten Indizes des Sektors, dem Nasdaq Biotechnology Index (NBI) und dem NYSE Arca Biotechnology Index (BTK). Im vergangenen Jahr setzte eine kräftige Erholung ein. Dabei halfen eine steigende Anzahl durch die US-Gesundheitsbehörde bewilligter Neuzulassungen sowie das Scheitern der neuen US-Regierung, Obamacare rückgängig zu machen. Während es dem breiter diversifizierten NBI nicht gelang, seine Höchstmarke aus dem Jahre 2015 zu erreichen, entwickelte sich der enger gefasste 30 Titel umfassende BTK dynamischer und verfehlte seinen Allzeit-Rekordstand im Herbst 2017 nur um Haaresbreite. Neue Bestwerte schienen nur eine Frage der Zeit. Inzwischen hat der Wind gedreht und es macht den Anschein, als ob der Megatrend erneut einen Marschhalt einlegen würde, auch wenn der Be-reich Biotechnologie, langfristig betrachtet, der Wachstumsmotor innerhalb der Branche Gesundheitswesen bleiben wird. Experten rechnen bis 2022 mit einem Anstieg des relativen Anteils von derzeit rund 25% auf gegen 30%. Gleichzeitig soll der Anteil der Biotech-Produkte unter den Top-100 Produkte im Gesundheitswesen von 30% im Jahr 2008 auf 50% im Jahr 2022 zunehmen.
Aussichtsreiche Segmente
Für eine langfristige Fortsetzung des Megatrends spricht die Tatsache, dass es erst für einen kleinen Teil der vom Gensatz abhängigen Krankheiten wirksame Behandlungen gibt. Potentiale für neue biotechnologisch hergestellte Medikamente gibt es somit noch genügend. Im Vordergrund stehen dabei medizinische Themenfelder wie Krebs (vor allem Immunonkologie), Stoffwechselkrankheiten wie Adipositas (Fett), Kachexie (Muskelschwund im Alter), Diabetes Typ 2 (Glukose) oder Osteoporose (Knochen), Infektionserkrankungen, Erberkrankungen sowie Erkrankungen des Zentralen Nervensystems. Sie werden den Sektor in den kommenden Jahren prägen. Innerhalb dieser Felder werden neue Therapieansätze oder Technologien entscheidende Impulse liefern. Im Bereich des Zentralen Nervensystems ist ein immer besseres wissenschaftliches Verständnis ersichtlich, was deutlich höhere Investitionen in die Branche nach sich gezogen hat. Dies ist von grosser Bedeutung, da ein hoher medizinischer Bedarf besteht, beispielsweise bei Alzheimer, Multipler Sklerose oder Parkinson.
Licht und Schatten
Die Eintrittswahrscheinlichkeit der optimistischen Prognosen der Experten hängt stark davon ab, wie hoch die Fülle neuer Produkte ausfällt. Nach dem mageren Jahr 2016 haben sich im abgelaufenen Jahr die Zulassungen wieder erhöht. Der steigende Kostendruck sowie die zunehmende Verschuldung staatlicher Behörden könnten aber dazu führen, dass in den kommenden Monaten von politischer Seite erneut Druck auf die Zulassungsbehörden ausgeübt wird, um die Anzahl der Bewilligungen eher niedrig zu halten. Das würde sich in Anbetracht konstanter Ausgaben für Forschungs- und Entwicklungsausgaben renditesenkend auswirken. Seit der Hochblüte 2015 sind Übernahmen zudem rarer geworden. Im Jahr 2017 gab es diesbezüglich nur eine unterdurchschnittliche Belebung der Aktivitäten. Derzeit etwas in den Hintergrund gereten ist in den USA, dem wichtigsten Markt, eine allfällige Regulierung von Medikamentenpreisen. Bei einer Eintrübung der Konjunkturlage und gleichzeitig steigenden Kosten könnte die Kostenfrage aber sehr rasch wieder zum Thema werden.
«Es gibt erst für einen kleinen Teil der vom Gensatz abhängigen Krankheiten wirksame Behandlungen.»
Vergleichsmassstäbe
Fast alle Kollektivanlagen, die sich auf den Sektor Biotechnologie fokussieren, orientieren sich am Nasdaq Biotechnology Index (NBI) als Vergleichsmassstab. Er ist der Gradmesser schlechthin und umfasst 159 Positionen. Seine Berechnung erfolgt quartalsweise, basierend auf der Methode einer modifizierten Börsenkapitalisierung. Dabei erhalten die fünf grössten Titel ein maximales Gewicht von 8%. Alle übrigen werden im Bedarfsfall auf 4% gekappt. Die allfälligen Überschussgewichte werden proportional auf die restlichen Indexmitglieder aufgeteilt. Eine andere Vorgehensweise kennt der NYSE Arca Biotechnology Index (BTK). Er umfasst nach einer Indexrevision im Oktober 2014 insgesamt 30 Aktien (zuvor 20). Aus dem Anlageuniversum werden über eine Mindestkapitalisierung, Mindestliquidität und einer Mindestkurshöhe von mehr als drei US-Dollar die Kandidaten ausgewählt. Die selektierten werden vierteljährlich jeweils gleichgewichtet, ansonsten käme es sehr schnell zu grossen relativen Verschiebungen. Die Schwankungen sind bei Biotechnologieaktien generell hoch. Das bietet Chancen und Risiken zugleich. Mit Alnylam, Juno Therapeutics und Nektar verzeichneten 2017 gleich drei Aktien des BTK spektakuläre Kursgewinne. Dagegen büssten Intrexon und Intercept, die das Ende der Rangliste zieren, fast die Hälfte ihres Wertes ein.
Risiken und Enttäuschungen vermeiden
Die Beurteilung einzelner Aktien ist ein äusserst schwieriges Unterfangen. Ohne spezifische Kenntnisse gleicht das Auffinden überdurchschnittlicher Werte dem Suchen einer Nadel im Heuhaufen. Selbst ausgewiesene Experten wie beispielsweise Dr. Daniel Koller, Head Investment Team von BB Biotech, landen keineswegs nur Volltreffer. Seine in einem Interview vor gut einem Jahr für 2017 genannten drei Favoriten Celgene, Incyte und Ionis fanden sich mit bescheidenen Avancen entweder im breiten Mittelfeld der im BTK vertretenen Titel oder landeten im Falle von Incyte und Celgene am unteren Ende der Rangliste. Wer als Anleger auf den Bereich Biotechnologie setzen möchte, ist daher gut beraten, auf kollektive Anlagegefässe zurückzugreifen. Etliche Finanzinstitute bieten aktiv verwaltete Fonds an. Diese entwickeln sich grosso modo etwas schwächer als der NBI. Auf lange Sicht schaffte es nur ein einziger der Anlagefonds, das bekannteste Börsenbarometer des Sektors zu schlagen, die Rendite des BTK’s wurde von allen verfehlt. Einzelne Superjahre werden irgendwann durch temporäre Schwächen zunichte gemacht. Nebst der Schwierigkeit der richtigen Titelauswahl erfordern auch die jährlichen, teils üppigen Managementgebühren ihren Tribut.
Beste Kollektivanlagen
Wer sich nicht die Finger an Einzelanlagen verbrennen möchte, der findet in den beiden in den USA gehandelten ETFs IBB und FBT zwei einwandfreie passive Anlagen. IBB bildet die Kursentwicklung des Nasdaq Biotechnology Index nach und der ETF FBT von First Trust diejenige des NYSE Arca Biotechnology Index. Wegen der jährlichen Gebühren bleibt die Performance der beiden Indexfonds langfristig jedoch etwas hinter ihrer Benchmark zurück. Im Vergleich zu den aktiven Anlagefonds liegt FBT an der Ranglistenspitze und IBB muss lediglich dem Candriam Equities Biotechnology den Vortritt lassen. Langfristig hat der Besitz von FBT klare Vorteile gegenüber dem IBB. Der enger gefasste Basiswert NYSE Arca Biotechnology Index entwickelt sich wesentlich dynamischer als der Nasdaq Biotechnology Index.
«Langfristig betrachtet ist der NYSE Arca Biotechnologie Index der Branchenindex mit der besten Performance.»
In den letzten Jahren gelang der an der Börse kotierten Namenaktie der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech (BION), unserer dritten Empfehlung, eine ausgezeichnete Performance. In der Zeitspanne zwischen 2008 und 2017 übertraf die durchschnittliche Jahresperformance von BION sogar diejenige des FBT. Die ausgezeich-nete Leistung ist u.a. auf strukturelle Vorteile einer Beteiligungsge-sellschaft gegenüber Anlagefonds zurückzuführen. Das erlaubt es BB Biotech, eine aktive, nicht benchmark-orientierte Anlagestrategie zu verfolgen. Dabei setzt das Management auf eine sorgfältige Auswahl der einzelnen Titel, indem es entlang seiner ausgewählten medizinischen Themenfelder gezielt in Gesell-schaften investiert, die innovative Wirkstoffe entwickeln und sich dank dieser Medikamente zu Marktführern entwickeln können. Dank einer strengen Due Diligence und ihres Branchen-Know-hows gelingt es mit diesem Vorgehen, Chancen oft vor der Masse zu entdecken und vom Kurspotenzial der aufgespürten Titel zu profitieren. Der Erfolg in den letzten Jahren unterstreicht die Stärke des Konzepts.
Fester Platz im Portfolio
Mittel- und längerfristig betrachtet dürfte der Sektor Biotechnologie seine Erfolgsgeschichte fortschreiben. Kurzfristig mahnt das markttechnische Kursbild allerdings zu erhöhter Vorsicht. Für Neuinvestitionen empfiehlt sich daher ein schrittweises Vorgehen. Anleger, die einem breit diversifizierten Portfolio das gewisse Etwas beifügen möchten, sollten sich an fokussierte Indexfonds wie den First Trust NYSE Arca Biotechnology Index Fund FBT, den iShares Nasdaq Biotech-nology Fund IBB von Blackrock oder an die Namenaktie der Beteiligungsgesellschaft BB Biotech halten.
«Dank ihrer Struktur als Beteiligungsgesellschaft hat BB Biotech Vorteile gegenüber aktiven Anlagefonds.»
Wer sich Stockpicking-Qualitäten zutraut, dem stehen derzeit in Europa und Nordamerika über 500 ernstzunehmende Biotech-Unternehmen zur Verfügung –professionelle Selektion via Fondslösungen bzw. Beteiligungsgesellschaften oder eben Index-Investments sind am Ende aber die wahrscheinlich aussichtsreicheren Anlagen.