Chinas neue Prioritäten schaffen Wachstum
-
Dhiraj Bajaj, Portfoliomanager des LO Fund Asia Value Bonds
China richtet seine Prioritäten neu aus. Dies könnte zu einem neuen strukturellen Langzeittrend für Asien führen.
Nach der erfolgreichen Bewältigung der Pandemie wird China die einzige grosse Volkswirtschaft sein, die im Jahr 2020 ein positives BIP-Wachstum (ca. 2 %) verzeichnet hat. Das verarbeitende Gewerbe führte die Erholung zunächst an, und in jüngster Zeit kamen die Dienstleistungen hinzu, so dass die Erholung fast abgeschlossen ist. Mit einer ausreichenden Impfbereitschaft haben die Behörden vom Feuerwehrmodus auf eine strategische Sichtweise der langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung umgeschaltet.
In diesem Zusammenhang geben uns Chinas vierzehnter 5-Jahresplan (2021-25) und die Vision „2035“ mehrere Hinweise auf den Übergang, der dem Land bevorsteht. China ist auf dem Weg, die BIP-Wachstumsziele zu relativieren und sich stattdessen auf Qualität, Nachhaltigkeit und Inklusion des Wachstums zu konzentrieren. Wir gehen davon aus, dass China für 2021 ein Ziel für die Schaffung von ca. 10 Millionen Arbeitsplätzen und für 2020-21 ein durchschnittliches BIP-Wachstum von ca. 5% anstrebt. Das weniger rigide Wachstumsziel und die sich verbessernden globalen Aussichten sollten es der Regierung ermöglichen, die Kreditanreize zu reduzieren und eine moderate Haushaltskonsolidierung durchzuführen. Die Geldpolitik hingegen wird komplexer sein und wahrscheinlich akkommodierend bleiben, um eine exzessive Aufwertung des chinesischen Yuan (CNY) inmitten von Deflationsdruck und starken Leistungs- und Kapitalbilanzströmen zu verhindern.
Duale Kreislaufwirtschaft
Erstmals von Xi Jinping im Mai erwähnt, soll die «Duale Kreislaufwirtschaft» die wirtschaftliche Unabhängigkeit fördern und die Abhängigkeit Chinas von der Weltwirtschaft in Zeiten von De-Globalisierungsdruck und Handelsspannungen reduzieren. Nach mehr als einem Jahrzehnt, in dem China ein Gleichgewicht zwischen Inlands- und Auslandsnachfrage hergestellt hat, rückt diese neue Strategie nun die Binnennachfrage in den Vordergrund. Die politischen Entscheidungsträger beabsichtigen vermutlich, dass Chinas Wachstumsmodell in Zukunft weniger dem Japans und Koreas, sondern mehr dem der USA und Europas gleichen wird. Dennoch ist nicht zu erwarten, dass sich Chinas Wirtschaft stärker abschottet, sondern dass es gleichzeitig versuchen wird, die Bemühungen um eine Integration in die Weltwirtschaft zu verstärken.
Management der Finanzstabilität
Bislang hat China auf zwei Arten bei der Finanzstabilität agiert: Zum einen, das zeigen die jüngsten Ausfälle von Unternehmensanleihen, versuchen die politischen Entscheidungsträger erneut, die impliziten staatlichen Garantien abzubauen, die die Risikopreisbildung an Chinas Kreditmärkten verzerren. Dies ist ein vorsichtiger Balanceakt, den sie ausführen müssen, ohne eine grössere Schwäche der wirtschaftlichen Aktivität auszulösen.
Zum anderen gibt es einen strategischen Vorstoss, um übermässige Investitionen in den kapitalintensiven Immobiliensektor zu unterbinden, damit mehr Ressourcen in die Forschung und Entwicklung lokaler Technologien fliessen können. Das deutlichste Zeichen dafür war, dass die Behörden selbst im ersten Quartal 2020, als die Wirtschaftstätigkeit einbrach und die Arbeitslosigkeit in die Höhe schoss, die Immobilienpolitik nicht lockerten. Im August, als die Erholung einsetzte, führten sie die Politik der «drei roten Linien» ein, um die Verschuldung der Bauträger zu begrenzen. Wir glauben, dass diese Strategie das Potenzial hat, die strukturelle Entwicklung des chinesischen Immobiliensektors in den kommenden Jahren zu verändern.
Fazit: China wird auf der Grundlage dieser beiden neu ausgerichteten Prioritäten voraussichtlich in der Lage sein, auf kontrollierte Weise strukturelle Wachstumsmöglichkeiten zu schaffen, die das BIP-Wachstum bis 2035 um 75 bis 100 % steigern können. Dieses neu ausbalancierte Wachstum wird den regionalen asiatischen Volkswirtschaften in den kommenden Jahren als Rückenwind dienen, da China parallel zu diesen Ambitionen eine gezieltere regionale Handelsintegrationsstrategie verfolgt.