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payoff Focus

Das Edelmetall ist besser als sein Ruf

05.10.2023 8 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Steigende Renditen gelten als Gift für Goldanlagen. Gleichwohl notiert das Edelmetall trotz Zinswende nicht so weit unter dem Allzeithoch. Wir zeigen, was für die Krisenwährung spricht und wie Anleger sich einfach, kosteneffizient und nachhaltig positionieren können.

Bei Gold scheiden sich seit jeher die Geister. Für die einen ist das Edelmetall unverzichtbarer Bestandteil eines diversifizierten Portfolios. Andere machen einen weiten Bogen um dieses spezielle Asset. Sie erachten Gold als «langweilig» und zweifeln an seinem Status und der Funktion als Krisenwährung respektive Inflationsschutz. Gerade jüngere Investoren haben in den vergangenen Jahren die Kryptowährungen – allen voran Bitcoin – als eine Alternative für sich entdeckt. Hinzu kommt ein genereller Argwohn gegenüber der Anlageklasse Rohstoffe. Nicht zuletzt gewinnen in Zeiten eines zunehmenden Nachhaltigkeitsbewusstseins die ökologischen und sozialen Aspekte an Bedeutung, die mit dem Abbau und der Weiterverarbeitung einhergehen. Doch dazu später mehr.

Fest steht, dass sich Gold in punkto Performance nicht verstecken muss. Das World Gold Council hat die Entwicklung für verschiedene Zeiträume unter die Lupe genommen und in Relation zu anderen Anlageklassen gesetzt. Über die vergangenen beiden Jahrzehnte verteuerte sich die rund 31.1 Gramm schwere Feinunze in CHF gerechnet im Schnitt pro Jahr um 6.2% (siehe Grafik 1). In der Schweiz zeigen lediglich die Aktien kleinerer Unternehmen (Small Caps) eine stärkere Performance. Gegenüber dem breiten Markt (MSCI Switzerland) hatte das Edelmetall die Nase genauso voran, wie relativ zur globalen Börsenentwicklung (MSCI World), den Schwellenländern (MSCI Emerging Markets) sowie Schweizer Staats- (Treasuries) und Unternehmensanleihen (Corporate Bonds). In USD gerechnet hat das gelbe Metall sogar noch stärker zulegen können. Auf Sicht von 20 Jahren beträgt die durchschnittliche Wertsteigerung 8.4%. 

Prädikat Krisenwährung

Grafik 2 zeigt, dass es für die Feinunze in dieser Zeit in mehreren Wellen nach ob ging. Im Sommer 2011 – damals sorgte vor allem die europäische Finanzkrise für Verunsicherung – näherte sich die Notierung zum ersten Mal der runden Marke von USD 2’000 an. Neun Jahre später sollte der Sprung über diese Hürde gelingen. Als im August 2020 die Corona-Pandemie immer mehr für Angst und Schrecken sorgte, erreicht der Goldpreis ein Allzeithoch von USD 2’072.50. Nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine näherte sich die Fein-unze im März 2022 der Bestmarke erneut an. Im vergangenen Mai scheiterte ein weiterer Versuch, die Rekordglocke ertönen zu lassen, denkbar knapp: Rund USc 30 vor der historischen Top-Marke drehte Gold nach unten. 

Der jüngste Anlauf war weniger durch eine neue akute Krise, als vielmehr die Zinserwartungen sowie die Lage in China verursacht. Seit März 2022 stemmt sich die US-Notenbank mit rigorosen Zinserhöhungen gegen das Inflationsgespenst. Anfang des Jahres kam an den Märkten das Szenario auf, wonach es die Fed nun allmählich etwas ruhiger angehen lassen könnte. Folgerichtig legte Gold zu. Warum «folgerichtig»? Ganz einfach: Da das Edelmetall selbst keine laufenden Erträge abwirft, sind steigende Renditen per se schlecht. Dagegen gewinnt Gold an Reiz, sobald die Zinsen nach unten gehen. Ein weiterer treibender Faktor hinter der Frühjahrsrallye war das Reich der Mitte. Sowohl die Verbraucher als auch die People’s Bank of China (PBOC) griffen zu: In den ersten beiden Monaten importierte China insgesamt 244 Tonnen Gold. Laut dem WGC war das der beste Jahresauftakt seit 2015. 

ETFs mit Mittelabflüssen

Die PBOC steht weiter auf der Käuferseite. In Summe hat sie allein bis einschliesslich Juli 126 Tonnen Gold erworben. Damit lag das Volumen bereits um gut das Doppelte über der Gesamtmenge des vergangenen Jahres. Während die globalen Notenbanken insgesamt ihre Bestände aufgestockt haben, verzeichneten Gold-ETFs Mittelabflüsse. Laut den Zahlen des WGC schrumpften ihre Assets von Januar bis August 2023 um gut 130 Tonnen. Vor allem europäische Investoren trennten sich von den passiven, mit physischem Gold hinterlegten Exchange Traded Funds. Für den alten Kontinent errechnet das WGC Mittelabflüsse von insgesamt knapp 96 Tonnen.

Es gibt Ausnahmen. Aufhorchen lässt insbesondere die Entwicklung beim Raiffeisen ETF Solid Gold Responsibly Sourced & Traceable. Bis zum 22. September verbuchte dieser Fonds Mittelzuflüsse von gut einer halben Milliarde US-Dollar. Auf diese Weise hat sich der im Tresor von Raiffeisen Schweiz aufgebahrte Metallbestand von zwei auf zehn Tonnen verfünffacht. Kein anderer Gold ETF war im bisherigen Jahresverlauf derart gefragt (siehe Grafik 3). 

Am Puls der Zeit

Bei diesem 2021 lancierten Fonds trägt das genossenschaftliche Institut dem Thema Nachhaltigkeit Rechnung. Das gehaltene Gold soll verantwortungsvoll beschaffen und rückverfolgbar sein. Hierfür achten die Verantwortlichen auf eine sorgfältige Auswahl der Partner in der Lieferkette. Die involvierten Minen- und Bergbauunternehmen klopft Raiffeisen permanent nach den Kriterien ESG (Umwelt, Soziales Governance) ab. Darüber hinaus unterstützt der ETF kleinere Bergbauunternehmen bei der Verbesserung ihrer Umwelt- und Sozialpraktiken. Konkret werden rund USc 7.5 pro Gramm des als «responsibly sourced & traceable» vermarkteten Goldes für diese Zweck investiert. Beispielsweise arbeitet Raiffeisen – gemeinsam mit der Swiss Better Gold Initiative und Argor-Heraeus – in Peru mit kleinen Bergbaugenossenschaften zusammen. Dabei geht es unter anderem darum, die Verwendung von Quecksilber bei der Goldgewinnung zu eliminieren. «Mit dem neuen Ansatz bei der Goldbeschaffung bieten wir Ihnen die Möglichkeit, zeitgemäss und verantwortungsbewusst in Gold zu investieren», wirbt Raiffeisen für den ETF.

Mehr Offenheit

Die heimische Bank schreibt sich auch eine hohe Transparenz auf die Fahnen. Neben sämtlichen, an der Lieferkette beteiligten Unternehmen legt sie die unterstützten Minen offen. Auch an dieser Stelle trifft Raiffeisen den Puls der Zeit. Mitte September haben sich die 33 WGC-Mitglieder – sie fördern pro Jahr 1’300 Tonnen Gold – zu mehr Transparenz verpflichtet. Sie möchten mindestens einmal jährlich die Namen und Standorte sämtlicher Produktionspartner offenlegen. Die WGC-Unternehmen haben sich ausserdem dazu bekannt, an der Gold Bar Integrity (GBI) Plattform anzudocken. Sie soll es ermöglichen, die Lieferkette einzelner Barren auf digitale Weise nachzuvollziehen.

Der jüngste Schritt dürfte auch eine Reaktion auf die nicht abreissende Kritik am Goldsektor sein. Erst im Sommer hatte der WWF auf die ökologischen und sozialen Folgen des Bergbaus hingewiesen. «Unser Hunger nach Gold hinterlässt Spuren der Verwüstung, Elend und Armut in Regionen wie dem Amazonas», fasst Tobias Kind-Rieper, Global Lead Mining & Metals beim WWF Deutschland, die Vorwürfe zusammen. Neben Offenlegung der Lieferketten verlangt die Umweltschutzorganisation den Verzicht auf schädliche Chemikalien, die Einhaltung von Menschenrechten sowie ein verstärktes Gold-Recycling. 

Der WWF unterstreicht seine Forderungen mit dem Hinweis, dass der Technologiesektor in Zukunft als Abnehmer weiter an Bedeutung gewinnen wird. Schon jetzt stecken in einem Smartphone rund 2.4 Milligramm des Edelmetalls. In den vergangenen zehn Jahren lag der Anteil technischer Applikation am gesamten Goldbedarf aber erst bei rund 8%. Hauptabnehmer war die Schmuckindustrie mit rund der Hälfte der geförderten Menge (siehe Grafik 4). Während ETFs im Zehn-Jahres-Zeitraum noch eine kleine Rolle spielten, sind Barren und Münzen bei Investoren seit jeher gefragt. Wer zu physischen Gold greifen möchte, muss den Aufwand für eine sichere Verwahrung ins Kalkül ziehen.

Anlagelösungen

Es zählt zu den Stärken der ETFs, dass sie diesen Job übernehmen und der Anleger dennoch Zugriff auf das Metall hat. Raiffeisen liefert Gold beim vorgestellten ETF ab einem 1-Kg-Barren aus und ruft für diese Menge Kosten von CHF 200 (vor MwSt.) auf. Die Gesamtkostenquote (Total Exchange Ratio, kurz TER) für diesen Fonds liegt bei 0.31% p.a. Drei verschiedene Anteilsklassen handelt Raiffeisen an der SIX: Neben USD (Valor 112275674) steht das passive Investment in CHF – mit (Valor 112275673) und ohne (Valor 112275672) Währungsabsicherung zur Verfügung. 

Trotz der jüngsten Kapitalaufnahme trennen das Raiffeisen-Vehikel bei den Assets Welten vom ZKB Gold ETF. Die Zürcher Kantonalbank lagert für dieses Vehikel mehr als 150 Tonnen des wichtigsten Edelmetalls ein. Knapp die Hälfte davon entfällt auf die nicht währungsgesicherte Anteilsklasse CHF (Valor 13910159). Die ZKB veranschlagt hier eine TER von jährlich 0.40% p.a. Einen festen Platz hat Gold auch im Schweizer Markt für Strukturierte Produkte. Neben Partizipationspapieren gibt es eine Vielzahl an Hebelprodukten.

Allein die Société Générale handelt auf Swiss DOTS mehr als 180 solcher Vehikel. Dazu zählt ein Call Warrant (Valor 126558489) mit einem Strike von USD 2’000. Da der im kommenden März fällige Warrant deutlich aus dem Geld notiert, zeigt er einen stattlichen Hebel von rund 36. Bei einem weiteren Call (Valor 127267488) ist der Basispreis USD 225 tiefer angesiedelt. Bei einer identischen Laufzeit beträgt der Hebel momentan 10.2. Zu beiden Varianten sollten nur Gold-Bullen greifen, die kurzfristig ein negatives Szenario für die US-Konjunktur verfolgen. Schlittert die weltgrösste Volkswirtschaft tatsächlich in eine Rezession und senkt die Fed schneller als erwartet die Zinsen, könnte es bei Gold zum Ausbruch nach oben kommen. Selbstredend ist diese Annahme nicht in Stein gemeisselt – auch in der Ökonomie scheiden sich seit jeher die Geister.

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