Der fünfte Kontinent – zu Unrecht im Abseits
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Dieter Haas
Investoren lassen Australien oder «Down Under», wie der Kontinent wegen seiner Lage auch genannt wird, meist links liegen. Sie verpassen damit eine wertvolle Diversifikation mit ungeahnten Chancen.
Der mit gut 7.68 Millionen Quadratkilometern flächenmässig sechstgrösste Staat der Erde hat eine Küstenlänge von knapp 47’000 km. Die Ausdehnung in Ost-West-Richtung beträgt rund 4’000 km und in Nord-Süd-Richtung etwa 3’200 km. Australien ist, nach der Antarktis, der trockenste Kontinent sowie der flachste aller Erdteile. Die höchsten Berge befinden sich in der Great Dividing Range, ein Gebirge, das sich an der gesamten Ostküste entlang zieht. Die höchste Erhebung ist der Mount Kosciuszko mit 2’228 Meter. Seine 25 Millionen Einwohner leben grösstenteils in städtischen Siedlungen im Osten des Landes – rund 40% davon alleine in Sydney und Melbourne. Trotz der beträchtlichen Dimension erfährt man hierzulande wenig über das Land. Die Berichterstattung stürzt sich fast nur auf Ereignisse im Zusammenhang mit der exotischen Tierwelt. Krokodil- oder Haiangriffe sowie Vorfälle mit giftigen Spinnen und Schlangen werden medienmässig ausgeschlachtet, obwohl es praktisch nie zu Todesfällen kommt. Was sich in der Finanzwelt tut, ist allenfalls von Zeit zu Zeit eine Randnotiz wert. Dabei läuft die Wirtschaft wie geschmiert. Das Bruttoinlandprodukt ist auf Jahresbasis seit 1991 oder 27 Jahren nie mehr gesunken. Trotz gestiegener Konjunkturrisiken dürfte gemäss den jüngsten Aussagen der Reserve Bank of Australia auch im Jahr 2019 ein positives Wachstum in der Grössenordnung von 3% resultieren. Rezession bleibt für die Aussies ein Fremdwort. Als Stütze der Konjunktur dürften sich die Investitionen des Unternehmenssektors erweisen, die den Rückgang im Immobilienmarkt sowie die unterdurchschnittliche Ausgabefreudigkeit der Konsumenten überkompensieren sollten. Australien profitiert zudem von der guten Konjunktur in seinen Nachbarländern. Zudem trägt die Kombination aus anziehenden Rohstoffpreisen und steigenden Staatsausgaben dazu bei, dass das seit 1960 leicht sinkende Trendwachstum weiterhin aufrechterhalten werden kann. Die Wirtschaft befindet sich somit auf Kurs. Das passt zu den Wappentieren Australiens – Känguru und Emu. Eine ihrer Eigenschaften ist, dass sie nur vorwärts gehen können.
«Das Bruttoinlandprodukt Australiens ist seit 27 Jahren ohne Unterbrechung gestiegen.»
Notenbank steht Gewehr bei Fuss
Die Reserve Bank of Australia (RBA) sieht bislang, ungeachtet der leichten Abschwächung der Konjunktur in der zweiten Jahreshälfte 2018, keinen Grund von ihrer bisherigen Politik abzuweichen. Sie beliess Anfang März ihren Leitzinssatz im 31sten Monat in Folge bei 1.5%. In seinem Statement sagte Philip Lowe, der derzeitige Gouverneur der RBA: «The growth outlook is being supported by rising business investment, higher levels of spending on public infrastructure and increased employment, und äusserte sich zu den möglichen Risiken wie folgt: «The main domestic uncertainty continues to be the strength of household consumption in the context of weak growth in household income and falling housing prices in some cities.» Im heiss gelaufenen Immobiliensektor führten behördlich verordnete Kreditauflagen und eine etwas abgeschwächte Nachfrage aus dem Ausland in den vergangenen Monaten zu einem Rückgang vom Höchststand in den beiden wichtigsten Ballungszentren Sydney und Melbourne um 6.1% respektive 4.5%. Das aktuelle Niveau liegt aber nach wie vor um 74% bzw. 59% über dem letzten zyklischen Tief.
Rohstoffe – das Lebenselexir Australiens
Australien ist eines der rohstoffreichsten Länder der Erde. Die konstatierte Trendwende in vielen Bereichen dieser Anlageklasse war und ist eine zentrale Stütze. Das schlägt sich auch im Aktienmarkt nieder. Entgegen dem globalen Trend befindet sich der Goldminensektor Australiens seit 2016 im Aufwind. Der S&P/ASX All Ords Gold Index, der Aktien von 24 im Goldminengeschäft tätigen Unternehmen (Newcrest, Evolution Mining, Northern Star Resources u.a.) umfasst, wies in dieser Zeitspanne die beste Performance aus. Etwas stetiger aber ebenfalls sehr dynamisch entwickelte sich der Branchenindex S&P/ASX 200 Materials. Beide Sektoren schlagen den S&P/ASX Index um Längen. Letzterer zeigt sich aber im internationalen Vergleich als weitaus weniger anfällig für Schwankungen. So liegt die Volatilität in der Regel unter derjenigen des SMI, des DAX oder des S&P 500. Keine übermässige Sorgen bereitet zudem die Währung. Der Aussie Dollar entwickelte sich zum CHF seit Anfang 2016 in einer engen Bandbreite.
Branchen- und Blue Chip Performance
Rohstoffe waren seit 2016 die Überflieger, gefolgt von IT, Gesundheitswesen und Industrie. Wie in fast allen globalen Märkten rissen zinsensitive Branchen wie Finanz oder Versoreger keine Bäume aus. Am schwächsten schnitt der Sektor S&P/ASX Communication ab, darunter befinden sich die Aktien des Blue Chip Telstra, einem international operierenden Telekommunikationsunternehmen mit Sitz in Melbourne. Auf Titelebene schwangen unter den 20 gewichtigsten Titel im S&P/ASX 200 in der genannten Zeitpanne die diversifizierten Rohstoffkonzerne South32 (vor allem Aluminium und Mangan), Rio Tinto und BHP obenaus. South32 entstand 2015 durch eine Abspaltung von BHP Billiton. Die viertbeste Performance ging aufs Konto der Aktie der Goodman Group, einer Immobiliengruppe, gefolgt von den Titeln der CSL Limited, einem in Melbourne ansässigen Pharmaunternehmen, und Newcrest, dem führenden Goldunternehmen Australiens.
«Die Reserve Bank of Australia beliess Anfang März ihren Leitzinssatz im 31sten Monat in Folge bei 1.5%.»
Breite Auswahl an ETFs
Da es hierzulande nur vereinzelte Angebote passiver Instrumente auf australische Aktien gibt, müssen sich interessierte Anleger am Tableau der ASX umsehen. Die Nase vorne hatte ab 2016 der ETF MVR auf Rohstoffe von VanEck, gefolgt vom Mid Cap ETF MVE ebenfalls von VanEck. Besser als der S&P/ASX 200 schnitten in der untersuchten Zeitperiode der ETF MVW von VanEck auf den MVIS Australia Equal Weight Index ab sowie der ETF VSO von Vanguard auf den MSCI Small Companies. Im hinteren Teil der Rangliste befinden sich mit VHY und VGB zwei Anleihen-ETFs. Ihre Rendite war im Vergleich zu den meisten aktienbezogenen ETFs vergleichsweise bescheiden.
Mageres Angebot bei Strukturierten Produkten
Im Bereich der Strukturierten Produkte ist Australien beinahe ein weisser Fleck. Das endlos laufende Tracker-Zertifikat OEASX der UBS auf den S&P/ASX Australia Dividend Opportunities Index wurde im vergangenen Jahr eingestellt. Unter den wenigen im Tableau von SIX Swiss Exchange kotierten Anlageprodukten mit Bezug zu Australien sticht das Kapitalschutzprodukt mit Coupon IFMXAU der Leonteq auf den MSCI Australia heraus. Das in AUD emittierte Anlageprodukt mit Laufzeit bis 23. Januar 2020 zahlt jedes Jahr einen Coupon in Relation zur Entwicklung des Basiswertes und besitzt einen 100%igen Kapitalschutz. Im Vergleich zu CHF-Obligationen konnte man damit bislang durchaus punkten, mehr aber auch nicht. Der S&P/ASX 200 ist ferner Bestandteil in einigen Multi-BRCs. Last but not least findet sich mit dem Call-Warrant CAW11U der UBS auf den S&P/ASX 200 Index ein einziges Hebelprodukt auf den Aktienmarkt Down Under. Der am 2. September 2016 in USD (Quanto) emittierte und am 30. Juli 2021 verfallende Warrant mit einem Strike bei AUD 5’433 hat sich bislang sehr gut geschlagen und besitzt intakte Chancen, seine Gewinne auszubauen. Der täglich aufdatierte dp Product Report gibt regelmässig Auskunft über die wichtigsten Parameter.
Unsere Anlageempfehlungen
Wer auf Australien setzten möchte, der kommt um Rohstoffe nicht herum. Unsere Top-Empfehlung ist der Überflieger der vergangenen drei Jahre: der ETF MVR von VanEck mit einer für diesen volatilen Sektor moderaten TER von 0.35%. Der ETF umfasst mindestens 20 Titel, deren maximales Gewicht bei 8% gekappt wird. Die Top-10 des Indexfonds (Blue Chips wie BHP, Woodside Petroleum, Rio Tinto, South32, Newcrest u.a.) machen gut 60% aus. Der grösste Anteil von rund 27% entfällt auf Aktien diversifizierter Rohstoffkonzerne, 17% auf Goldminenunternehmen und 16% auf Unternehmen mit Fokus Öl und Gas. Einziger Wermutstropfen ist das mit rund AUD 55 Millionen vergleichsweise tiefe Vermögen im ETF. Die zwei weiteren Empfehlungen, die ETFs IOZ und der auf SIX Swiss Exchange kotierte AUSAUW, basieren beide auf australischen Blue Chips Indizes. Die Kursentwicklung des MSCI Australia bzw. des S&P/ASX 200 Accumulation Index weist eine hohe Parallelität auf, da die Branchengewichtung der beiden Basiswerte einen hohen Deckungsgrad aufweist. Unterschiede gibt es hinsichtlich der Anzahl Titel. Der MSCI Australia umfasst 69, der S&P/ASX 200 Accumulation deren 200. Der ETF IOZ hat im Vergleich zum AUSAUW den Vorteil deutlich tieferer jährlicher Gebühren. Beides sind solide passive Anlagen auf den Gesamtmarkt. Wer höhere Erwartungen hegt, für den ist der MVR «the place to be». Das umso mehr als die laufende globale Monetarisierung der Schulden im Endeffekt vermutlich zu einer Stagflation führen wird, die mangels der Möglichkeit der Zinsanhebung, die Preise von Rohstoffen und anderen Sachwerten in die Höhe katapultieren dürfte. Australien im Allgemeinen und der Bereich Rohstoffe im Speziellen zählen vor diesem Hintergrund zu den heissen Eisen. Untergangspropheten sei gesagt: «Don’t worry about the world coming to an end today. It is already tomorrow in Australia.»