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payoff Focus

Der Short als mögliche Trump(f) Karte

16.02.2024 8 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Rund um den Globus stehen 2024 wichtige Wahlen an. Ob in Indien, Europa oder den USA: Die anstehenden Wahlen dürften auch an den Börsen Spuren hinterlassen. Wir zeigen, wie sich Anleger für mögliche Turbulenzen in den kommenden Monaten wappnen können.

Im Jahr 2024 werden weltweit mehr Menschen als je zuvor aufgerufen sein, ihre Stimme abzugeben. Laut J.P. Morgan stehen in 77 Ländern Wahlen an. Diese Nationen repräsentieren mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und fast 60% der globalen Wirtschaftsleistung. Wichtige Schwellenländer wie Indien oder Indonesien gehören ebenso dazu wie die USA oder die Europäische Union. «Die Wahlbonanza 2024 wird uns viel über die jüngsten Trends zu Polarisierung, Populismus, Demokratieverfall und geoökonomischer Fragmentierung sagen», erwarten die Analysten der US-Bank. Nun könne sich zeigen, ob diese Phänomene weiter zunehmen, stagnieren oder sich die Politik wieder in Richtung mehr Konsens wandelt. «Wir wissen, dass jede dieser Missstände langfristig die wirtschaftliche Effizienz und das Wachstum beeinträchtigt», schreibt J.P. Morgan.

Im Fokus steht der Kampf um das Weisse Haus. Nach den ersten Vorwahlen bei den Republikanern zeichnet sich eine Wiederholung des Duells Biden vs. Trump ab. Obwohl der Verlierer von 2020 in mehreren Verfahren vor Gericht steht, scheinen die Republikaner Donald Trump erneut ins Rennen zu schicken. Rhetorisch positioniert sich der 77-Jährige mehr denn je als eine Art Anführer der globalen Bewegung in Richtung Populismus und Polarisierung. Im Vergleich dazu schlägt der vier Jahre ältere Demokrat moderatere Töne an – ohne den Anspruch der USA auf eine globale Vormachtstellung in Zweifel zu ziehen. Bleibt Joe Biden Präsident, würde sich daran wohl wenig ändern.

Aussichten bei Trump 2.0

Derweil könnte die Rückkehr Trumps in das Oval Office zu einer noch stärkeren Verschiebung der geopolitischen Kräfteverhältnisse sorgen. Nur ein Beispiel: Schon jetzt bremsen die Republikaner die Regierung in der Unterstützung der Ukraine für den Kampf gegen Russland aus. Unlängst kündigte Trump an, diesen Konflikt bei einem Wahlsieg innert 24 Stunden zu beenden. Wie konkret dies geschehen soll, liess er offen. Ein wie auch immer gearteter «Deal» mit Wladimir Putin gilt vor allem auf dem alten Kontinent als Negativszenario. 

Auch innenpolitisch ist der am 5. November anstehende Urnengang hochbrisant. Der Sturm von Trump-Anhängern auf das Kapitol am 6. Januar 2021 hat sich tief in die Seelen vieler US-Amerikaner eingebrannt. Einen Beleg für diese These liefert der Preventive Priorities Survey (PPS) des Council on Foreign Relations’ (CFR). Die Befragung von Experten für die Aussenpolitik ergab erstmals eine hohe Wahrscheinlichkeit für Terror und politische Gewalt in den USA – insbesondere im Zusammenhang mit den nahenden Präsidentschaftswahlen. 

Trump-Sympathisanten dürfte solche Szenarien als «Panikmache» abtun und stattdessen auf die Wirtschaftspolitik des Republikaners verweisen. Unter dem Slogan «Make America Great Again» hatte er der grössten Volkswirtschaft der Welt mit Strafzöllen gegen chinesische Einfuhren, dem Austritt aus internationalen Abkommen, der Lockerung von Umweltauflagen und insbesondere den grössten Steuersenkungen in der US-Geschichte kräftig unter die Arme gegriffen. Obwohl der Handelsstreit mit China und später die Corona-Pandemie die Wall Street ausbremsten, legte der S&P 500 Index während der Trump-Regentschaft von Anfang 2017 bis Januar 2021 um rund zwei Drittel zu.

Die Geschichte vom «Goldlöckchen»

Weniger die Hoffnung auf eine Wiederholung dieser Politik als vielmehr die Wette auf Zinssenkungen samt dem Boom im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) haben dem US-Aktienmarkt einen starken Jahresauftakt beschert. Mitte Januar toppte der S&P 500 Index das ziemlich genau zwei Jahre zuvor erreichte Allzeithoch (siehe Grafik 1). In New York und an anderen Börsenplätzen wird das «Goldilocks»-Märchen erzählt. Der Brei ist in dieser Geschichte «weder zu heiss, noch zu kalt». Analog dazu sehen die Aktien-Bullen eine Wirtschaft, die weder schrumpft, noch überhitzt. Gleichzeitig verweisen sie auf eine rückläufige Teuerung, welche die Hoffnung auf ein Ende der geldpolitischen Straffung zusätzlich stärkt. 

In der Tat präsentiert sich die US-Wirtschaft erstaunlich robust. Obwohl das Fed die geldpolitischen Zügel vehement gestrafft hat, expandierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2023 um 2.5%. Im laufenden Jahr traut der Internationale Währungsfonds (IWF) den Staaten ein Wachstum von 2.1% zu. Andere Industrienationen können bei diesem Tempo nicht Schritt halten (siehe Grafik 2). Als Gründe für den positiven Ausblick nennt der IWF die Widerstandskraft der USA sowie das Bemühen Chinas, die Konjunktur mit fiskalischen Stimulanzen auf Touren zu bringen.

Die Ökonomen nennen aber auch Risken: «Neue Rohstoffpreisspitzen aufgrund geopolitischer Schocks – einschliesslich anhaltender Angriffe im Roten Meer – und Versorgungsunterbrechungen oder eine hartnäckigere zugrunde liegende Inflation könnten die restriktiven monetären Bedingungen verlängern», ist im aktuellen IWF-Ausblick zu lesen. Für Enttäuschungen könnte zudem eine verschärfte Immobilienkrise in China sorgen. Für die Zentralbanken gelte es nun, «den endgültigen Rückgang der Inflation auf das Zielniveau erfolgreich zu bewältigen.»

Geldpolitik: Eine Herkulesaufgabe

Es wäre interessant zu wissen, ob Jerome Powell diesen Appel gelesen hat und was er gegebenenfalls darüber denkt. Seit Monaten müht sich der Chef der US-Notenbank damit ab, der Teuerung Herr zu werden, und dabei den makroökonomischen Flurschaden so gering wie möglich zu halten. Die skizzierten Börsen- und BIP-Performance zeigt, dass er diesen Spagat recht gut hinbekommen hat. Doch ist der Kampf gegen das Inflationsgespenst nicht gewonnen. Powell wiederholte dieses Mantra auch nach der ersten Notenbanksitzung im 2024. Das Fed beliess den Leitzins auf der Spanne von 5.25% bis 5.50%. Gleichzeitig machte Powell Investoren einen Strich durch die Rechnung, die auf eine erste Zinssenkung im März gesetzt hatten. Einen solchen Schritt hält er «nicht für wahrscheinlich.»

Üppige Bewertung, massive Konzentration

Obwohl die Wall Street daraufhin nachgab, steuert der US-Aktienmarkt mit einer üppigen Bewertung auf eine geo- und geldpolitisch richtungsweisende Phase zu. Ende Januar taxierte Factset das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den S&P 500 auf knapp 20. Damit übertraf die Kennziffer ihren Durchschnittswert für die vergangenen zehn Jahre um rund 14%. Während die jüngste Kursrallye für eine Expansion der Bewertung gesorgt hat, verhindern die optimistischen Ergebnisschätzungen ein noch üppigeres KGV. Die Wall Street rechnet damit, dass die Gewinne der 500 Large Caps im laufenden Jahr um knapp 13% steigen (siehe Grafik 3). 

Diese kollektive Erwartung steht und fällt mit den «Magnificent 7». Zu dieser Gruppe zählen Apple, Amazon.com, Alphabet, Nvidia, Meta Platforms, Microsoft und Tesla. Die S&P 500-Gewinnschätzung für das laufende Jahr geht zu 34% auf diese prominenten Highflyer zurück. Eine Gewichtung von 29% im Leitindex zeigt die starke Konzentration auf die glorreichen 7. Umso gefährlicher könnte es werden, sobald sie den Erwartungen nicht mehr gerecht werden. Alphabet lieferte vor kurzem einen möglichen Vorgeschmack: Nachdem die Google-Mutter enttäuschende Werbeumsätze für das Weihnachtsquartal 2023 präsentiert hat, rauschte ihre Aktie in den Keller.

Anlagelösungen

Freilich lassen sich solche Rücksetzer auf Gewinnmitnahmen zurückführen. Alles in allem haben die US-Konzerne überzeugende Zahlen vorgelegt. Es ist also gut möglich, dass die Aufwärtsbewegung in New York und andernorts weitergeht. Und doch könnte es für Anleger sinnvoll sein, über Chancen auf der Short-Seite nachzudenken. Möglichkeiten, auf den Stimmungsumschwung respektive einen Rückgang der Kurse zu setzen, gibt es genügend.

An der SIX sind allein mehr als 3’100 Short Mini-Future kotiert. Seit kurzem zählt dazu ein auf dem S&P 500 Index basierendes Papier (ISIN CH1310056754) der UBS. Anfang Februar münzte dieser Mini Future fallende Notierungen bei der US-Benchmark mit einem Hebel von 6.3 in Gewinne um. Der Stop Loss befand sich zu diesem Zeitpunkt bei 5’670.451 Punkten und 15.6% unter dem Indexstand. Diese Lücke kann nicht über die Risiken des Produkts hinwegtäuschen. Setzt die Wall Street ihren Höhenflug fort, drohen überproportionale Verluste. Beim Erreichen des Stop Loss gehen Anleger, abgesehen von einem kleinen Restwert, leer aus. 

Neben der unbegrenzten Laufzeit zählt der vergleichsweise geringe Einfluss der Volatilität zu den Wesenszügen des Mini Futures. Put Warrants haben dagegen einen festen Verfalltermin, während die Kursschwankungsbreiten zu ihren wesentlichen Preisparametern zählt. Gerade wegen dieser beiden Aspekte eignen sich Puts gut als Absicherungsinstrument. Zum einen kann ein Portfolio gezielt zu einem bestimmten Zeitpunkt mit einem «Hedge» versehen werden. Hinzu kommt, dass die Volatilität in Phasen der Korrektur typischerweise nach oben geht und damit den Optionsschein verteuert. 

Versicherung «Marke Eigenbau»

Mit dem Put Warrant (ISIN CH1260804179) auf den S&P 500 lässt sich ein überwiegend mit US Large Caps bestücktes Portfolio per 20. Dezember 2024 absichern. Die Versicherung greift umso stärker, je weiter der Basiswert zu diesem Termin unter dem Strike von 4’400 Punkten steht. Die Lücke zwischen dem aktuellen Indexstand und dieser Marke kann als «Eigenbeteiligung» betrachtet werden. Auch hier gilt: Behalten die Bullen an der Wall Street das Zepter in der Hand, verfällt der Warrant wertlos. Da sich der «Versicherungsnehmer» in diesem Szenario über Kursgewinne bei seinen Aktien freut, kann das Minus getrost als «Prämie» verbucht werden.

Ein Schattendasein fristen Short-ETFs. Das gilt auch für den in der Schweiz zugelassenen Xtrackers S&P 500 Inverse Daily Swap (ISIN LU0322251520). Dieser an der Berner Börse kotierte ETF gibt den Verlauf des US-Leitindex spiegelverkehrt wieder. Massgeblich ist hierbei die tägliche Wertentwicklung. Da auf diese Weise eine Pfadabhängigkeit entsteht, kann der Verlauf des Fonds auf Dauer deutlich vom «umgekehrten» S&P 500 abweichen. Short-ETFs eignen sich daher nicht für die Depotabsicherung über einen längeren Zeitraum. Sie können jedoch von erfahrenen und aktiven Anlegern für kurzfristige Short-Spekulationen eingesetzt werden – Gelegenheiten, eine solche Strategie zu fahren, dürfte es im Superwahljahr 2024 durchaus geben.   

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