Die Welt rüstet auf
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Die vermeintlichen Friedensbemühungen von Donald Trump haben den Rüstungssektor nur kurz ausbremsen können. Vor der Amtseinführung des 47. US-Präsidenten sind die Aktien aus diesem Wirtschaftszweig mehr denn je gefragt – angesichts globaler Krisenherde und Cyberattacken überrascht das nicht. Bei einem der Security-Highflyer könnte die Rallye dennoch zu weit gegangen sein.
Am 20. Januar 2024 wird Donald Trump als 47. Präsident der USA vereidigt. Lange kann der Republikaner sich mit der «Inauguration»-Zeremonie nicht aufhalten. Trump hat für seine Rückkehr in das Weisse Haus grosse Versprechungen abgegeben. Unter anderem kündigte er das Ende des militärischen Konflikts zwischen Russland und der Ukraine an. «Ich werde diesen Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden», erklärte Trump schon im vergangenen Jahr. Auf die Frage, wie das gehen soll, kündigte er Meetings mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Wolodymyr Selenskyj, dem Präsidenten der Ukraine, an. «Beide haben Stärken, beide haben Schwächen», meinte Trump damals.
Wirkungslose Telefon-Diplomatie
Nur zwei Tage nach seinem triumphalen Wahlsieg schritt der 78-jährige zur Tat. Trump rief Putin an, um den Russen – unter Verweis auf die militärische US-Präsenz auf dem alten Kontinent – vor einer Eskalation des Krieges zu warnen. Bei einem Telefonat mit dem ukrainischen Staatschef soll Trump den Hörer an Tesla-CEO und Milliardär Elon Musk weitergegeben haben. Doch trotz der raschen und symbolträchtigen Kommunikation kann vom Frieden in Osteuropa nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Der Krieg in der Ukraine tobt heftiger denn je.
Vor diesem Hintergrund überrascht es nicht, dass die Aktien globaler Rüstungsunternehmen nach dem Urnengang in den USA nur kurzzeitig unter Druck geraten sind. Mittlerweile sind die Hersteller von Panzern, Kampfschiffen und -jets, Waffensystemen, Munition und Sicherheitssoftware wieder mehr gefragt denn je. Die Hoffnung, wonach das politische Comeback des Jahres für geopolitische Entspannung sorgen könnte, hat sich zerschlagen. Das seit Jahren zu beobachtende globale Wettrüsten wird wohl weitergehen.
Die grosse Zeitenwende
2023 lagen die globalen Ausgaben für Verteidigung bei knapp USD 2.4 Billionen. Innerhalb von zehn Jahren sind die Militärbudgets damit laut Zahlen aus dem Stockholm International Peace Research Institute um mehr als ein Viertel gestiegen (siehe Grafik 1). Allein die USA haben im vergangenen Jahr USD 916 Milliarden für Rüstung ausgegeben. Im 10-Jahres-Zeitraum bedeutete das ein Wachstum von 41%. Rund 3.4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) stecken die Staaten in ihre Verteidigung. Mit dieser Quote dürfte Donald Trump den Rest der NATO auch in seiner zweiten Amtszeit unter Druck setzen. Das nordatlantische Bündnis hat sich 2006 darauf verständigt, dass jedes Mitgliedsland 2% seiner Wirtschaftsleistung für das Militär locker macht. Doch vor allem die Europäer nahmen diese Vorgabe lange Zeit nicht wirklich ernst. Laut Berechnungen des ifo Instituts wurde das 2%-Ziel auf dem alten Kontinent ausgehend von 1991 um EUR 1.8 Billionen unterschritten.
Was mit dem Druck von Donald Trump und der Sorge vor einem Ausscheren der USA aus der NATO begonnen hat, wurde 2022 zur Top-Priorität. Nachdem Russland die Ukraine überfallen hatte, begannen die Europäer damit, ihre Rüstungsetats aufzustocken. «Die gute Nachricht ist, dass 23 NATO-Verbündete 2% vom BIP für Verteidigung ausgeben», stellte Mark Rutte kürzlich fest. Laut ihrem Generalsekretär war die Organisation seit Jahrzehnten nicht mehr so gut aufgestellt. Damit ist der Niederländer allerdings längst nicht zufrieden. «Die schlechte Nachricht ist, dass 2% nicht mehr reichen», sagte er am «Atlantic Future Forum». Rutte verwies auf den Krieg in der Ukraine und den Konflikt im Mittleren Osten. «Unsere Sicherheit ist vernetzt und wird zunehmend in Frage gestellt», sagte er. Vor allem Russland, China, der Iran und Nordkorea hätten ein Interesse, die Ordnung der Welt durch ein schleichendes Chaos zu ersetzen. «Länder, welche die neuen, anspruchsvollen Fähigkeitsziele der NATO fast erreicht haben, geben mehr als 4% aus», erklärte der NATO-Generalsekretär. Als Beispiel nannte er Polen.
Schweizer Pläne
In der Tat hat das westliche Nachbarland der Ukraine in den vergangenen Jahren besonders stark aufgerüstet. Die NATO geht davon aus, dass Warschau im laufenden Jahr 160% mehr in die Rüstung steckt, als 2021. Mit 4.1% der Wirtschaftsleistung gibt Polen soviel für diesen Bereich aus, wie kein anderes NATO-Mitglied. (siehe Grafik 3). Die Schweiz kann bei weitem nicht Schritt halten. Immerhin hat sich die Eidgenossenschaft vorgenommen, ihre Verteidigungsfähigkeit rasch zu erhöhen und den Anteil der Militärausgaben am BIP auf 1% zu hieven. Allein für den ersten Schritt in Richtung einer Stärkung der Verteidigungsfähigkeit hält das Militär bis 2031 Investitionen von insgesamt rund CHF 13 Milliarden für erforderlich.
Besonders gross ist der Bedarf im Bereich «Führung und Vernetzung» (siehe Grafik 4). Um einen raschen, geschützten und mobilen Austausch von Daten und Information zu gewährleisten, möchte die Armee unter anderem ihre Rechenzentren und die IT-Infrastruktur der Truppe ausbauen. Ausserdem plant sie den Aufbau einer satellitengestützten Kommunikation. Das zeigt, wie wichtig der Bereich Cybersicherheit für die Zukunft der Verteidigung ist. Kriegerisches Geschehen verlagert sich immer mehr in die digitale Welt, weshalb dieser Markt in Zukunft sogar stärken wachsen könnte als der klassische Rüstungsbereich. Laut HANetf soll der Verteidigungsmarkt bis 2027 pro Jahr im Schnitt um 5.6% expandieren. In der Cybersicherheit wird den Briten zufolge mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate – CAGR – von 8.9% gerechnet.
Anlagelösungen
Mit diesen Prognosen wirbt der Dienstleister für den im Sommer 2023 aufgelegten Future of Defence ETF NATO. Dieser passive Fonds zielt auf Unternehmen ab, die von steigenden Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben der NATO und ihren Verbündeten profitieren. Im zugrunde liegenden Index sind momentan 59 Aktien enthalten. Wenig überraschend geben US-Unternehmen den Ton an – sie steuern knapp 57% zu der ETF-Benchmark bei. Rund ein weiteres Viertel kommt aus Frankreich, Grossbritannien und Deutschland. Der ETF greift den «Run» auf Rüstungsaktien bis dato erfolgreich ab (Grafik 5).
Das ganze Programm
Seit mehr als fünf Jahren bietet Leonteq einen diversifizierten Zugang in Rüstungsaktien. Im Februar 2019 lancierte die Emittentin das Tracker-Zertifikat SAFETQ auf den Swissquote Global Defense Index. Momentan sind darin 20 Aktien enthalten. Im Vergleich zum ETF ist dieser Index eher auf klassische Rüstungsfirmen fokussiert. Beispielsweise setzen die Swissquote-Experten auf den US-Konzern General Dynamics. Das Unternehmen aus Virginia liefert Kampfschiffe, atomgetriebene U-Boote, Panzer und Munition. Das aktuelle Schwergewicht ist ST Engineering. Der Konzern aus Singapur baut unter anderem Patrouillenschiffe, gepanzerte Fahrzeuge und mobile Kommandozentralen. Ausserdem verfügt ST über eine grosse Expertise in der Wartung von Militärflugzeugen sowie der Cybersicherheit. Das Geschäft brummt: In den ersten neun Monaten 2024 verbuchte die Sparte «Defence & Public Security» ein Umsatzwachstum von 18% auf USD 3.6 Milliarden. Gleichzeitig sammelte sie Aufträge in einem identischen Volumen ein. Die Aktie von ST Engineering notiert auf Allzeithoch und hat zur starken Performance des Swissquote Global Defence Index beigetragen.
Der Tracker kann mit den ETFs mithalten, obwohl Swissquote auf zwei Highflyer aus dem Rüstungssegment verzichtet. Weder der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall noch der US-Big-Data-Spezialist Palantir sind im Index des Direktbrokers enthalten. Beide Aktien stehen exemplarisch für die Hausse im Rüstungs- und Sicherheitssektor. Wobei der US-Titel kurzfristig die Nase vorn hat: Palantir legte im bisherigen Jahresverlauf um rund 280% zu, Rheinmetall schaffte ein Plus von 116%.
Heisse Kontra-Trump-Wette
Palantir ist nach den US-Wahlen regelrecht durchgestartet. In den knapp vier Wochen seitdem ist die Marktkapitalisierung des Technologieunternehmens um mehr als USD 50 Milliarden auf nun USD 150 Milliarden gestiegen. Investoren setzen darauf, dass der Fokus der Trump-Regierung auf Sicherheit, Migration und Weltraum die Kassen des Dienstleisters klingeln lässt. Schon jetzt nutzen CIA, NSA, US-Militär und -Polizei die Technologie von Palantir, um grosse Datenmengen zu sammeln, auszuwerten und daraus bestimmte Muster abzuleiten.
Trotz der positiven Aussichten könnte die Rallye, die auch vom allgemeinen KI-Boom befeuert wird, etwas zu weit gegangen sein. Palantir wiegt an der Börse inzwischen etwa so viel wie die Rüstungskonzerne General Dynamics oder Northrop zusammen. Gleichzeitig weist die Aktie für 2025 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 140 auf: «Wir verstehen nicht, warum Palantir der teuerste Titel im Software-Sektor ist», erklärten die Analysten von RBC schon vor den US-Wahlen.
Mit ihrer skeptischen Haltung sind die Kanadier nicht allein. Palantir notiert mehr als zwei Drittel über dem durchschnittlichen Kursziel der Wall Street. Auf einen Rücksetzer können trading-affine Anleger mit dem Mini-Future Short MPLACV setzen. Das Vontobel-Papier münzt fallende Kurse bei Palantir mit einem Hebel von aktuell 5.1 in Gewinne um. Natürlich ist dieser «Kontra-Trump-Trade» sehr heiss. Doch im Vorfeld des «Inauguration Day» könnte eine kleine Position durchaus Sinn ergeben.