Exklusiv: Das Mekka des Value-Investing
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Martin Raab
Das Orakel von Omaha, Warren Buffet (87 Jahre), begleitet von Charlie Munger (94 Jahre), hat letzten Samstag wieder gesprochen. Es handelt sich um seine bereits 54. Hauptversammlung als Vorsitzender der Berkshire Hathaway. Mehr als 42’000 Menschen waren in Omaha live dabei – dieses Jahr auch Alexander Novak für payoff.
Dieses Event ist für die Besucher mehr als eine Informationsveranstaltung, bei der man feststellen möchte, wie es dem Unternehmen geht und wie sich der Preis der Aktie in Zukunft entwickeln könnte. Es ist nicht mit einer einfachen Hauptversammlung eines normalen börsennotierten Unternehmens zu vergleichen. Für einige Besucher ist es sogar mehr als ein Musikkonzert. Manch ein Investor geht sogar noch weiter und betrachtet dieses Ereignis als das Haupttreffen einer Value-Investing-Religion, bei der Warren Buffet der Papst ist, Charlie Munger der Senior-Kardinal und das Buch «Der intelligente Investor» (Benjamin Graham) die Bibel. Die Anhänger dieser «Religion» erhoffen sich mehr Klarheit und mehr Wissen über das Thema Value-Investing, wenn sie die Veranstaltung wieder verlassen. Und in der Tat trifft man auf Besucher, die bis zu 20-mal diese Veranstaltung besucht haben und angeben, mehrfache Millionäre mithilfe der Weisheiten der Grossmeister Warren Buffet und Charlie Munger geworden zu sein. Selbst die Non-Investing-Themen hätten dabei geholfen.
Mega-Event im Mittleren Westen
Dass es sich bei diesem Event um eine aussergewöhnliche Veranstaltung handelt, erfährt man bereits im Flugzeug der South West Airlines, die auch zum Portfolio der Berkshire Hathaway gehören. Man hört andere Passagiere über deren Investments, Warren Buffet und seine Lehren philosophieren. Selbst am Flughafen von Omaha findet man Schilder, die die ankommenden Gäste zur Hauptversammlung willkommen heissen. Am Tag vor der eigentlichen Versammlung gab es für alle Shareholder eine Verkaufsveranstaltung für die Besucher und am Tag nach der Hauptversammlung gab es noch einen Fünf-Kilometer-Lauf. Selbst am Abend der Versammlung gab es nur wenige Menschen in der Stadtmitte von Omaha, die ohne ihren umgehängten Badge mit der Aufschrift «Shareholder» unterwegs waren. Omaha verwandelt sich in eine andere Stadt an diesem Wochenende, was von den Einwohnern sehr positiv gesehen wird.
Was passiert dort eigentlich?
Was erwartete nun einen Besucher dieser Veranstaltung? Es gab weder Präsentationen einzelner Geschäftsbereiche bzw. Zahlen des letzten Geschäftsjahres noch wurde die Bilanz des Unternehmens auseinandergenommen. Stattdessen handelt es sich um eine intensive, fünfstündige Q&A-Veranstaltung, bei der Fragen aus dem Publikum als auch online gestellt wurden, die wiederum von Journalisten vorgelesen wurden. Die Fragen waren zu verschiedenen Themen, ob zur aktuellen Situation von Berkshire Hathaway, zur politischen Meinung oder über mögliche zukünftige Akquisitionen.
Es ist eine intensive, fünfstündige Q&A-Veranstaltung mit Warren Buffet in der Hauptrolle.
Bevor man nun Buffet und Munger auf der Bühne zu sehen bekommt, beginnt die Veranstaltung mit einem etwa 30 Minuten langen humorvollen Film, welcher legendär ist und jedes Jahr ausschliesslich für diesen Tag produziert wird. Dieses Jahr konnte man unter anderem Arnold Schwarzenegger sehen, der Buffet auf einen Boxkampf vorbereiten sollte.
Gleich danach nahmen Buffet und Munger Platz auf der Bühne. Buffet eröffnet die Versammlung mit Zahlen des ersten Quartals, die negativ ausgefallen sind (Verlust von USD 1.14 Milliarden) aufgrund von unrealisierten Investment-Verlusten. Neue Buchführungsregeln zwingen Berkshire, ihre unrealisierten Gewinne oder Verluste ihrer Investments in ihren Büchern aufzuführen. Buffet ergänzt, dass hingegen die operativen Quartalsgewinne neue Rekorde erreicht hätten. Die neuen Steuerregulierungen haben die Geschäfte noch zusätzlich angekurbelt.
Unbeirrbar bei Wells Fargo
Eine der zentralen Fragen behandelte den Skandal der US-Bank Wells Fargo, die mit mehr als 9% Anteil (450 Millionen Aktien) zu Berkshire Hathaway gehört. Wells Fargo Bank-Mitarbeiter hätten mehr als zwei Millionen Konten eröffnet, die von ihren Kunden nicht autorisiert wurden. Buffet sagte hierzu, dass Wells bewiesen hat, dass Anreize funktionieren, nur hat Wells Anreize geschaffen, die die Mitarbeiter veranlasst haben, das Falsche zu tun. Ein «Kardinal Fehler», den die Bank begangen habe, war es, diesen nicht sofort einzugestehen und zu korrigieren. Diese Krise sei vorbei und Berkshire bleibt bei diesem Investment, welches eines ihrer besten sei.
Die Liebe zu Burggräben
Wer sich mit Buffets Investment-Philosophie näher befasst hat, weiss, wie wichtig für ihn Moats (Burggraben) eines Unternehmens sind. Diese waren Teil einer weiteren Frage aus dem Publikum, welche Wellen geschlagen hat. Hierbei hatte der Fragesteller Elon Musk zitiert, welcher einige Tage zuvor in einem Earnings Call behaupte, dass Moats lähmend seien, stattdessen aber die Geschwindigkeit von Innovationen wichtiger. Buffet reagierte gelassen, indem er bestätigte, wie wichtig für ihn ein Burggraben eines Unternehmens ist. Dann sagte er, dass Musk einige Dinge auf den Kopf stellt und den Süssigkeitsbereich von Berkshire nicht übernehmen wird. Damit bezog sich Buffet auf Berkshire’s See’s Candies, welcher einen unangreifbaren Burggraben habe. Buffets Antwort löste Gelächter in der CenturyLink-Arena aus. Musk hat sich offensichtlich herausgefordert gefühlt und twitterte später, er plane, ein neues Süssigkeitsunternehmen zu gründen. Dann fügte Musk noch hinzu: «Dann baue ich einen Burggraben und werde diesen mit Süssigkeiten füllen. Warren B. wird nicht fähig sein zu widerstehen zu investieren.» Schliesslich beendet Musk den Schlagabtausch mit dem Tweet: «Zu sagen, du magst ‹Burggräben›, ist nur ein freundlicher Weg, zu sagen, dass du Oligopole magst.»
Berkshire Hathaway sitzt auf einem Berg von Cash von zirka USD 116 Milliarden – und der Druck ist gross für neue Akquisitionen.
BH ohne Buffet und Munger?
Können Anleger sich in Zukunft über eine Dividende freuen? Eine sehr beliebte Frage der Hauptversammlung. Diese Frage ist berechtigt, denn per Ende 2017 sass Berkshire Hathaway auf einem Berg von Cash von zirka USD 116 Milliarden und der Druck ist gross für neue Akquisitionen. Allerdings wird es keine Dividenden geben, stattdessen ist ein Open-End-Rückkaufprogramm geplant. Berkshire möchte Aktien zurückkaufen, sobald der Preis den Benchmark von 120% des Buchwertes bricht. Aktuell liegt dieser bei zirka 170% (A-Aktie als auch B-Aktie).
Eines der am häufigsten diskutierten Themen der Berkshire-Hauptversammlung ist die Zukunft des Unternehmens ohne Warren Buffet und Charlie Munger. Diese Frage interessiert nicht nur Anleger, sondern auch Unternehmen, die von Berkshire Hathaway akquiriert werden wollen. So gab es auch dieses Jahr eine Antwort. Warren Buffet sagte, dass die Reputation von Berkshire Hathaway nun zu Berkshire Hathaway gehört und weiterleben wird ohne Warren Buffet und Charlie Munger. Bis dahin aber bleiben die beiden die ersten Ansprechpartner, ganz egal, wer den Telefonhörer abnimmt.
Must-Attend für Anleger
Die Hauptversammlung der Berkshire Hathaway ist ein erfüllendes Ereignis, bei dem man mehr lernt als die Zahlen und Geschäftstätigkeiten eines Unternehmens. Die Veranstaltung ist bekannt für die unschätzbaren Lehren des Einsteins des Value-Investing Warren Buffet und seines Partners und Freunds Charlie Munger, die die Besucher akribisch aufsaugen und für ihre eigenen Investment-Entscheidungen umsetzen wollen. Als Besucher trifft man Gleichgesinnte und tauscht sich aus. Das Thema Value-Investing ist allgegenwärtig an diesem Tag. Ob bewusst oder unbewusst, aber als Besucher verlässt man dieses Event mit den Worten: «Wenn du lange lebst, musst du dauerhaft lernen. Das, was du mal wusstest, ist nie genug.» (Charlie Munger, 94 Jahre).