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payoff Focus

Extravagante Anlageklasse

05.09.2024 7 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Die Werke von Picasso, Moet, Klimt oder Banksy begeistern nicht nur Museumsgänger. Begehrt sind ihre Gemälde auch bei Investoren. Kunst hat sich in der Vergangenheit stark und relativ unabhängig von anderen Anlageklassen entwickelt. Wir zeigen, was sich auf dem diesem Markt tut und welche Hürden es zu beachten gilt

Banksy ist wieder einmal in aller Munde. München erlebt gerade die erste Pop-up-Ausstellung über den Street-Art-Künstler. Bis Ende Oktober sind 150 Werke des Briten in einem früheren Kaufhaus zu sehen. Derweil konnte sich London im August über neue Werke von Banksy freuen. Innerhalb von neun Tagen tauchten neun Graffitis des anonymen Künstlers in der Metropole auf. Dabei handelt es sich jeweils um Tiermotive. Der erneute Rummel um das Phantom der Street-Art-Szene dürfte den Verantwortlichen bei Sotheby’s gerade recht kommen. Ab dem 19. September versteigert das Londoner Auktionshaus Werke von Banksy. Eine Woche lang kann die zahlungskräftige Kundschaft unter anderem für einen signierten Druck von «Laugh now» bieten. Das 2002 erstmals in London aufgetauchte Motiv zeigt einen unglücklich wirkenden Affen. Sotheby’s taxiert das bekannte Bild auf GBP 50’000 bis 70’000. 

Relativ betrachtet wäre das Werk selbst am oberen Rand mit umgerechnet weniger als CHF 80’000 ein Schnäppchen. Im Oktober 2021 kam bei Sotheby’s «Girl with Balloon» für GBP 16 Millionen unter den Hammer. Und das, obwohl das Bild, welches ein Mädchen mit Herzballon zeigt, gleich nach der ersten Versteigerung drei Jahre zuvor nach unten aus dem Rahmen gerutscht und geschreddert worden war. Banksy übte mit dieser Aktion Kritik am Kunstmarkt. Wie auch immer: Die Sammlerin, welche den ersten Zuschlag erhalten hatte, konnte sich über eine stattliche Rendite freuen – das vom Künstler in «Love in the Bin» umgetaufte Bild übertraf den erwarteten Wert um mehr als das Doppelte.

Auf hohem Niveau

Dieses prominente Beispiel zeigt das grosse Interesse an der Kunst im Allgemeinen und dem Investment in Gemälde oder andere Werke im Speziellen. Hier kommen hochwertige Kulturgüter mit der Finanzwelt zusammen. In Zeiten eines zunehmenden Wohlstands und einer generellen Asset-Inflation entwickelt sich die extravagante Anlageklasse prächtig: 2023 wechselten weltweit mehr als 39 Millionen Kunstwerke den Besitzer. Damit nahm die Zahl der Transaktionen gegenüber dem Vorjahr um 4% zu. Im Jahr 2023 erreichte der Wert der gehandelten Werke in der Summe USD 65 Milliarden, etwas weniger als in der Vorperiode (siehe Grafik 1). «Vor dem Hintergrund hoher Zinssätze, Inflation und politischer Instabilität waren die Verkäufe im Top-Segment geringer», schreibt Clare McAndrew im «Art Market Report 2024». Die Gründerin der Research- und Beratungsfirma Arts Economics gilt als profunde Kennerin der Kunstszene. Seit 2016 veröffentlicht sie ihren viel beachteten Jahresbericht zusammen mit dem Kunstmessespezialisten Art Basel und der UBS.

Hot Spot USA

In der aktuellen Ausgabe verweist McAndrew auf eine unterschiedliche regionale Entwicklung. Obwohl sich die Geschäfte in den USA rückläufig entwickelten, konnten die Staaten ihre Position als weltgrösster Kunstmarkt behaupten. Auf dem zweiten Platz dieses Rankings (siehe Grafik 2) kam es zu einem Wechsel. Die Wiedereröffnung von Galerien und Auktionshäusern nach den strikten Covid-Einschränkungen löste sowohl in Peking als auch Hongkong einen Run auf Kunst aus. «Dieser Anstieg der Verkäufe machte China zu einem der stärksten Märkte», stellt Clare McAndrew fest. Konkret dürften die Umsätze im Reich der Mitte 2023 um 9% auf USD 12.2 Milliarden nach oben gegangen sein. China setzte sich damit vor Grossbritannien. «Neben den weitreichenden Auswirkungen der Pandemie ist der britische Markt in den letzten Jahren aufgrund der Komplexität des Brexits und anderer wirtschaftlicher Faktoren unter Druck geraten», erklärt die Kulturökonomin. Als globale Drehscheibe für den Verkauf der teuersten Exponate sei das Königreich auf den Import von Kunst und Antiquitäten angewiesen. Diese sind 2023 um 16% geschrumpft. 

Anerkannte Benchmark

Während das Handelsvolumen seit längerem auf einem hohen Niveau pendelt, zeigen die Preise nach oben. Abzulesen ist die Wertentwicklung von Kunst an verschiedenen Barometern. Die «Blue Chip»-Künstler mit den stärksten Verkäufen bringt der Artprice100© Index zusammen. Für diese Benchmark zeichnet sich der der Informationsdienstleister Artmarket verantwortlich. Seine Experten stellen ein Portfolio mit fiktiven Beteiligungen zusammen. Die Gewichtung erfolgt anhand der über einen Zeitraum von fünf Jahren im Sekundärmarkt generierten Umsätze. Unter den zehn Top-Positionen sind sowohl bereits verstorbene Meister, allen voran Pablo Picasso, als auch lebende Künstler, beispielsweise der 92-jährige deutsche Ausnahmemaler Gerhard Richter zu finden (siehe Tabelle).

Ihre Erfolge haben dazu beigetragen, dass der Artprice100© Index seit der Jahrtausendwende um rund den Faktor 7 gestiegen ist. Damit liess das Kunstsegment den Aktienmarkt deutlich hinter sich (siehe Grafik 3). Vor allem in schwierigen Zeiten greifen Sammler und Investoren zu. Dieses Muster liess sich während der US-Immobilienkrise 2008, zur Zeit der Euro-Turbulenzen in den 2010er-Jahren und zuletzt während der Pandemie beobachten. Die relative Unabhängigkeit von anderen Anlageklassen zählt zusammen mit der Einzigartigkeit zu den zentralen Argumenten für Kunstinvestments. Es gibt aber auch Schwächen und Risiken. Insbesondere werfen Gemälde und Sammlerstücke keine Zinsen ab. Bezieht man in Grafik 3 die Dividenden des US-Leitindex mit ein, schrumpft der Rückstand des S&P 500 gegenüber dem Artprice100© auf rund 100 Prozentpunkte.

Ein weiteres Problem ist die sichere Verwahrung sowie der Schutz vor Fälschungen respektive Plagiaten. Gerade die Diebstahlsicherung geht mit hohen Kosten einher. Zudem braucht es viel Erfahrung, um die Echtheit eines Werks beurteilen zu können. Und natürlich stehen vor dieser extravaganten Anlageklasse stattliche Eintrittsbarrieren finanzieller Art. Investoren müssen meist viel Geld mitbringen, um den Fuss in den exklusiven Club der Kunstbesitzer zu bekommen.

Anlagelösungen

Es gibt Alternativen. Beispielsweise hat sich Partasio der «Demokratisierung» des Kunstmarktes verschrieben. Die Zuger Investmentfirma greift zum Actively Managed Certificate (AMC). Über diese Struktur bietet sie die Partizipation an einem aktiv verwalteten Portfolio mit ausgewählten Kunstwerken an. Allerdings sind diese Zertifikate weder zum öffentlichen Vertrieb in der Schweiz zugelassen – die Emission erfolgt mittels Privatplatzierung – noch an der Börse kotiert. Wir haben uns mit CEO Pascal Schneidinger über die Strategie und das Angebot von Partasio unterhalten. 

Arttrade bewegt sich ebenfalls im rechtlichen Mantel der Schuldverschreibung. Die Düsseldorfer Gesellschaft bietet auf diese Weise sowohl Investments in einzelne Kunstwerke als auch in ganze Portfolien an. Im vergangenen Jahr wurde das arttrade x Weng Fine Art Editionsportfolio lanciert. Ab einem Betrag von EUR 1’000 können sich Anleger daran beteiligen. Wie der Name sagt, liegen Editionen im Portfolio. Dabei handelt es sich um limitierte Reproduktionen. Beispielsweise hält arrtrade x Wenig Fine den «Wrapped Globe» von Christo und Jeanne-Claude. Das berühmte Künstlerehepaar hat hier die Fotografie eines Globus in Folio gehüllt und auf einem weiblichen Akt platziert. Die auf 250 Stück begrenzte Arbeit ist nummeriert und von Christo unterzeichnet. Arttrade gibt für jede einzelne Schuldverschreibung einen Token heraus. Zwar ist das Produkt damit im deutschen Kryptowährungsregister eingetragen, das Emittentenrisiko bleibt jedoch bestehen.

Kunst trifft Blockchain

Timeless setzt ganz auf die Blockchain. Die hinter diesem Label stehende New Horizon GmbH ist nach eigenen Angaben das erste Unternehmen weltweit, welches mit dieser Technologie ein Investment in Kunst und andere Sammlerstücke wie Fahrzeuge, Wein oder Sneaker ermöglicht. Über die Timeless App können Nutzer Bruchtteile an ausgewählten Werken kaufen. Dabei fällt eine Pauschalgebühr von 2% an. Sollte der Dienstleister in Schieflage geraten, gehen die ausgegebenen Token nicht in die Insolvenzmasse. Generell werden die Stücke nach einer gewissen Haltedauer wieder verkauft und der Erlös anteilig ausbezahlt. 

Über die Tradingfunktion der App können Anleger ihre Positionen aber auch früher zum Verkauf anbieten oder nachkaufen. Über die mehr als 400’000 Nutzer der Applikation kam bis dato ein tokenisiertes Volumen von knapp EUR 29 Millionen zusammen. Natürlich sind hier wie bei allen anderen Formen des Kunstinvestments Verluste möglich. Engagieren sollten sich nur Anleger mit einem gewissen Interesse an Banksy & Co. Für Novizen könnte der Besuch eines Museums, einer Galerie oder einer Ausstellung ein erster Schritt sein.

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