Mit Trump 2.0 in die Vollen
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Steuersenkungen, Deregulierung und neue Zölle – mit diesen Kernthemen elektrisiert Donald Trump die Wall Street. Neben der Rückkehr des Republikaners in das Weisse Haus sprechen die Zinswende sowie der Megatrend KI für die US-Börse. Frei von Risiken ist der Ausblick aber nicht. Aufgrund diverser geo- und geldpolitischer Unwägbarkeiten sowie der hohen Aktien-Bewertung sollten Anleger die «Gold»-Karte spielen.
Der Duden beschreibt das «Gruselkabinett» als Ausstellung von Gegenständen oder Ähnlichem, die ein Schaudern hervorrufen sollen. Seit dem 5. November 2024 hat dieses Nomen in der politischen Berichterstattung Hochkonjunktur. Journalisten bezeichnen die mögliche Regierung des an diesem Tag gewählten US-Präsidenten Donald Trump gerne als «Gruselkabinett». Sie beziehen sich dabei auf die Fülle an Reizpersonen, welche der Republikaner in seiner zweiten Amtszeit mit wichtigen Aufgaben betrauen möchte. Die Liste reicht vom Multimilliardär und Tesla CEO Elon Musk über den Impfgegner und Verschwörungstheoretiker Robert F. Kennedy Jr. bis zum Fracking-Unternehmer und Klimawandel-Skeptiker Chris Wright.
Run auf Bitcoin und US-Aktien
An der Wall Street konnte von einem Gruseln zunächst nicht die Rede sein. Im Gegenteil: Investoren haben das politische Comeback des Jahres gefeiert. Nicht nur, dass US-Aktien ihre Rekordjagd nach dem Wahltag fortsetzten. Einen regelrechten Schub verpasste das Ergebnis den Kryptowährungen. Der wichtigste Vertreter dieser Anlageklasse, Bitcoin, verteuert sich seit dem 5. November 2024 um 43%. Lange Gesichter gab es dagegen in Europa und vor allem Fernost. Während der Euro Stoxx 50 auf der Stelle trat, hat der mit chinesischen Aktien bestückte Hang Seng deutlich nachgegeben (siehe Grafik 1).
Die Performance-Diskrepanz lässt sich auf einen simplen Nenner bringen: «America first!». Wenn Donald Trump am 20. Januar als 47. Präsident vereidigt wird, gilt dieses Motto mehr denn je. Nicht nur, dass der 78-jährige auf seine zweite Amtszeit deutlich besser vorbereit ist, als auf den ersten «Term» ab 2017. Darüber hinaus bescherte ihm der Ausgang der Kongresswahlen eine enorme Machtfülle. Neben dem Repräsentantenhaus konnten sich die Republikaner eine Mehrheit im Senat sichern. Dabei wird es für mindestens zwei Jahre bleiben. Im November 2026 finden die nächsten Zwischenwahlen statt. Bei den «Midterm Elections» stehen das vollständige Repräsentantenhaus sowie jeder Dritte Sitz im Senat zur Abstimmung. Kurzum: Die Welt steht vor zwei Jahren mit 100% Trump.
Handelspolitik: Zölle, Zölle, Zölle
Anfang Dezember hat der künftige Präsident seine Pläne in einem TV-Interview mehr als eine Stunde lang erläutert. «Ich bin ein grosser Befürworter von Zöllen», sagte er über sein wichtigstes handelspolitisches Werkzeug. Den Einwand, dass neue Einfuhr-Abgaben die Inflation in den Staaten anfachen könnten, wischte der «President-elect» zur Seite. «Die Zölle werden unser Land reich machen», behaupte Trump, der auch rasche Steuersenkungen ankündigte. Bei der Verschlankung des Staates setzt er voll auf den reichsten Mann der Welt. Elon Musk wird – zusammen mit dem zwischenzeitlichen Präsidentschaftskandidaten Vivek Ramaswamy – das Department of Government Efficiency (DOGE) leiten. Ziel dieser Einrichtung ist es, die Staatsausgaben von zuletzt USD 6.8 Billionen massiv zu kürzen. Zu diesem Zweck könnte das DOGE im grossen Stil Stellen abbauen und Bundesbehörden schliessen oder zusammenlegen.
Energiepolitik: Drill baby, drill!
Deutlich lockern dürfte die neue Administration die Vorschriften für die US-Ölmultis. Mit dem Slogan «Drill baby, drill» wirbt Donald Trump dafür, soviel fossile Energie wie möglich zu produzieren. Gleichzeitig soll die Förderung regenerativer Energiequellen zurückgedreht werden. Offen ist, ob der Energiesektor dem Weissen Haus einfach folgt. Schliesslich laufen die Drilling-Anlagen schon jetzt auf Hochtouren. Die U.S. Energy Information Administration (eia) geht davon aus, dass in den USA 2024 pro Tag im Schnitt mehr als 13 Millionen Barrel Rohöl produziert wurden. Innerhalb von einer Dekade hätte sich das Fördervolumen damit um rund die Hälfte ausgedehnt (siehe Grafik 2).
Mit dem Fracking-Boom haben die USA dazu beigetragen, dass die Welt ausreichend mit dem wichtigsten Energieträger versorgt ist. Das gilt, obwohl die OPEC+, neben den OPEC-Staaten zählen Russland und andere Förderländer zu dieser Gruppe, die Produktion seit Jahren drosseln. Der Ölpreis schwächelt dennoch. Anfang 2025 kostete ein Fass der US-Gattung WTI rund USD 74. Per Saldo kommt der Future damit seit Jahren nicht mehr vom Fleck. Saudi-Arabien und Russland dürften kaum tatenlos dabei zusehen, wie Trump für eine neue Ölschwemme sorgt und damit die Einnahmen der beiden nach den USA grössten Produzenten gefährdet.
Geopolitik: Grosse Herausforderungen
Das gilt umso mehr, da der 47. US-Präsident auf Russland angewiesen ist, um wichtige geopolitische Ziele zu erreichen. Trump verspricht ein schnelles Ende des Kriegs in der Ukraine. Im Interview mit NBC wollte oder konnte er aber nicht einmal ein Telefonat mit Waldimir Putin bestätigen. Dagegen hat der nächste Präsident mit Chinas Machthaber Xi Jinping gesprochen. «Ich habe ein sehr gutes Verhältnis zu Präsident Xi», erklärte Trump, ohne Inhalte aus der Konversation zu verraten. Nur so viel: Taiwan respektive ein möglicher Angriff Chinas auf die Inselrepublik sei kein Thema gewesen.
Optimistische Szenarien
Trotz der enormen geopolitischen Unwägbarkeiten überwiegt an der Wall Street der Optimismus. Reuters hat Strategen, Analysten, Broker und Portfoliomanager nach ihren Einschätzungen befragt. Beim S&P 500 führten die Antworten zu einem durchschnittlichen 2025er-Kursziel von 6’500 Punkten. Behält der Konsens Recht, würde der US-Leitindex Ende Jahr um gut 9% über dem Niveau von Anfang Januar stehen. Zu den optimistischten Teilnehmern der Umfrage zählte die UBS. Ihre Anlageexperten sehen den US-Leitindex in knapp 12 Monaten bei 6’600 Punkten. Im optimalen Fall könnte der S&P 500 Index nach Einschätzung von UBS CIO GWM sogar die 7’000er-Marke erreichen. Neben einem starken Wachstum der US-Wirtschaft und einem anhalten Boom der Künstlichen Intelligenz (KI) bräuchte es hierfür aber einen «Deal» in der Handelspolitik. Sowohl in diesem, mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% versehenen bullishen Szenario als auch im «Base case» unterstellen die Experten weitere Zinssenkungen.
Geldpolitik: Eine neue Phase
Wie schwer es ist, die Geldpolitik richtig vorherzusagen, hat sich im vergangenen Jahr gezeigt. Vor 12 Monaten galt es als ausgemachte Sache, dass die US-Notenbank im Frühling die Zinswende einläutet. Doch tatsächlich mussten die Märkte bis September warten, ehe die Fed die Zügel lockerte. Eine hartnäckige Inflation liess den Offenmarktausschuss um Notenbankpräsident Jerome Powell zögern. Kurz vor Weihnachten hat das Gremium den dritten Zinsschritt im 2024 beschlossen und die «Target Rate» um 25 Basispunkte auf die aktuelle Spanne von 4.25% bis 4.50% gekappt. Während Donald Trump in der Anfangsphase seiner ersten Amtszeit von Zinserhöhungen begleitet wurde, kehrt er nun während eines Lockerungszyklus in das Weisse Haus zurück (siehe Grafik 3).
Allerdings ist das Rätselraten gross, wie stark die Fed der weltgrössten Volkswirtschaft angesichts des bevorstehenden Machtwechsels unter die Arme greifen wird. Notenbankchef Jerome Powell sieht die Geldpolitik in einer guten Position. «Doch ich denke, dass von hier an eine neue Phase beginnt und wir mit weiteren Kürzungen vorsichtig sein werden», sagte er im Dezember. Geht es nach den Geldmärkten, dann wird die Fed nun zunächst die Füsse stillhalten und den Leitsatz im Januar und März nicht weiter senken. An der Wall Street kamen diese Aussichten nicht gut an – nach der jüngsten Notenbanksitzung gaben die Kurse auf breiter Front nach.
Gewinne: Mit der KI nach oben
Wenn der Offenmarktausschuss am 29. Januar seinen nächsten Entscheid trifft, ist die Berichtssaison bereits in Gange. Die Unternehmensgewinne spielen für die Börsenaussichten – neben Konjunktur und Geldpolitik – eine zentrale Rolle. Auch an dieser Stelle ist die Zuversicht der Wall Street gross. Laut Factset rechnen Analysten damit, dass das Ergebnis je Aktie im S&P 500 im laufenden Jahr um knapp 15% steigt (siehe Grafik 4). Damit würde das Wachstum so stark ausfallen, wie seit 2018 nicht mehr. Neben der Trump-Euphorie ist die KI ein Treiber hinter dieser Erwartungshaltung. In der Tat rüsten sich immer mehr Unternehmen für das Zeitalter der generativen Künstlichen Intelligenz. Laut Berechnungen der UBS haben allein Alphabet, Amazon, Microsoft und Meta 2024 USD 222 Milliarden in diesen Trend investiert. Im kommenden Jahr sollen die Kapitalausgaben der vier «Big Techs» um weitere USD 45 Milliarden nach oben gehen. Die hohen Investitionen lassen die Kasse der Unternehmen klingeln, die entlang der Wertschöpfungskette KI positioniert sind.
Dieser Zusammenhang ändert nichts an der üppigen Bewertung des US-Aktienmarktes. Anfang Januar taxierte Factset das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für den S&P 500 Index auf mehr als 21. Zum Vergleich: In den vergangenen zehn Jahren lag die Kennziffer im Durchschnitt bei 18.1. Das 20-jährige Mittel beträgt rund 16. UBS CIO GWM macht keinen Hehl daraus, dass US-Aktien so teuer sind, wie lange nicht. «Aber wir sind der Ansicht, dass diese Bewertung durch das gesunde wirtschaftliche Umfeld in den USA und das hohe Mass an Exposure zu strukturellem Wachstum gerechtfertigt ist», schreiben die Experten in ihrem Jahresausblick.
Anlagelösungen
Solche Argumente sind schwer von der Hand zu weisen. Insofern macht es Sinn, getreu dem Motto «The trend is your friend» weiter auf die Wall Street zu setzen. Im vergangenen Jahr haben sich viele Investoren den S&P 500 über einen ETF in das Portfolio geholt. Acht der 20 Exchange Traded Funds, die weltweit 2024 die stärksten Mittelzuflüsse verbuchten, folgen dem US-Leitindex. Dazu zählt der iShares Core S&P 500 ETF. Unter dem Ticker CSSPX ist der knapp USD 112 Milliarden schwere Fonds an SIX kotiert.
Vontobel hat vor den Wahlen das Tracker-Zertifikat PRUSEV auf den Republican 2024 US Election Index lanciert. In diesen Basiswert packten die Experten der Privatbank potenzielle Profiteure einer Rückkehr von Donald Trump an die Schalthebel der Macht. Der Elektroautobauer Tesla zählt dazu genauso, wie die Techriesen Amazon und Meta oder der Ölkonzern Exxon. Dazu gesellen sich Finanzunternehmen, allen voran die Grossbanken J.P. Morgan und Bank of America. Bis dato geht das Kalkül dieses strategischen Zertifikats auf. Seit der Emission im vergangenen Juli hat sich der Tracker um mehr als ein Zehntel verteuert und damit relativ zum S&P 500 eine Outperformance von rund 6 Prozentpunkten erzielt.
Die Goldpreisrallye ist im Umfeld der US-Wahlen ins Stocken geraten. Angesichts einer mehr denn je angespannten Geopolitik und tendenziell fallender Zinsen sollte das Edelmetall aber weiterhin einen festen Platz im Portfolio haben. J.P. Morgan nennt als weiteres Argument die Notenbanken. Sie setzen Gold verstärkt zur Diversifizierung ihrer Währungsreserven ein. In den ersten drei Quartalen 2024 wurden zu diesem Zweck knapp 700 Tonnen des gelben Metalls gekauft. J.P. Morgan verweist darauf, dass viele Zentralbanken noch immer relativ kleine Positionen halten. Beispielsweise steuert Gold lediglich 5% zu den Reserven der People’s Bank of China (PBOC) bei. Insofern könnte der «Kaufrausch» in diesem Segment anhalten. Entsprechend optimistisch fällt die Preisprognose der US-Bank aus. J.P. Morgan traut Gold 2025 einen Anstieg bis zur Marke von USD 3’000 je Feinunze zu. Wer auf dieses Szenario setzen möchte, kann sich die Krisenwährung mit dem ZKB ETF ZGLD ins Portfolio holen.