Amazon.com: Ein perfekter Einstand für den neuen CEO
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Wolfgang Hagl
Praktisch zeitgleich mit dem Antritt des neuen Konzernchefs ist die Amazon-Aktie nach oben ausgebrochen. Auch wenn einige Herausforderungen auf Andy Jassy warten: Allein das charttechnische Momentum spricht für einen Long-Trade bei dem Internetgiganten.
Seit dem 5. Juli steht Andy Jassy an der Spitze von Amazon.com. Er löste Unternehmensgründer Jeff Bezos als CEO ab. Nur einen Tag nach dem Stabwechsel erreichte die Aktie des Internetgiganten ein neues Allzeithoch. Gleichzeitig konnte Amazon eine monatelange Seitwärtsbewegung nach oben auflösen. Freundlicher hätte die Begrüssung der Wall Street für den bisherigen Chef der Cloud-Sparte AWS also kaum ausfallen können. Wobei der Amtsantritt von Jassy nur bedingt für den charttechnischen Befreiungsschlag verantwortlich sein dürfte.
Der mehr als USD 1.8 Bio. Börsenkoloss profitierte auch und gerade von einer generell positiven Investorenstimmung. Gleichzeitig spielte dem Konzern eine Meldung aus Washington D.C. in die Hände: Dort annullierte das US-Verteidigungsministerium einen an den Softwareriesen Microsoft vergebenen Cloud-Auftrag. 2019 hatte Amazon bei der USD 10 Mrd. schweren Ausschreibung für die Modernisierung der IT-Infrastruktur den Kürzeren gezogen. Später lieferte sich das Unternehmen einen Rechtsstreit mit dem Pentagon. Nach Ansicht von Amazon.com hat der frühere Präsident Donald Trump die Vergabe beeinflusst.
Eine echte Erfolgsbilanz
Wie auch immer: AWS ist wieder im Rennen und kann auf den Zuschlag hoffen, wenn voraussichtlich im April 2022 eine neue Entscheidung fällt. Schon jetzt wächst das Cloud-Segment kräftig. Im ersten Quartal steigerte AWS den Umsatz um knapp ein Drittel auf USD 13.5 Mrd. Mit USD 4.2 Mrd. übertraf das operative Ergebnis von AWS den Vorjahreswert um 35%. Stolz zählte Jeff Bezos bei der Zahlenvorlage prominente Kunden des Geschäftszweigs wie Airbnb, McDonald’s oder Volkswagen auf. «Wir bieten das mit Abstand breiteste Set an verfügbaren Werkzeugen und Dienstleistungen», schwärmte er für das vor 15 Jahren initiierte Cloud-Geschäft.
Seit zehn Jahren gibt es das Streaming-Angebot von Amazon.com. «Im vergangenen Jahr haben mehr als 175 Millionen Prime Video-Nutzer Serien und Filme aufgerufen», berichtete der scheidende Konzernlenker. Auf Jahressicht habe die Zahl der Streaming-Stunden um drei Viertel zu genommen. Nicht nur hier, insbesondere im Kerngeschäft Onlinehandel profitiert Amazon.com wie kaum ein anderes Unternehmen von der Pandemie. Während viele stationäre Läden noch immer geschlossen waren oder mit Restriktionen zu kämpfen hatten, fuhr der Konzern von Januar bis März 2021 das vierte Rekordquartal nacheinander ein. Der Nettogewinn hat sich Anfang Jahr auf USD 8.1 Mrd. mehr als verdreifacht hat. Gleichzeitig quoll die Kasse schier über: Auf das Jahr hochgerechnet verbuchte Amazon.com einen operativen Cashflow von USD 67.2 Milliarden – 69% mehr als im 12-Monats-Zeitraum per Ende März 2020.
Digitaler Gewinnmotor
Am 28. Juli wird Andy Jassy erstmals als CEO die Zwischenbilanz präsentieren. Die Analysten gehen davon aus, dass sich das Wachstum verlangsamt hat. Laut Refinitiv indiziert der Konsens für das zweite Quartal eine Umsatzsteigerung von 29%. Das wäre die langsamste Gangart seit den ersten drei Monaten 2020. Dem übergeordneten Wachstumstrend dürfte das kaum einen Abbruch tun: Bis 2023 könnte sich das Ergebnis je Aktie (EPS) von Amazon.com der Marke von USD 100 annähernd. Wird die aktuelle durchschnittliche Analystenschätzung von USD 97.40 Realität, würde das Unternehmen den Profit gegenüber dem vergangenen Jahr um den Faktor 2.3 steigern. In den vergangenen Monaten haben die Analysten ihre Erwartungen jedenfalls noch oben geschraubt: Laut Factset erwarten sie für das zweite Quartal bei Amazon.com im Schnitt ein EPS von USD 12.21. Ende März lag der Konsens noch bei USD 10.86.
Anlagekonklusion:
Was die Bewertung anbelangt, gingen die Meinungen zu dem Large Cap schon immer auseinander. Den Skeptikern ist der Branchengigant viel zu teuer. Dagegen räumen die Bullen dem breit aufgestellten und im Internet enorm mächtigen Konzern eine ordentliche Prämie ein. Fest steht, dass sich das auf Basis des erwarteten Profits ermittelte Kurs-Gewinn-Verhältnis laut Refinitiv mit rund 57 momentan unter dem Zwei-Jahres-Durchschnitt von 70 bewegt. Unbestritten ist aber auch, dass gerade die Schattenseiten der Marktmacht den neuen CEO stark beschäftigen dürften. Vor wenigen Tagen hat US-Präsident Joe Biden einen Erlass unterzeichnet, der zu einer stärken Kontrolle der Tech-Giganten führen soll. Die Trader dürften sich darum weniger scheren. Vielmehr lockt sie das Chartbild zum Einstieg. Nach dem Ausbruch nach oben stellt die Marke von USD 4’000 das nächste technische Kursziel dar. Mit dem Knock-out Call OAMBSV können Anleger auf weitere Avancen setzen. Das umsatzstarke Vontobel-Papier zeigt aktuell einen Hebel von 4.3.