Aufgefallen: Nobler Risikoherd
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Martin Raab
In Zeiten von Renditesuche im Tiefzinsumfeld vernachlässigen manche Anleger das Stichwort «Risiko» ganz bewusst. Parallel wird auch in der Produktküche nur das gekocht, was am Ende vom Anleger gegessen wird. So wird seit ein paar Jahren das Gelüst nach Erträgen mit haute cuisine-Angeboten namens Anlageprodukte mit Referenzschuldner gestillt.
Was gibt es Bekömmlicheres für drangsalierte Geniesser im Null-Rendite-Restaurant als köstliche Renditehäppchen? Das Rezept dahinter: Statt trögem Einheitsbrei wird noch ein Kreditrisiko als Würze eingemischt – und fertig ist bespielweise das frische «Unit auf SMI Index». Oder auch beim «Magnet Certificate on Swiss Bluechip Shares with Reference Bond» läuft Couponpickern das Wasser im Mund zusammen. Der übergreifende Menüname für solche Kreationen heisst «Referenzschuldner-Zertifikat mit bedingtem Kapitalschutz». Da wird also neben Couponwürze auch noch etwas Kapitalschutz kredenzt? So ähnlich. In Wirklichkeit wird die vermeintliche Renditeköstlichkeit ungeniessbar, falls ein Credit Event eintritt. Das war bislang nur in der Theorie möglich. Doch Vorsicht, jetzt müssen manche Anleger einen schweren Brocken schlucken: Der erste Credit Event bahnt sich an. Feurig scharf und direkt aus Hong Kong droht der Referenzschuldner Noble Group, ein Rohstoff-Spediteur, im Strudel von Fremdfinanzierung unterzugehen. Noch ist nichts angebrannt, aber es lodert schon. Anleger, die in entsprechende Referenzschuldner-Produkte investiert haben, sitzen schon jetzt auf gewaltigen Kursverlusten. Der vermeintliche Kapitalschutz? Droht zu verfliegen, wie Milchschaum. Die Rezeptur mit der zusätzlichen Würze in Form eines höheren Coupons sorgt für erhebliche Reizungen: Zehn Produkte mit Noble Group als Referenzschuldner sind aktuell am Schweizer Markt platziert. Per Redaktionsschluss gab es noch keine Signale seitens der ISDA, ob nun ein Kreditevent festgestellt wird oder nicht. Doch schon jetzt ist klar: Zu riskante Zutaten verderben den Brei.