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payoff Interviews

Das wird in Zukunft noch häufiger notwendig werden

02.09.2020 6 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Lorenzo Biasio, Healthcare Analyst bei Credit Suisse, zum Megatrend der «Silver Economy», zu den Gewinnern dieses Megatrends und warum sie auch einen Fokus auf Tierfutter setzen.

Herr Biasio auf welcher Untersuchung bzw. Quellen basiert der Mega- trend der «Silver Economy» und was sind die Kernideen?
Den Anfang genommen hat das Thema basierend auf der Beobachtung, dass die Seniorenpopulation weltweit stetig grösser wird. Für unsere Analyse haben wir vor allem Daten der Vereinten Nationen und der Weltbank herangezogen. Gemäss den Prognosen der Vereinten Nationen wird sich die Anzahl der Senioren zwischen heute und 2050 auf mehr als zwei Milliarden Menschen verdoppeln, wobei der überwiegende Teil des Zuwachses in den heutigen Entwicklungsländern passieren soll. Diese Entwicklung wird in unseren Augen unweigerlich Einfluss auf die Nachfrage nach medizinischen Gütern, altersgerechten Wohnformen und Pflegeeinrichtungen, aber auch auf die Konsumgütermärkte haben. Nicht zuletzt besteht auch eine signifikante Herausforderung in Bezug auf die Finanzierung dieser Altersgruppe, da öffentliche Vorsorgeeinrichtungen aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in allen Ländern in der Lage sein werden, in vollem Umfang dafür aufzukommen – hier gehen wir davon aus, dass starke Asset Manager und private Lebens- und Gesundheitsversicherer in Zukunft eine wichtigere Rolle spielen.

«Insgesamt finden wir auch Managed-Care- Organisationen spannend.»

Biopharma-, Medizintechnologie- und Life-Science-Unternehmen, die innovative Produkte für altersbedingte Erkrankungen anbieten, wie z.B. Immuntherapien oder personalisierte Krebsimpfstoffe, sind ein von der Alterung profitierendes Segment. Können Sie den Anlegern spezifische Unternehmen, ETFs nennen, die diesbezüglich auf globaler Ebene führend sind?
Wir präferieren typischerweise Unternehmen mit einer starken Präsenz in ihren jeweiligen Zielmärkten, die genügend in F&E investieren und diesbezüglich auch einen guten Leistungsausweis vorweisen können. Das umfasst Unternehmen wie z.B. Novo Nordisk, Medtronic oder Siemens Healthineers. Da die Gesundheitskosten aber fast überall ansteigen, sowohl absolut als auch relativ, werden unseres Erachtens nach auch Hersteller von kostengünstigen Medikamenten eine wichtige Rolle spielen, so wie z.B. der Generika-Hersteller Mylan (die sich bald mit Pfizer’s Generika-Division zum Unternehmen Viatris zusammenschliesst) oder der Biosimilar-«Pure-Play» Coherus.

Anbieter und Betreiber von Seniorenwohnungen, Dialysekliniken und anderen Pflegeeinrichtungen sowie Managed-Care-Organisationen, die Patienten die effizienteste Gesundheitsversorgung vermitteln, sind der zweite Pfeiler der «Silver Economy». Welche global tätige Unternehmen sind in diesen Segmenten ihr Schwergewicht?
Hier sind für uns Firmen wie z.B. der Dialyse-Spezialist Fresenius Medical Care oder auch der Mutterkonzern Fresenius im Fokus, wobei Letzterer Spitalketten in Deutschland und Spanien betreibt und seine Fühler in weitere Länder ausstreckt. Insgesamt finden wir auch Managed-Care-Organisationen spannend, wozu auch UnitedHealth in den USA gehört, da solche Unternehmen den Patienten holistisch betrachten und deshalb bemüht sind, ihn dem fallspezifisch effizientesten Versorgungssetting zuzuführen.

«Heute wissen wir, dass die Pandemievorsorge global über weite Strecken ungenügend war.»

Kranken- und Lebensversicherer, private Vermögensberater und Vermögensverwalter mit starker Preissetzungsmacht sind der dritte Pfeiler der «Silver Economy». Wer dominiert in diesem Bereich von den börsenkotierten Unternehmen das Geschehen?
Bei den Kranken- und Lebensversicherern sehen wir die Schwergewichte Axa, Allianz und Zurich Insurance vorteilhaft positioniert. Mit Blick auf die asiatischen Märkte, wo die Durchdringung mit Versicherungsprodukten noch vergleichsweise gering ist, denken wir, dass Prudential, AIA und Sun Life gut aufgestellt sind. In China setzen wir auf den lokalen Vorreiter Ping An. In Sachen Vermögensverwaltung bevorzugen wir u. a. den Skalenplayer Blackrock mit seiner dominanten passiven Produktpalette, aber auch die Privatmarktspezialisten wie Blackstone und Partners Group.

Konsumunternehmen, die den Fokus auf die grundlegenden Bedürfnisse sowie die individuelleren Wünsche der älteren Konsumenten legen sind ebenfalls Profiteure des demografischen Trends. Welche Unternehmen setzen ihrer Meinung nach spezifisch auf diesen Teilaspekt des Megatrends?
In einem prä-Corona Umfeld waren für uns Unternehmen im Fokus, die Freizeitdienstleistungen anbieten, also z.B. Reiseveranstalter oder Besitzer von Themenparks. Da Senioren aber mitunter zur durch das Coronavirus verletzlichsten Personengruppe gehören, müssen wir uns von diesem Fokus – mindestens auf kurze Sicht betrachtet – verabschieden. Worauf wir aber momentan sicherlich ein besonderes Augenmerk legen, sind zum Beispiel Hersteller von Premium-Tierfutter, da Senioren dafür bekannt sind, ihre Haustiere zu verwöhnen.

Wie würden Sie die Bedeutung der vier Kernideen aus anlagetechnischer Sicht untereinander gewichten?
Am intuitivsten verständlich ist sicherlich die zunehmende Nachfrage nach medizinischen Gütern und Dienstleistungen, was auch der Grund ist, wieso dieses Subthema den grössten Teil unserer Aktienselektion umfasst. Trotzdem sollen nach unserer Einschätzung die anderen Subthemen nicht vernachlässigt werden, da damit auch andere Sensitivitäten ins Portfolio eingebracht werden: So wissen wir z.B. dass US-Wahljahre chronisch schwierig sind für Investments im Bereich Gesundheitswesen – ohne aber die langfristige fundamentale Attraktivität des Sektors zu beeinträchtigen – wobei andere Portfoliobestandteile die zu erwartende Volatilität abfedern können.

Was erachten Sie als grösste Schwie- rigkeit in der Fassbarkeit bzw. der Umsetzung des Megatrends in anlagespezifische Gefässe?
Die Kernideen, die wir identifiziert haben, spielen sich in Sektoren des Aktienmarkts ab, die teilweise ziemlich weit voneinander entfernt sind und somit typischerweise nicht gemeinsam in Anlageprodukten abgebildet werden. Somit ist hier sicherlich noch Innovation gefragt. Abgesehen davon haben wir einen Anlagehorizont von mehreren Jahren definiert, was in unsicheren Zeiten, wie wir sie jetzt erleben, Sitzleder und starke Überzeugungen erfordert.

Mit welchen drei Anlageinstrumenten besitzen Anleger auf mittlere und längere Sicht die besten Chancen für ein optimales Ausnutzen des Megatrends «Silver Economy»? (Die Frage richtet sich an Stefan Weber, Public Distribution Structured Products bei Credit Suisse)
Für Anleger, die ein Direktinvestment bevorzugen, bietet die Credit Suisse aktiv verwaltete Zertifikate (AMCs) auf einen «Silver Economy Index» an. Die Indexzusammensetzung wird dabei regelmässig an die aktuellen Einschätzungen der Credit-Suisse-Strategen angepasst. Wer einen bedingten Kapitalschutz präferiert, ohne auf das Aufwärtspotenzial verzichten zu müssen, dem bieten sich Bonus-Zertifikate auf ausgewählte Einzelaktien oder Aktien-Baskets an. Bei seitwärts tendierenden Märkten können als drittes Instrument auch klassische Renditeoptimierungsprodukte wie Barrier Reverse Convertibles die richtige Wahl darstellen.

Welches Unternehmen ist ihr persönlicher Favorit?
Heute wissen wir, dass die Pandemievorsorge global über weite Strecken ungenügend war, was sich in simplen Aspekten wie Gesichtsmasken, aber auch in der Knappheit von komplexen Apparaten wie Beatmungsgeräten oder Diagnostika-Lösungen gezeigt hat. Zur Illustration: Das US Department of Defense hat ein Budget, das hundertmal höher liegt als das Budget der Seuchenkontrolle. Da scheint eine Diskussion über Prioritäten unvermeidlich. Wir gehen daher davon aus, dass sich der Investment-Zyklus in den Bereichen Life Sciences und Diagnostika nachhaltig verstärkt und Unternehmen wie Siemens Healthineers, Thermo Fisher Scientific oder auch Roche (über die Diagnostiksparte) – alle Teil unserer Aktienselektion – davon profitieren können.

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