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payoff Interviews

«Der Ansatz der ESG Integration ist stark gewachsen.»

03.10.2019 7 Min.
  • Dieter Haas

Sabine Döbeli, CEO Swiss Sustainable Finance (SSF), über die Vorteile des Einbezugs der Nachhaltigkeit in Anlageentscheidungen, die Entwicklung  verschiedener Ansätze, unterschiedliche Ratings, die optimale Benchmark, ihre persönlichen Nachhaltigkeits-Favoriten auf Titel und ETF-Ebene.

Frau Döbeli, wie können Nachhaltigkeitsaspekte Anlegern helfen, bessere Anlageentscheidungen zu treffen?
Letztlich geht es darum, den Blick zu weiten, und Themen in die Anlageentscheide mit einzubeziehen, die bisher vielleicht nicht beachtet wurden. Der Anleger überlegt dabei, ob ein Unternehmen mit seinen Produkten, seiner Führungskultur und seiner unternehmerischen Praxis wirklich gut für die Zukunft aufgestellt ist. Dafür werden zusätzliche Informationen herangezogen, zum Beispiel Daten zu Klimaemissionen, zu Geschäftskontroversen oder zur Durchmischung der Verwaltungsräte. Studien zeigen, dass eine systematische Berücksichtigung solcher Faktoren in vielen Fällen finanzielle Vorteile bringt, also zum Beispiel ein tieferes Risiko oder höhere Renditen.

 

Wie lässt sich nachhaltiges Investieren definieren?
Als nachhaltiges Investment kann man jede Form von Anlage bezeichnen, die Nachhaltigkeitsaspekte in systematischer Weise in den Investmentprozess einbezieht. Es gibt viele Formen, dies zu tun: man kann besonders nachhaltige Unternehmen auswählen, mit Unternehmen als Aktionär einen aktiven Dialog führen, zukunftsgerichtete Investmenthemen identifizieren oder besonders problematische Tätigkeiten ausschliessen. Die Ansätze haben unterschiedliche Effekte und bedienen folglich verschiedene Ziele.

 

«Als nachhaltiges Investment kann man jede Form von Anlage bezeichnen, die Nachhaltigkeitsaspekte in systematischer Weise in den Investmentprozess einbezieht.»

 

Welche nachhaltigen Investmentansätze weisen in den letzten Jahren die stärksten Volumenzunahmen auf?
Besonders stark gewachsen ist die ESG-Integration, also der systematische Einbezug von Nachhaltigkeitsinformationen in die Finanzanalyse und in den Anlageprozess. Ziel dieses Ansatzes ist es, das Rendite-Risiko-Profil von Anlagen zu verbessern. Ebenfalls stark an Bedeutung gewonnen hat das aktive Aktionärstum, also die Stimmrechtsausübung – oft in Kombination mit einem aktiven Dialog mit Unternehmen zu Nachhaltigkeitsthemen. Dort ist das Ziel, Unternehmen auf einen nachhaltigeren Pfad zu lenken und damit idealerweise ebenfalls Risiken zu senken und die finanzielle Performance zu verbessern.

 

Worauf führen Sie den Siegeszug der ESG-Integration zurück?
Ich sehe zwei Gründe, weshalb dieser Ansatz so stark an Bedeutung gewonnen hat: Nachhaltige Anlagen werden immer mehr zum Normalfall. Für breite Teile der verwalteten Vermögen werden Nachhaltigkeitskriterien als eine wichtige Informationsquelle beigezogen. ESG-Integration berücksichtigt solche Informationen vor allem dann, wenn sie finanziell relevant sind. Der Ansatz wirkt also nicht einschränkend. Er hat sich aber auch nur deshalb durchgesetzt, weil es offenbar auch finanziell sinnvoll ist. Immer mehr Asset Manager legen Studien vor, die zeigen, dass sich die Integration solcher Informationen in einem verbesserten Rendite-Risiko-Profil niederschlägt.

 

ESG-Ratings der verschiedenen Anbieter kommen teilweise zu völlig unterschiedlichen Einstufungen. Woran liegt das?
Die verschiedenen Ratings messen nicht alle das Gleiche, weil sie mit unterschiedlichen Zielen etabliert wurden. Gewisse Ratings haben ihre Wurzeln eher im ethischen Investieren: Dort war es das ursprüngliche Ziel, besonders verantwortungsvolle Unternehmen zu identifizieren. Andere hatten von Anfang an einen starken finanziellen Fokus. Sie beziehen sich deshalb vor allem auf finanziell relevante Nachhaltigkeitskriterien. Es ist daher wichtig, einen Rating-Anbieter auszuwählen, dessen Ansatz zu den eigenen Zielen passt. Eine verstärkte Konvergenz halte ich aber ebenfalls für wichtig.

 

Welches Rating erachten Sie aus Ihrer Sicht als das derzeit umfassendste und fairste?
Diese Frage lässt sich so nicht beantworten, weil die verschiedenen Ratings, wie gesagt, unterschiedliche Charakteristika haben, die zu verschiedenen Zielen passen. Inrate ist sehr stark darin, die Nachhaltigkeit von Produkten über den gesamten Lebenszyklus abzubilden. MSCI ESG, unterdessen wohl der grösste Anbieter, fokussiert stark auf Aspekte, die für die jeweiligen Branchen finanziell relevant sind. RepRisk stellt die Analysen nicht in erster Linie auf Unternehmensinformation ab, sondern auf Drittquellen und kann mit Hilfe von «Artificial Intelligence» sehr grosse Mengen von Informationen verarbeiten.

 

In jüngster Zeit werden laufend neue Nachhaltigkeitsindizes kreiert. Welche Benchmark gefällt Ihnen an besten?
Mir persönlich gefallen Indizes gut, die mittels Nachhaltigkeitsinformationen eine klare Auswahl treffen und höchstens die beste Hälfte des Anlageuniversums beinhalten. Spannend finde ich auch jüngere Indizes, die mit quantitativen Methoden die Nachhaltigkeitsinformation so gewichten, dass daraus ein finanzieller Vorteil entsteht – also Smart-Beta-Lösungen. Ob sie sich auf lange Frist bewähren, müssen sie allerdings noch beweisen.

 

Welche Megatrends besitzen aus Ihrer Sicht einen besonders hohen Bezug zur Nachhaltigkeit?
Der Begriff Nachhaltigkeit bezieht sich ja auf viele Aspekte unseres Lebens. Insofern gibt es auch viele Themen, die einen Nachhaltigkeitsbezug haben. Am direktesten ist der Bezug sicher bei Umweltthemen wie Klimawandel oder Wasserknappheit. Investitionen in Unternehmen, die klimaeffiziente Energietechnik herstellen, sind nach wie vor sehr beliebt. Auch Produkte, die in nachhaltigere Landwirtschaft – dabei auch in effiziente Bewässerungstechnik – investieren, haben einen starken Bezug zu Nachhaltigkeit. Aus meiner Sicht ist auch die Ausbildung und Förderung von Frauen ein wichtiges Thema, wenn wir die globalen Nachhaltigkeitsziele erreichen wollen. Gerade in Entwicklungsländern senkt das erwiesenermassen die Geburtenrate und fördert den Wohlstand.

 

Welcher an SIX Swiss Exchange kotierte ETF gefällt Ihnen hinsichtlich seines Nachhaltigkeitskonzepts am besten?
Es gibt ja noch nicht sehr viele nachhaltige ETFs. Der UBS MSCI World Socially Responsible ETF überzeugt mich aus zwei Gründen: Er investiert global und erlaubt damit ein gut diversifiziertes Investment. Die MSCI Socially Responsible Produktlinie kombiniert Ausschlüsse von problematischen Branchen mit einem Best-in-Class-Ansatz, was ein gutes Nachhaltigkeitsniveau garantiert. MSCI ESG ist wohl das grösste Nachhaltigkeits-Research-Team weltweit. Dies ist noch nicht per se ein Garant für ein qualitativ hochstehendes Research. MSCI ESG hat aber in den vergangenen Jahren schrittweise spezialisierte Teams hinzugekauft, jüngst grad Carbon Delta, ein Schweizer Pionier im Klimarisiko-Research, und verfügt damit über sehr viel spezialisiertes Wissen.

 

Welche drei börsenkotierten Unternehmen sind Ihre drei persönlichen Nachhaltigkeits-Favoriten?
Da könnte man viele nennen: Swiss Re hat sich schon sehr früh mit Klima- und anderen Nachhaltigkeitsrisiken auseinandergesetzt und auch innovative Produkte entwickelt, die verschiedene Sektoren und Länder bei der Verminderung von und im Umgang mit solchen Risiken unterstützen. Geberit ist seit vielen Jahren der Nachhaltigkeit verpflichtet und überzeugt durch eine Kombination von Produkten, die Wasser einsparen und einer umfassenden Nachhaltigkeitsstrategie. Und schliesslich Sonova, eine Firma, die mit ihren Hörgeräten den Kunden einen grossen sozialen Nutzen verschafft und dabei auch als Firma auf Nachhaltigkeitsaspekte achtet.

 

Was würden Sie als Ihre grösste Nachhaltigkeitssünde im täglichen Leben einstufen?
Da gibt es viele. Ich lebe schliesslich in der reichen Schweiz, wo wir Ressourcen im Umfang von ca. 3-4 Planeten verbrauchen. Am meisten ins Gewicht fällt bei mir sicher, dass ich – auch wenn ich oft in der Schweiz bleibe – immer mal wieder irgendwohin in die Ferien fliege.

 

VITA

Sabine Döbeli ist Geschäftsleiterin von Swiss Sustainable Finance, dem Verband zur Förderung nachhaltiger Finanzen in der Schweiz. Zuvor war sie bei Vontobel als Leiterin Nachhaltigkeit tätig und koordinierte das gruppenweite Nachhaltigkeitsmanagement sowie die Bereitstellung nachhaltiger Anlagen. Bei der Zürcher Kantonalbank baute sie ein internes Nachhaltigkeits-Research-Team auf und wirkte bei der Lancierung verschiedener nachhaltiger Anlageprodukte mit. Sabine Döbeli hat einen Master in Umweltnaturwissenschaften der ETH Zürich und ein Nachdiplomstudium in Marketing und Betriebswirtschaft der Uni Basel.

 

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