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Der Einfluss der Sorgen eines Handelskrieges

12.07.2018 5 Min.
  • Stuart Canning, Anlageexperte

Die USA verhängten Zölle von 34 Milliarden US-Dollar auf Importgüter aus China. Für einige markiert dies den offiziellen Start des Handelskriegs von Donald Trump. Was das bedeutet.

Im Laufe des zweiten Quartals dominierte der drohende Handelskrieg die Marktnachrichten, was die Aufmerksamkeit von jenen Themen ablenkte, die noch zu Beginn des Berichtszeitraums die Schlagzeilen dominierten. Interessanterweise haben die Themen, die in der letzten Zeit in den Fokus rückten, mehr gemeinsam als es erst einmal scheint. Bei der Politik in Italien, den Sorgen mit Blick auf die Schwellenmärkte und bei den Handelskriegen handelt es sich insgesamt um Situationen, die sich tatsächlich relativ harmlos entwickeln, bei denen die Marktbewertung jedoch die Angst reflektiert, dass die bisherigen Ereignisse lediglich eine Vorstufe von möglicherweise sehr düsteren Szenarien sind.

Modelle der quantitativen Pseudowissenschaft
Der derzeitige Fokus auf Handelskriege ist womöglich das deutlichste Beispiel dieser Dynamik. Die aktuelle Sichtweise im Allgemeinen ist, dass Handelsmassnahmen aus den USA, China und sonstigen Ländern mit Blick auf den Welthandel – und auch für den Handel der USA und China selbst – grösstenteils vernachlässigbar sind. Erwartungsgemäss ist es sehr schwierig, die wahren Auswirkungen von Zöllen vorherzusagen, insbesondere in einer Welt mit zunehmenden globalen Lieferketten. Diejenigen, die es trotzdem versucht haben, kamen tendenziell auf einen Einfluss auf das BIP der USA von weniger als 0,5% – häufig sogar noch wesentlich weniger.

In jedem Fall gehören diese Modelle in die Kategorie der quantitativen Pseudowissenschaft: Man beachte die falsche Präzision bei dem Versuch, die Auswirkungen von Zöllen auf zwei Nachkommastellen anzugeben! Aus diesem Grund sollten wir mit Blick auf ihren Wert skeptisch sein, sie zeigen jedoch, dass es sich bei der Angst der Anleger um eine Angst vor der Eskalation aufgrund von Gegenmassnahmen handelt und nicht nur um die bisherigen Ankündigungen.

In den letzten drei Monaten konnte man durchaus ein Muster aus Massnahmen und Gegenmassnahmen beobachten, und China kündigte bereits an, dass die Vergeltungszölle des Landes in Kraft treten werden. Bis jetzt fielen die Marktreaktionen auf solche Nachrichten relativ selektiv aus. China und die verbundenen Märkte stellten sich in dieser Situation als die schwächsten Parteien heraus.

Im Gegensatz dazu zeigten sich der US-Aktienmarkt – unterstützt in nicht unwesentlichem Masse von der kräftigen Wertentwicklung der grossen Technologietitel – und sogar Australien widerstandsfähig. Dem Land wird zwar häufig eine enge Verbindung zum chinesischen Wachstum nachgesagt, allerdings konnte es bisher US-Zölle auf Stahl vermeiden.

Dennoch könnte es Anzeichen für weiter reichende Bedenken geben. In Verbindung mit den globalen gesamtwirtschaftlichen Daten, die nach wie vor etwas schwächer als erwartet ausfallen, scheinen die Sorgen über einen Handelskrieg Auswirkungen auf die Vorstellungen für die globalen Wachstumsaussichten gehabt zu haben. Die Abflachung der US-Renditekurve zog erneut die Aufmerksamkeit auf sich, diesmal war es jedoch anders.

Im Gegensatz zum allgemein vorherrschenden Umfeld der letzten zwölf Monate – in dem die Kurve aufgrund von steigenden kurzfristigen Zinsen, aber stabilen Renditen am langen Ende („Bear Flattener“) abflachte – wurden die Bewegungen im Juni durch kräftige Renditerückgänge bei Anleihen mit längerer Laufzeit („Bull Flattener“) verursacht.

Man sollte aufpassen, dass man nicht zu viel in diese Tatsache hineininterpretiert. Aber vielleicht spiegelt dies den absoluten Pessimismus mit Blick auf den Ausblick für das globale Wachstum wider. Daten werden eine zentrale Rolle spielen, aber der Zeitpunkt des Bear Flatteners verleiht dem Argument Glaubwürdigkeit, dass Sorgen über einen Handelskrieg tatsächlich einen Einfluss haben.

Verkaufsdisziplin und Value Investing
Diese Art Umfeld, in dem scheinbar weniger bedeutende Entwicklungen eine Vorstufe zu etwas Signifikanterem reflektieren könnten, macht noch einmal deutlich, weshalb es falsch ist, das Risiko ausschliesslich in Form von Volatilität zu betrachten. Auch für die menschliche Psychologie ist dies eine Herausforderung. Viele Anleger behaupten, dass sie Voraussagen vermeiden und sich ausschliesslich auf die „Fakten“ fokussieren. Dennoch ist es verleitend zu glauben, dass die Fakten von heute eine unabänderbare Folge von Ereignissen in Gang setzen. Als Menschen haben wir darüber hinaus Angst davor, töricht und naiv zu erscheinen. Niemand möchte blossgestellt werden, wenn das Schlimmste passiert, nachdem „alle Zeichen darauf hindeuteten“, dass es passieren könnte.

An dieser Stelle ist die „Verkaufsdisziplin“ überaus wichtig. Bei der Verkaufsdisziplin geht es nicht um Kursziele oder Stop-Loss, sondern um die Flexibilität, zu erkennen, wenn sie die Fakten geändert haben und zu vermeiden, dass man an Anlagepositionen gebunden ist, die man gehalten hat, als die Investitionslandschaft noch eine andere war.

Marktreaktion als Chance?
Heute können wir erkennen, aus welchem Grund Anleger besorgt sind: Ein einziges Thema beherrscht die Nachrichten, man kann sich sehr leicht negative Szenarien vorstellen, und eine Intensivierung scheint unvermeidbar. Sollte es nicht zu einer Intensivierung kommen oder, noch entscheidender, sollten andere positive Entwicklungen auftreten, an die wir derzeit noch nicht einmal denken, dann ist die gegenwärtige Marktreaktion wahrscheinlich übertrieben und repräsentiert eine Chance. Andererseits, insofern sich die fundamentale Lage tatsächlich verschlechtert, dürfen unsere Ansichten nicht dogmatisch sein.

Rückschaufehler verleiten uns Menschen dazu, zu glauben, dass, sobald sich etwas ereignet hat, es deshalb passiert ist, weil es so kommen musste. Und dass wir dazu in der Lage hätten sein müssen, es rechtzeitig vorauszusagen. Aber wir müssen unseren Frieden mit der Realität machen, dass wir den einen Weg, den die Zukunft nehmen wird, nicht kennen können. Erfolgreiches Investieren beruht häufig genau auf dieser Demut.

 

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