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payoff Interviews

«Der Privatkonsum dürfte sich weiter als Wachstumsstütze erweisen.»

28.10.2015 6 Min.
  • Dieter Haas

Daniel Kalt, Chefökonom und Regional CIO Schweiz, UBS Switzerland AG, über die Perspektiven für 2016 für die Weltwirtschaft und die Schweiz, Wechselkursrisiken, die Idee eines Schweizer Staatsfonds, die aktuelle strategische und taktische Vermögensallokation der UBS sowie persönliche Anlageerfahrungen.

 

Herr Kalt, mitten im Spätsommer kühlten sich plötzlich die Wirtschaftsdaten in Fernost ab – samt Kursrutsch an den Börsen. Was erwarten Sie für die Weltwirtschaft in 2016?

Wir glauben nicht, dass die jüngst teils enttäuschenden Wirtschaftsdaten eine neue globale Rezession eingeläutet hat. Vielmehr dürfte es sich um einen leichten Abschwung in der Mitte des globalen Konjunkturzyklus handeln. Eine Kombination aus besseren US-Daten und einer allmählichen Erholung Chinas sollte das Vertrauen in das globale Wachstum wiederherstellen. Wir gehen für 2016 von einer deutlichen Beschleunigung des Weltwirtschaftswachstums auf 3,6% aus. 

Wird der Weltwirtschaft ein Ausbruch aus dem disinflationären/deflatorischen Umfeld gelingen?

Man darf die Macht der Zentralbanken nicht unterschätzen. Sie verfügen weiterhin über Mittel und Möglichkeiten, einer zu niedrigen Inflation zu begegnen. In China erwarten wir weitere Leitzinssenkungen und ein Herabsetzen des Mindestreservesatzes. In der Eurozone hat EZB-Präsident Mario Draghi ausdrücklich seine Entschlossenheit bekundet, gegebenenfalls das Anleihenkaufprogramm aufzustocken oder zu verlängern. In Japan scheint eine Vergrösserung des bestehenden Wertpapierkaufprogrammes durch die Zentralbank ebenfalls möglich. Letztlich hat die amerikanische Notenbank kürzlich Flexibilität bewiesen, indem sie an der Nullzinsgeldpolitik festhielt. 

In der Schweiz ist das BIP in den ersten zwei Quartalen 2015 geschrumpft. Was erwartet uns für das Restjahr — und gibt es Hoffnung für eine Wachstumsbeschleunigung im 2016?

Aufgrund der besser als erwarteten Entwicklung des BIP im 2. Quartal und eines schwächeren Frankens haben wir unsere Wachstumsprognose für 2015 von +0,5 Prozent auf +1,0 Prozent und für 2016 von +1,1 Prozent auf +1,4 Prozent angehoben. Während die Schweiz dieses Jahr infolge der starken Frankenaufwertung ein vergleichsweise schwaches Wachstum verzeichnen dürfte, rechnen wir für das kommende Jahr mit einer leichten Beschleunigung. Der Privatkonsum dürfte sich weiter als Wachstumsstütze erweisen, unterstützt durch fallende Konsumentenpreise infolge des Ölpreisrückgangs und der Frankenaufwertung.  

Sie nannten Wechselkurseffekte. Was dürfen wir von der SNB in nächster Zeit erwarten?

Wir erwarten, dass der erste Schritt Richtung Normalisierung klein sein wird. Angesichts des unsicheren internationalen Umfelds ist weiterhin eine substanzielle Zinsdifferenz nötig, um die erwünschte Abschwächung des Frankens zu unterstützen. Die SNB hat mehrfach betont, dass sie im Falle einer erneuten Aufwertung bereit ist, am Devisenmarkt aktiv zu werden. Wenn die EZB ihr Anleihekaufprogramm beendet und sich der Druck auf den Franken deutlich reduziert, dürfte die SNB die Gelegenheit nutzen, die Negativzins-Massnahme abzuschwächen. Wir erwarten, dass die SNB einen «Sicherheitsabstand» zur EZB einhält und erst 2017 in einem ersten Schritt den Negativzins auf -0,50 Prozent anhebt. 

Sind starke Währungen heutzutage eher ein Fluch oder ein Segen?

Eine starke und abrupte Aufwertung gefährdet zwar in der kurzen Frist die Wettbewerbsfähigkeit der Exportindustrie sowie der mit Importen konkurrierenden Branchen. Aus einer längerfristigen Perspektive bringt eine starke Währung jedoch auch klare Vorteile mit sich. So geht eine reale Aufwertung üblicherweise mit einer Verbesserung des internationalen Tauschverhältnisses (Terms-of-Trade) und positiven Effekten auf den Wohlstand einher, da die Konsumenten von einer höheren Kaufkraft profitieren.  

Was halten Sie von der Idee einen Schweizer Staatsfonds ähnlich den Vehikeln aus den Golfstaaten zu lancieren?

Ein Staatsfonds scheint nur eine praktikable Idee, wenn der Nationalbank genügend Flexibilität bliebe, um bei aufkommender Inflation die Geldmenge zu reduzieren. Des Weiteren ist die Definition strikter Anlagerichtlinien nötig, um Interessenskonflikte zu vermeiden. Der Teufel liegt bei der Ausgestaltung eines Staatsfonds also im Detail, was diesen komplexer machen könnte als es scheint. 

Die UBS setzt auf einen breit über alle Anlageklassen und Märkte diversifizierten Ansatz. Was sind die gegenwärtigen Eckpunkte der strategischen Anlagestrategie (Anlagehorizont fünf bis sieben Jahre)?

Wir bieten sechs verschiedene Risikoprofile an, die ja nach Renditeerwartung respektive Risikofähigkeit des Investors unterschiedliche Anteile risikobehafteter Anlagen wie Aktien aufweisen. Bei den Anleihen haben wir vermehrt in renditeträchtige Unternehmensobligationen investiert. Im derzeitigen Tiefzinsumfeld  gewinnen auch alternative Anlagen wie Hedge Funds an Bedeutung. Diese Anlagevehikel weisen oft ähnliche Risikoeigenschaften wie Obligationen aus, haben aufgrund des niedrigen Zinsumfeldes jedoch deutlich attraktivere Renditeaussichten. Wir halten eine Allokation von 14 bis 18 % in Hedge Funds in einem Portfolio für sinnvoll. Rohstoffe hingegen haben wir anfangs 2014 vollständig aus der strategischen Allokation herausgenommen, was sich seither bewährt hat. 

Wie sieht die taktische Vermögensallokation (Anlagehorizont: sechs Monate) der UBS aus?

Unsere taktischen Präferenzen widerspiegeln unseren Ausblick für die Politik der Zentralbanken. Wir haben ein Übergewicht in Aktien der Eurozone und Japan, da die Zentralbanken in beiden Regionen, wenn notwendig, zusätzliche Stimulierungsmassnahmen beschliessen dürften. Hochzinsanleihen aus der Eurozone dürften vom Anleihenkaufprogramm der EZB und der fehlenden Exponierung gegenüber den tiefen Energiepreisen profitieren. Angesichts der turbulenten Entwicklung an den Rohstoffmärkten dürfte sich die untergewichtete Position in Schwellenländeraktien weiterhin auszahlen. Unsere bedeutendste taktische Untergewichtung halten wir weiterhin in erstklassigen Anleihen, deren niedrige Renditen bei einem Anstieg der amerikanischen Leitzinsen wenig Schutz gegen Kapitalverluste bieten. 

Welche Risiken könnten die strategischen und taktischen Szenarios über den Haufen werfen?

Bei einer harten Landung der chinesischen Wirtschaft und einer globalen Rezession würde es weltweit zu einem Aktienkursrückgang kommen, vor welchem auch unsere Anlagestrategie nicht vollends gefeit wäre. 

Gibt es Alternativen für Anleger, die sich nicht an den Aktienmärkten engagieren möchten, ihr Vermögen zumindest real zu erhalten?

Wir raten auch konservativen Anlegern in der derzeitigen Tiefzinsphase, zumindest einen Teil ihres Vermögens in Aktien zu investieren. Wer partout nicht in Aktien investieren will, der sollte sich umso mehr eine Beimischung von alternativen Anlagen wie Hedge Funds ins Portfolio überlegen. 

 

VITA

Daniel Kalt begann seine berufliche Laufbahn 1997 bei UBS als Ökonom für die Schweizer Wirtschaft. Nach einem Volkswirtschaftsstudium an der Uni Zürich hat er 2000 sein Doktorat an der Universität Bern abgeschlossen. Nach verschiedenen leitenden Positionen im Kreditgeschäft und später im Wealth Management Research wurde Daniel Kalt 2010 zum Chefökonom UBS Schweiz und 2012 zum regionalen Chief Investment Officer Schweiz ernannt. In dieser Funktion referiert er regelmässig an Kundenanlässen und Seminaren, ist verantwortlich für Prognosen und Anlageempfehlungen zur Schweiz und berät das Management in wirtschaftlichen und politischen Fragestellungen.

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