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payoff Interviews

«Eurex zählt seit ihrer Gründung zu den drei grossen Terminmärkten der Welt.»

05.10.2015 8 Min.
  • Martin Raab

Markus-Alexander Flesch, Executive Director der Eurex Zurich AG, über die Umsatzentwicklung an den Terminbörsen, Volatilitäts-Indizes, Variance-Futures und das Besondere an der Eurex.

Herr Flesch, die Umsätze an den Terminbörsen sind im Zuge der Marktturbulenzen rasant angestiegen. Wo waren die stärksten Umsatzzuwächse?

Das Segment Aktien-/Indexderivate war 2014 das umsatzstärkste Segment der Eurex Exchange – und ist auch 2015 das Segment mit den höchsten Volumenzuwächsen. Bis Ende August wurden in diesen Produkten etwa 550 Mio. Kontrakte gehandelt, ein Umsatzwachstum von knapp 30% gegenüber 2014. Noch stärker konnten unsere Volatilitätsprodukte – die Futures und Optionen auf den VSTOXX – zulegen. Hier lag der Anstieg bei über 50% auf insgesamt rund 8.5 Mio. Kontrakte per Ende August.

Haben alle globalen Terminbörsen in etwa gleich starke Umsatzzuwächse verzeichnet?

Auch wenn ich nicht stellvertretend für andere Börsenplätze sprechen kann, werden sie je nach Angebot der verschiedenen Terminbörsen ähnliche Tendenzen in Europa und den USA beobachten. Die Auslöser der Zuwächse waren jedoch nicht überall dieselben: Die europäischen Derivatebörsen profitierten in den letzten beiden Jahren weniger von geopolitischen Ereignissen, sondern primär von europäischen Entwicklungen, Stichwort Euro oder auch Griechenland. Global im Fokus standen unter anderem Energiederivate, vor allem öl-basierte Produkte, aber auch reine Energiederivate wie Strom.

Offenkundiges Risiko-Barometer sind Volatilitäts-Indizes. Wie stark werden derzeit derivative Produkte auf VSTOXX an der Eurex nachgefragt?

Wir beobachten ein deutlich gestiegenes Interesse und daraus resultierende Handelsaktivität in unseren «VSTOXX»- Produkten, die dem Markt als «Fear-Gauge» dienen. Das höhere tagesdurchschnittlich gehandelte Volumen hat auch zu einem signifikant höheren –verdoppelten – Open Interest geführt, also in Positionen, die von Teilnehmern noch nicht geschlossen wurden. Vor allem der jüngste Anstieg der gemessenen implizierten 30-Tagesvolatilität von unter 20% auf über 40% führte zu einem spürbaren Volumenanstieg in den Optionen. Dies ist eine verlässliche Indikation, dass vor allem institutionelle Investoren ihre Absicherung über VSTOXX Optionen umsetzen.

Sie offerieren auch seit ein paar Monaten Variance-Futures an der Eurex. Was muss man sich konkret hierunter vorstellen?

Mit der Lancierung unseres Variance-Futures im September 2014 haben wir das Portfolio an Produkten komplettiert, durch das Investoren Handelsstrategien im Volatilitätsbereich erfolgreich und sinnvoll umsetzen können. Unsere «Eurex Volatility Suite» beinhaltet drei Produktkategorien, die sich einerseits bedingen und andererseits miteinander sinnvoll kombinieren lassen: die Euro STOXX 50 Index Optionen, den VSTOXX und unsere neuen Variance-Futures. Durch alle drei Produkte kann der institutionelle Portfolio- oder Asset-Manager verschiedene Ausprägungen von Volatilität, sei es «implied forward» durch die Euro STOXX 50 Optionen und den VSTOXX, oder auch «realised» (über den Variance-Futures-Kontrakt), so miteinander verknüpfen wie es für ihn umsetzbar ist oder sinnvoll erscheint. Durch eine professionelle Kombination der drei Produkte erreichen unsere Kunden eine signifikante Erweiterung der Handels- und Einsatzmöglichkeiten, einerseits im Absicherungsbereich, aber auch bei der Generierung von Zusatzerträgen.

Es sollte zudem erwähnt werden, dass wir durch den Launch des Variance Future auch zur «Futurisation» beitragen, ein regulatorisch gewünschter Prozess, der das Ziel verfolgt, sukzessive OTC-Produkte durch gelistete Derivate abzulösen.

Die Finanzmärkte werden immer internationaler, Terminbörsen stehen mehr denn je in globalem Wettbewerb. Welche speziellen Derivateangebote kann in diesem Kontext die Eurex einzigartig oder besonders anbieten?

Eurex zählt seit ihrer Gründung zu den drei grossen Terminmärkten der Welt und steht daher im globalen Wettbewerb mit anderen Börsen. Insofern mussten wir schon immer unser Offering, d.h. das Service- und Produktportfolio, an den Erfordernissen unserer Kunden ausrichten. Durch unsere Zugehörigkeit zur Gruppe Deutsche Börse profitieren wir zudem von der vollständigen Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette im Konzern. Die Verknüpfung von Handel, Clearing, Post-Trading, Settlement und Custody, ergänzt um Index- und Marktdatenangebote sowie eine leistungsfähige Inhouse-IT tragen zu unserer Position bei. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch unsere verschiedenen Kooperationen in Asien, durch die wir beispielsweise die KOSPI Option oder auch TAIEX-Indexderivate ausserhalb der asiatischen Handelszeiten anbieten können.

Sie beabsichtigen, mit Wirkung zum 5.Oktober 2015 Aktienoptionen mit wöchentlichem Verfall auf 43 Basiswerte, die Indexkomponenten des EURO STOXX 50 sind, zu lancieren. Welche Überlegungen standen hinter diesem Entscheid?

Als globale Terminbörse sind wir im Wettbewerb und wissen, dass Innovationen ein wichtiger Treiber für weiteres Wachstum sind. Die 43 geplanten Weekly Single Stock Options gehören hierzu, denn einerseits sind diese Instrumente eine Vervollständigung unseres Single Stock Options Portfolios, andererseits ergänzen sie in einer hervorragenden Weise unsere Palette der «Index-Weeklies», die bereits seit einiger Zeit etabliert sind und sich bei vielen Investoren steigender Beliebtheit erfreuen. Kunden können beispielsweise mit den neuen Single-Stock-Weeklies ganz bewusst die sogenannten «Greeks» spielen, sei es Gamma, Vega oder auch Theta und hierdurch Zusatzrendite erwirtschaften oder eine bessere Portfoliosteuerung erreichen.

Der Hochfrequenzhandel gewinnt stetig an Bedeutung. Welche Rolle spielt er bei der Eurex Exchange (Anteile am Gesamtvolumen) und was sind Ihrer Ansicht nach seine Vor- und Nachteile?

Vor- und Nachteile des Hochfrequenzhandels (HFH) werden in der Industrie seit geraumer Zeit kontrovers diskutiert. Oft wird dabei leider der algorithmische Handel darunter subsumiert. Fakt ist, dass heutzutage ohne algorithmischen Handel keine elektronische Börse vorstellbar ist. Alle Beteiligten greifen bei ihren Aktivitäten darauf zurück; Market Maker nutzen Algorithmen z. B. für ihre Rolle als Liquiditätsprovider. Darüber hinaus haben unsere Analysen ergeben, dass – entgegen der landläufigen Meinung – HFH auch und gerade in sehr volatilen Phasen zur Liquidität im Orderbuch beiträgt. Bezüglich der Bedeutung und des Marktanteils wäre zu sagen, dass eine genaue Angabe, wie hoch der Anteil des HFH ist, nicht zu treffen ist. Der Anteil ist bei den sehr liquiden Benchmark-Futures deutlich höher als bei Optionen. Ferner ist er der Anteil des HFH eher stabil und liegt deutlich unter dem der jeweiligen Kassamärkte.

Sehen Sie den Vormarsch von Blockchain (Transaktionen auf rein digitaler Basis) für die Eurex als Gefahr oder bietet die neue Technologie für Sie auch Chancen?

Die Gruppe Deutsche Börse und Eurex waren und sind ein von Technologie geprägtes Unternehmen. Daher beobachten und analysieren wir neue Trends und Entwicklungen sehr genau, darunter auch die Blockchain-Technologie. Es ist derzeit noch zu früh, unsere Überlegungen der Öffentlichkeit zu präsentieren, aber unser internes Team hat bereits einige potenzielle Einsatzbereiche genauer angeschaut. Ob es sich bei Blockchain um eine «disruptive technology» wie von einigen behauptet handelt, wage ich zu bezweifeln.

Welche neuen Produktinnovationen/Initiativen planen Sie in nächster Zeit?

Neben den bereits erwähnten Single Stock Weeklies werden wir unser Angebot an Fixed-Income-Derivaten weiter vervollständigen. Ende Oktober planen wir die Lancierung von Futures basierend auf 10-jährigen spanischen Staatsanleihen («BONO»-Future). Dies wird unseren Teilnehmern zusätzliche Möglichkeiten eröffnen, unterschiedliche Credit Spreads europäischer Länder bewusst zu nutzen. Wir sind überzeugt, dass der BONO-Future sich genauso erfolgreich im Quartett der 10-jährigen Fixed-Income-Futures etablieren kann, wie wir das beim 10-jährigen französischen OAT-Future und vor einigen Jahren auch beim 10-jährigen italienischen BTP-Bond-Future erleben durften. Im Bereich Equity-Index berücksichtigen wir ganz speziell Anfragen unserer Retail-Kunden und planen eine Erweiterung der Indexpalette durch einen «Mini-Dax»-Future. Dieser dürfte auch für institutionelle Kunden von Interesse sein, denn der Nominalwert des DAX-Futures liegt bei über 250.000 Euro pro Kontrakt – und ist damit ein vergleichsweise «schwerer» Kontrakt. Die Lancierung dieses Mini-Dax-Futures mit einem deutlich geringeren Multiplier ist für Ende Oktober avisiert.

 

VITA

Markus-Alexander Flesch ist seit 2003 Executive Director der Eurex Zurich AG und Leiter des Derivate Geschäfts. Im Rahmen dieses Mandates gehören Vertrieb und Marketing sowohl für Sell-Side als auch für Buy-Side Kunden in der Schweiz, Italien, Zypern, der Türkei und Israel zu seinem Aufgabenbereich. Als «Initiative Captain» ist er zuständig für den weltweiten Vertrieb von Eurex Volatility und Variance Derivate.  Vor seinem Wechsel zu Eurex war Markus-Alexander fast 10 Jahre lang Senior Trader für Aktienderivate und Festverzinsliche Derivate bei der Citibank in Deutschland und der Schweiz. Markus-Alexander hat einen Universitätsabschluss in Wirtschaftswissenschaften.

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