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EURO STOXX 50: Heisse Short-Spekulation

13.12.2023 4 Min.
  • Wolfgang Hagl
    Redaktor

In der Hoffnung auf baldige Zinssenkungen hat die Eurozone-Benchmark abgehoben. Mit dem heute beginnenden geldpolitischen Staccoto könnte sich Ernüchterung breit machen.

Kaum ein Wort wird an der Börse in der Vorweihnachtszeit so arg strapaziert, wie «Jahresendrally». Das gilt auch 2023. Seit Wochen zerbrechen sich Investoren, Strategen und Analysten gleichermassen die Köpfe darüber, ob und wann es zu einem Schlusssport kommt. Dabei gehen die Kurse in der Anlageklasse Aktien längst steil. Das gilt auch und gerade für die Eurozone. Gegenüber dem Verlaufstief von Ende Oktober hat der EURO STOXX 50 Index 14% an Wert gewonnen und damit das höchste Niveau seit mehr als 16 Jahren erreicht.

Wilde Zinsfantasien

Die Rallye lebt von der Entwicklung bei den Zinsen. Noch im Oktober hatte sich die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe der Marke von 3% angenähert. Mittlerweile wirft die Euro-Benchmarkobligation rund 80 Basispunkte weniger ab. Hier wiederum kommt eine drastisch verschobene Erwartungshaltung hinsichtlich der Geldpolitik zum Vorschein. Bekanntlich hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihren Leitsatz im Kampf gegen die Inflation massiv nach oben geschraubt. Aktuell liegt er bei 4.00%. Es gilt als ausgemachte Sache, dass die EZB diese Rate morgen – wie schon im Oktober – nicht verändern wird. Spannung verspricht der Ausgang der anstehenden Ratssitzung daher vor allem mit Blick nach vorne. Einerseits wird die Zentralbank am Donnerstag aktualisierte Konjunktur- und Inflationsprognosen vorlegen. Darüber hinaus meldet sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde um 14:45 Uhr an einer Medienkonferenz zu Wort.

Die Börsenbullen werden genau zuhören, ob die Französin die Hoffnung auf eine baldige Zinssenkung untermauert. An den Geldmärkten wird auf eine erste Reduzierung im März 2024 spekuliert. Für den April ist ein solcher Schritt vollständig in den Terminnotierungen eingepreist. Eine aktuelle Umfrage von Reuters passt in dieses Bild: 51 der 90 teilnehmenden Ökonomen gehen davon aus, dass die EZB vor der Sitzung im Juli kommenden Jahres mindestens eine Lockerung vornimmt.

Hartnäckige Teuerung

Das zentrale Argument hinter dieser Erwartungshaltung ist die Entwicklung der Inflation. Im November sind die Konsumentenpreise in der Eurozone relativ zum Vorjahresmonat um 2.4% gestiegen – die tiefste Rate seit dem Juli 2021. So weit, so gut. Doch liegt die Inflation noch immer über dem von der EZB angestrebten 2%-Niveau. Allein wegen Basiseffekten dürfte sich daran in den kommenden Monaten kaum etwas ändern. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht die Inflation erst im Frühjahr oder gar Frühsommer 2024 bei weniger als 2.5%. «Deshalb bin ich mir nicht so sicher, dass die EZB den ersten Zinsschritt schon im März machen wird, sondern ich würde vermuten, dass sie doch noch ein bisschen länger wartet», meint der prominente Ökonom. Christine Lagarde selbst hat erst im November erklärt, dass in den kommenden paar Quartalen voraussichtlich keine Änderung bei den Zinsen zu erwarten sei.

Natürlich nimmt auch die US-Geldpolitik massgeblichen Einfluss auf die Börsen in Europa. Das Fed legt die weitere Gangart bereits heute fest. In punkto Erwartungshaltung zeigt sich eine durchaus vergleichbare Konstellation. Die Wall Street wettet darauf, dass die Notenbank im kommenden Jahr die Zügel kräftig lockert. Geht es nach dem CME FedWatch Tool, dann könnte die Target Rate von aktuell 5.25% bis 5.50% innert zwölf Monaten um 100 Basispunkte schrumpfen. Vor den jüngsten Inflationsdaten implizierten die Terminmärkte bis Ende 2024 sogar einen Rückgang von 125 Basispunkte.

Doch zeigen die jüngsten Zahlen aus Washington D.C., dass der Preisauftrieb auch in den Staaten hartnäckig ist. Jedenfalls ist der Consumer Price Index (CPI) im November 2023 relativ zum Vormonat um 0.1% gestiegen. Die Wall Street hat hier mit einer Stagnation gerechnet. Auf Jahressicht expandierte der CPI wie erwartet um 3.1%. Wie auch immer: Fed-Chef Jerome Powell dürfte sich in seiner Warnung bestätigt sehen, wonach der Kampf gegen das Inflationsgespenst nicht gewonnen sei.

Anlagelösungen

Sofern der oberste US-Währungshüter heute Abend bei dieser Haltung bleibt oder gar weitere Zinserhöhungen in den Raum stellen, könnte es an der Wall Street und darüber hinaus ein böses Erwachen geben. Käme wenige Stunden später eine falkenhafte Christine Lagarde hinzu, wäre die vorweihnachtliche Partystimmung wohl endgültig passé. Natürlich ist dieses Szenario ziemlich negativ. Doch spricht auch die Charttechnik dafür, dass die Börsen einen Gang zurückschalten. Der EURO STOXX 50 macht einen zusehends überkauften Eindruck.

Trader können beispielsweise mit dem Short Mini-Future NSTOQU auf einen Rücksetzer spekulieren. Bei dem Anfang Jahr lancierten UBS-Produkt beträgt der Hebel aktuell 12.0. Mit 4‘862.50 Punkten liegt der Stop Loss 7.2% über dem Indexstand. Diese Lücke kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein dickes Minus oder gar der Totalverlust droht, falls Powell und Lagarde in den Chor der Zinssenkungsbefürworter einstimmen. Eine Alternative zu dieser heissen Short-Wette ist es, die Füsse still zu halten. Angesichts des geldpolitischen Staccotos – morgen stehen auch noch eine SNB-Lagebeurteilung sowie der Zinsentscheid der Bank of England an – ist auch so für viel Spannung gesorgt.

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