Grüner Etikettenschwindel?
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Jon Sigurdsen, Portfoliomanager erneuerbare Energien
Die alljährliche UN-Klimakonferenz findet dieses Mal in Polen statt. Vom 2. bis 14. Dezember treffen sich fast 200 Staaten in Kattowitz, um die Welt grüner zu machen.
Die Erfolgschancen des mittlerweile 24. Gipfeltreffens sind jedoch gering. Enttäuschte Deutschland bereits im Vorfeld die Erwartungen? Gilt Gastgeber Polen nicht gerade als Vorreiter in Sachen Klimaschutz? Laut Weltgesundheitsorganisation WHO liegen 33 der 50 bedenklichsten europäischen Smog-Städte in dem Ostsee-Staat.
Genauer hinschauen gilt es auch mit Blick auf die Investmentbranche, wo das einst so zarte Pflänzchen der Nachhaltigkeitsfonds zu einem kaum mehr durchdringbaren Urwald mutiert ist. „Es ist nicht alles grün, was mit dem Label ‚nachhaltig’ versehen wird“, bringt es Jon Sigurdsen, leitender Portfoliomanager im Bereich erneuerbare Energien bei DNB Asset Management, auf den Punkt. Anleger finden in ihren Fonds immer wieder Aktien von Firmen vor, die nur vorgeben, nachhaltig zu handeln. Kurzum: „Greenwashing“ ist längst salonfähig geworden. Zwei Beispiele:
Viele Nachhaltigkeitsfonds investieren in Amazon, weil der Online-Riese immense Gewinne erwirtschaftet, aber nur wenig direkte CO2-Emissionen ausstößt. „Für uns hat das weniger mit Nachhaltigkeit zu tun, weil Amazon Zusteller und Partnerfirmen rund um den Globus schickt, die wiederum für Emissionen verantwortlich sind“, gibt Jon Sigurdsen zu bedenken. Coca-Cola ist ein weiteres Beispiel. „Der Brausehersteller hat seine Distribution ausgelagert“, betont der DNB-Fondsmanager, „doch die Welt wird nicht grüner, wenn andere Firmen die CO2-intensive Logistik übernehmen.“
Die kaum mehr zu überblickende Bandbreite der mittlerweile mehr als 1600 Fonds, die allein in Europa unter dem Prädikat „nachhaltig“ unter die Anleger gebracht werden, sorgt bei vielen Investoren für Verwirrung – zumal Transparenz und Mindeststandards häufig auf der Strecke bleiben. „Anleger sollten genau hinsehen, in welche Titel ein Fonds investiert“, rät DNB-Nachhaltigkeits-Experte Jon Sigurdsen, „ein Blick auf die zehn größten Positionen im Portfolio kann Aufschluss darüber geben, wie ‚Grün’ der Fonds tatsächlich ist.“ Ein Anhaltspunkt könnten auch Produkte sein, die mit dem Siegel des Branchenverbandes nachhaltiger Unternehmen, kurz FNG ausgezeichnet wurden.