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payoff Opinion Leaders

Innovationen verändern die Zukunft des Plastiks

28.10.2021 13 Min.
  • Maria Elena Drew, Director of Research, Responsible Investing

Zwischen Gesundheits- und Umweltbedenken und dem Nutzen eines Materials abwägen

Auf den Punkt gebracht

  • Immer mehr und immer strengere regulatorische Anforderungen, Verbraucherpräferenzen im Wandel und Maßnahmen von Unternehmen – dies alles zwingt die Hersteller von Kunststoffen und Plastikverpackungen zum Handeln.
  • Bei dem Streben nach Nachhaltigkeit geht es um sehr viel mehr als um die bloße Abschaffung – durch Innovationen wird Plastik künftig anders genutzt, ersetzt und vor allem auch entsorgt.
  • Will man diese Faktoren in Anlageanalysen integrieren, muss man auch untersuchen, wie sie Verhaltensweisen von Unternehmen oder Maßnahmen beeinflussen, die Risiken mindern oder Möglichkeiten schaffen sollen.

Innerhalb weniger Jahrzehnte hat sich Plastik in seinen unterschiedlichen Formen zu einem Material entwickelt, das aus unserem modernen Leben nicht mehr wegzudenken ist. Doch die vielen Einsatzmöglichkeiten, wirtschaftlichen und praktischen Vorteile haben ihren Preis. Die chemische Zusammensetzung, der Ressourceneinsatz und die Langlebigkeit von Plastik sind große Probleme für die Nachhaltigkeit und Gesundheit, für die die Welt dringend Lösungen finden muss.

Überaus wichtig dabei ist, das Ausmaß des Problems zu verstehen, sowohl was den Einfluss auf die Umwelt angeht als auch in Bezug auf die Gesundheit der Menschen. Doch die Lösungen müssen auch den Nutzen des Materials berücksichtigen. Plastik bietet einen unbestreitbaren Nutzen für die moderne Industrie und Vorteile für Verbraucher in aller Welt. Paradoxerweise sind sie weiterhin auch die beste Lösung für andere Nachhaltigkeitsprobleme, denn sie tragen etwa zur Verringerung von Lebensmittelabfällen bei, machen Verpackungen leichter, verbessern die Hygiene und verlängern die Lebensdauer von Baustoffen.

Aus Anlegersicht sollte sich die Diskussion rund ums Thema Nachhaltigkeit unserer Ansicht nach stärker um den Umbau des Sektors drehen – und um die Frage, wie sich durch Innovationen verändert, wie Plastik verwendet, ersetzt, weniger schädlich gemacht und vor allem am Ende ihrer Nutzungsdauer entsorgt wird. Bei Einwegplastikartikeln sind Innovationsstrategien, die die Abschaffung, Wiederverwendung und Zirkulation von Kunststoffen fördern, wesentliche Elemente, mit denen die Industrie auf den wachsenden Druck seitens der Verbraucher und der Regulierer reagiert.

Das Plastikproblem im Überblick

Die Nutzung von Plastik hat seit den 1970er Jahren rasant zugenommen, da sich die Verbraucher und die Industrie die Kernmerkmale dieses Materials zunutze gemacht haben: Plastik ist verformbar, leicht, haltbar und billig. Doch bei der Produktion und Nutzung von Plastik wurde das Kernproblem lange Zeit unterschätzt: die Belastungen am Ende der Nutzungsdauer.

95% – geschätzter Anteil des Verpackungsmaterials aus Plastik, das nach einmaliger Verwendung für die Industrie verloren ist.

Diese ist bei den meisten Kunststoffen sehr kurz, häufig weniger als ein Jahr. Und bis zu 95% des Verpackungsmaterials aus Plastik sind nach der ersten Nutzung für die Industrie verloren (Ellen MacArthur Foundation). Fast 13 Millionen Tonnen Plastikabfälle landen jedes Jahr in den Weltmeeren. Zugleich wird aufgrund der komplexen Natur oder der geringen Margen, die beim Recycling zu erzielen sind, Einwegplastikmüll meistens verbrannt oder auf Deponien entsorgt. Plastik verschmutzt wichtige Ökosysteme und belastet die Nahrungskette des Menschen. Laut Studien des World Wildlife Fund und der University of Newcastle in Australien aus dem Jahr 2019 nimmt jeder Mensch im Durchschnitt rund fünf Gramm Plastik (etwa das Gewicht einer Kreditkarte) pro Woche mit der Nahrung auf.

Es dauert bis zu 450 Jahre, bis Plastik biologisch abgebaut ist, sodass der Umwelteinfluss bei unsachgemäßer Entsorgung erheblich ist. Es ist daher leicht nachvollziehbar, dass Verpackungen aus Plastik zur Geißel der Kreislaufwirtschaft geworden sind, in der Wiederverwendung groß geschrieben wird – und ins Fadenkreuz der immer umweltbewussteren Verbraucher, aber auch der staatlichen Regulierer geraten sind.

Faktoren für den Wandel – Regierungen und Verbraucher zwingen zum Umdenken

Dass sowohl Regulierer als auch Verbraucher verlangen, dass etwas passiert, überrascht nicht. Weltweit setzen viele Regierungen neue Regelungen und Vorschriften um und legen realisierbare Zeitrahmen fest, um die Folgen von Einwegplastikartikeln zu verringern. Dazu zählen auch Länder, die zu den weltweit größten Herstellern und Verbrauchern von Plastikprodukten zählen. Maßnahmen der Regulierer zielen gewöhnlich darauf ab, die Nutzung von Einwegplastikartikeln zu verringern, und fördern ein stärkeres Recycling oder innovative alternative Lösungen. Weiter unten findet sich eine Übersicht über die wichtigsten regulatorischen Initiativen.

Endverwendung und -entsorgung von Plastik weltweit
(Abb. 1) Die meisten Kunststoffe spiegeln weiter eine lineare Einwegwirtschaft wider
Weltweite Endverwendung von Kunststoffen


Auch die Verbraucher verfügen über Macht, Veränderungen zu bewirken. Zum Beispiel gibt jedes zweite Unternehmen im Segment Haushaltsartikel und Körperpflegeprodukte (HPC) im MSCI All Countries World Index (ACWI) an, dass die Ansprüche der Verbraucher an den ökologischen Fußabdruck der von ihnen gekauften Artikel für sie ein wichtiger Beweggrund war, die Nachhaltigkeit ihrer Produkte zu verbessern. Laut einer Umfrage von Kantar1 sehen Verbraucher in aller Welt Plastikabfälle als das zweitgrößte Anliegen nach dem Klimawandel an (Umfrage unter mehr als 80.000 Personen in 19 Ländern). Die Umfrage ergab auch, dass sich im Jahr 2020 weltweit 20% der Verbraucher aktiv bemühten, weniger Plastikmüll zu verursachen, verglichen mit 4% im Jahr 2019.

Regierungen in aller Welt nehmen Einwegplastikartikel ins Visier
(Abb. 2) Zahlreiche Regierungen in aller Welt ergreifen Maßnahmen, um den Verbrauch von Einwegplastikartikeln zu senken. Sie setzen neue Vorschriften um und bekennen sich vor allem zu realisierbaren Zeitrahmen. Erfreulicherweise gehen einige Länder, die zu den größten Herstellern und Verbrauchern von Plastikprodukten weltweit zählen, mit gutem Beispiel voran. Wichtige regulatorische Maßnahmen und Initiativen sollen dabei die intensive Nutzung von Einwegplastikartikeln reduzieren; zugleich werden ein vermehrtes Recycling oder alternative Produkte gefördert.

Die Antwort der Industrie – wie Innovation die Zukunft des Plastiks verändert

Angesichts des Drucks, der auf und von Seiten der Regulierer, Verbraucher und Unternehmen herrscht, dürften Aspekte der Bereiche Umwelt, Soziales und Governance (ESG) die Verpackungsindustrie in den Industrieländern in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Ein Schwerpunktbereich sind Einwegplastikartikel, die direkt durch alternative Materialien (Papier, Aluminium, Glas) sowie durch innovative neue Materialien wie Biokunststoffe ersetzt erden können.

Aufgrund der vielfältigen Vorteile und der zahllosen praktischen Anwendungen von Plastik wäre es unrealistisch, auf den Druck seitens Regulierern und Verbrauchern einfach nur mit der Abschaffung oder Vermeidung zu reagieren. Es sind ganz unterschiedliche Lösungen im Spiel – und bei unseren Analysen versuchen wir zu ermitteln, wie sich Unternehmen auf die mit den notwendigen Veränderungen verbundenen Chancen und Risiken einstellen wollen. Im Sektor Haushaltsartikel und Körperpflegeprodukte, der traditionell in großer Menge Einwegplastikartikel produziert und verwendet (vor allem für Verpackungen), haben wir festgestellt, dass die Branche im Kern drei Antworten bereit hält: Innovationen, die den Schwerpunkt auf Abschaffung und Vermeidung, Wiederverwendung sowie bessere Kreislaufsysteme legen.

Viele führende Unternehmen in diesem Sektor erwarten, dass die vollständige Neugestaltung ihrer Verpackungen zwischen 2025 und 2030 abgeschlossen sein wird. Als Reaktion auf die veränderten Verbraucherpräferenzen und -erwartungen haben Unternehmen auf alternative Materialien wie Aluminium oder Papier umgestellt. Andere haben wiederum neue Richtlinien eingeführt, etwa zur vollständigen Vermeidung von Plastikbeuteln, und nehmen zugleich weitere Veränderungen an ihren Produkten oder den Lieferketten vor.

Zu den Maßnahmen zur Vermeidung von Plastik gehört gewöhnlich auch die Vermeidung von Verpackungsteilen, die nicht für den Einschluss oder Schutz des Produkts benötigt werden und daher verzichtbar sind. Konkrete Ziele für die Vermeidung von Verpackungsabfall haben die meisten Unternehmen zwar nicht formuliert, doch viele von denen, die wir analysieren, liefern Beispiele für die Optimierung von Verpackungen. Zum Beispiel geben 15 der 36 HPC-Unternehmen im MSCI ACWI an, dass sie unnötige Tertiärverpackungen wie Außenverpackungen, Plastikfolie um die Außenverpackung und sekundäre Plastikfolie um Multipacks vermeiden wollen. Einige Unternehmen finden zudem innovative Lösungen, die Verpackungskomponenten wie Plastikausgießer, Etiketten und Versiegelungen überflüssig machen. Ein weiterer Trend sind leichtere Verpackungen; mehr als 50% der HPC-Unternehmen im MSCI ACWI verbrauchen heute deutlich weniger Plastik, weil sie das Gewicht und das Volumen ihrer Produkte reduziert haben.

Kunststoffintensive Industrien geben ganz unterschiedliche Antworten
(Abb. 3) Innerhalb des HPC-Sektors legen die Innovationen den Fokus ganz allgemein auf drei verschiedene Zielsetzungen

Was die Wiederverwendungsstrategien angeht, bieten 18 HPC-Unternehmen im MSCI ASCWI bereits nachfüllbare Produkte an, die Verbraucher zu Hause umfüllen können. Eine weitere gängige Wiederverwendungsstrategie sind abonnierbare Abholservices für  wiederverwendbare Behälter, die anschließend gereinigt werden.

Für einige Unternehmen sind Ansätze denkbar, Plastik zu vermeiden oder wiederzuverwenden, für viele andere allerdings nicht. Der Lebensmittelhandel zum Beispiel kommt nicht ohne Plastikverpackungen aus, um die Produkte frisch zu halten, damit weniger Lebensmittel weggeworfen werden – auch dies ein wichtiger Teil der Bemühungen um mehr Nachhaltigkeit. Die Lösung besteht in verbesserten Kreislaufsystemen für Verpackungen. Dafür sind Innovationen nötig, um

  • Verpackungen besser wiederverwendbar, recycelbar oder kompostierbar zu machen
  • den Anteil von Recyclingmaterial in Verpackungen zu erhöhen
  • den Anteil neuer Kunststoffe2 und Fasern in Verpackungen zu senken

Unsere Analyse des HPC-Sektors zeigt, dass im Vergleich der drei Innovationsansätze die größten Fortschritte bei der Verbesserung von Kreislaufsystemen für Materialien und Wertstoffe festzustellen sind. Ein hoher Prozentsatz der HPC-Unternehmen bemüht sich aktiv darum, die Wiederverwendbarkeit, Recyclingfähigkeit oder Kompostierbarkeit von Verpackungen zu verbessern, damit eine 100%ige Zirkulation in der Branche bis 2025 zur Norm wird. Erfreulicherweise erkennen die Unternehmen zunehmend, welche Vorteile diese Maßnahmen bringen können – für die Umwelt, aber auch für den Unternehmensgewinn. Wird mehr Plastik recycelt, können die Kosten für den Materialeinsatz gesenkt werden, und umweltbewusste Verbraucher greifen wahrscheinlich eher zu Produkten von Unternehmen, die sich umstellen.

Die potenziellen Vorteile von Lösungen, durch die weniger Plastik produziert und/oder verwendet wird, sind aber nicht nur im HPC-Sektor zu beobachten. Anbieter von nachhaltigen Alternativen zu Verpackungen aus neu produziertem Plastik, etwa Verpackungen aus Papier / Fasern und Aluminiumdosen, dürften ebenfalls einen Anstieg der Nachfrage verzeichnen. Der anhaltende Druck von Verbrauchern und staatlichen Regulierern, den Einsatz von Plastik zu verringern, dürfte auch zu zahlreichen Geschäftsmöglichkeiten rund um das Sammeln, Sortieren und Recyceln von Plastik führen.

In schwierigeren Bereichen sind noch Herausforderungen zu bewältigen

Zwar gibt es Belege für positive Initiativen für einen besseren Umgang mit dem Plastikproblem, doch sind Unternehmen mitunter wortkarger, wenn es darum geht, über „schwieriger erreichbare“ Ziele etwa in Bezug auf den Gehalt an Recyclingmaterial und die Senkung des Anteils neuer Materialien in ihren Verpackungen zu informieren. Bei der Herstellung von Produktverpackungen recyceltes Plastik einzusetzen ist schwieriger, als Verpackungen wiederverwendbar oder kompostierbar zu machen. Aktuell fehlt es an den nötigen Ressourcen zur Sammlung und an der Infrastruktur, um Plastik effizienter zu recyceln. Außerdem ist das Plastikrecycling bei niedrigen Ölpreisen auch aus wirtschaftlicher Sicht weniger attraktiv.

Diese Hürden könnten Unternehmen zudem eher zum „Greenwashing“ ihrer Recycling-Bilanz verleiten. Deshalb sind der Rohmaterialeinsatz und ein besonderer Fokus auf die Verwendung von Recyclingmaterial wichtige Kennzahlen, die wir in unsere Unternehmensanalysen auf Basis des Responsible Investing Indicator Model (RIIM) einfließen lassen. Dies soll gewährleisten, dass die Angaben der Unternehmen zum Recyclingmaterialgehalt von Produkten genau und aktuell sind.

Radikaler Umbruch ist eingeleitet

Der weltweite Umgang mit dem Plastikmüllproblem ist ein immer wichtigeres Anliegen für die Gesellschaft, die Unternehmen, unsere Kunden – und unsere Investmentteams. Der Handlungsbedarf ist größer denn je. Die wesentliche Herausforderung für die Industrie besteht darin, Lösungen zu finden, die Nachhaltigkeitsprobleme angehen, und zugleich dem praktischen Nutzen von Plastik in weiten Teilen der modernen Industrie und Gesellschaft gerecht zu werden.

Was die Unternehmen angeht, erkennen viele von ihnen diese unbedingte Notwendigkeit von Veränderungen und stellen sich auf ein neues, nachhaltigeres Paradigma ein.
– Maria Elena, Drew Director of Research, Responsible Investing

Wir gehen davon aus, dass der Bereich der Einwegplastikartikel in den nächsten zehn Jahren vor bedeutenden Umwälzungen steht, denn die Unternehmen entwickeln und nutzen zunehmend andere Materialien als Alternative (Papier, Aluminium, Glas etc.), entwickeln bessere, weniger schädliche Kunststoffe (Biokunststoffe etc.) und finden Wege, generell weniger Verpackungsmaterial zu verwenden. Was die Unternehmen angeht, erkennen viele von ihnen diese unbedingte Notwendigkeit von Veränderungen und stellen sich auf ein neues, nachhaltigeres Paradigma ein. Branchen und Unternehmen, die auf den Druck der Regulierer und Verbraucher mit Innovationen antworten, dürften sich am besten entwickeln.

Als Anlageexperten versuchen wir, diese Dynamiken in unsere Analysen einfließen zu lassen und zu beurteilen, wie sie das Verhalten von Unternehmen beeinflussen und welche Maßnahmen ergriffen werden, um Risiken zu mindern oder Möglichkeiten zu schaffen. Wir hoffen, auf diese Weise genau jene Unternehmen zu ermitteln, die am besten in der Lage sind, sich auf die Notwendigkeit von langfristigen, nachhaltigen Lösungen für die Verwendung von Plastik einzustellen.

Berücksichtigung der Nachhaltigkeit von Plastik im Responsible Investing Indicator Model (RIIM) von T.Rowe Price

T. Rowe Price hat das RIIM entwickelt, das eine ganze Reihe von Faktoren berücksichtigt, auf deren Basis Unternehmen bewertet und ihre Nachhaltigkeit in Sachen Plastik beurteilt wird. Das Modell stützt sich sowohl auf interne als auch auf externe Datenquellen, um eine umfassende, ganzheitliche Beurteilung jedes Unternehmens sicherzustellen. Wesentliche Kennzahlen sind unter anderem:

Rohstoffe

  • Verwendung von Recyclingmaterial
  • Ziele für Verpackungen
  • Leistungsdaten bei Verpackungen

Abfallmenge

  • Recycelte Abfallmenge

Allgemeine Geschäftstätigkeit

  • Öko-Design
  • Grüne Logistikprogramme

Produktnachhaltigkeit

  • Nachhaltige Produkte und Dienstleistungen
  • Programme für Produktverantwortung
  • Umweltauswirkungen der Produkte
  • Chemische Sicherheit der Produkte
  • Chemisches „Cleantech“-Exposure

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1 Kantar-Umfrage „Who Cares, Who Does“, Stand: September 2020.
2 Neue Kunststoffe, die direkt aus petrochemischen Ausgangsmaterialien wie Rohöl oder Erdgas produziert werden und zuvor weder verwendet noch verarbeitet wurden.

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