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Investmentchancen im Twitter-Gewitter – zwischen Notenbanken, Konjunktur und Politik positionieren

22.08.2019 5 Min.
  • Max Holzer, Leiter Relative Return, Union Investment

Mit dem freundlich verpackten Tweet „We look forward to continuing our positive dialogue with China on a comprehensive Trade Deal, and feel that the future between our two countries will be a very bright one!” läutete US-Präsident Donald Trump Anfang August eine neue Runde im Handelsstreit ein.

Konkret geht es um die Etablierung eines „kleinen“ Einfuhr-Obolus von zehn Prozent auf die bislang nicht mit Strafzöllen belegten US-Importe aus China im Volumen von 300 Milliarden US-Dollar. Chinas Reaktion? Keine Käufe von amerikanischen Agrargütern mehr und eine Abwertung der eigenen Währung auf den tiefsten Stand seit Frühjahr 2008. Die von Trump angekündigte „strahlende Zukunft“ zwischen den beiden Supermächten lässt also noch auf sich warten.

Für die Kapitalmärkte war diese neue Stufe der Eskalation im Handelskonflikt zwar der Auslöser für einen Abverkauf chancenorientierter Anlageklassen wie Aktien oder Anleihen der Emerging Markets, der alleinige Grund war es aber nicht. Bereits zuvor hatten schlechte Konjunkturdaten und enttäuschte Hoffnungen auf die Zentralbanken der Hausse ein Ende gesetzt. Die Korrektur basiert somit auf einem ganzen Bündel von zuvor ausgeblendeten Risikofaktoren, die nun schlagartig ins Bewusstsein der Investoren zurückgekehrt sind. Im Ergebnis gab der DAX als besonders sensibles Börsenbarometer zwischen Anfang Juli und Anfang August rund 1.000 Punkte ab.

Fünf Schlüsselthemen beeinflussen den weiteren Kapitalmarktverlauf

Nach einem sehr freundlichen ersten Halbjahr stellt sich nach dem Einbruch nun die Frage, wie es an den Kapitalmärkten weitergeht. Sind die Risiken tatsächlich so gross, wie der Kursrutsch erwarten lässt? Oder sollten Anleger das niedrigere Niveau zum Einstieg nutzen? Auf fünf Themenkomplexe kommt es an:

1. Handelsstreit

Hinter der Auseinandersetzung zwischen den USA und China steht ein hegemonialer Konflikt. Es geht also um weit mehr als nur um Zölle. Daher wird der Handelsstreit die Kapitalmärkte weiter beschäftigen.

  • Unsere Prognose: Wir rechnen nicht mit einer baldigen Beilegung der Streitigkeiten. Am Markt werden weiter politische Risikoprämien gezahlt werden müssen, die die Aktienkurse belasten.

2. Konjunktur

Der Handelsstreit hinterlässt bereits Spuren, denn durch den zunehmenden Protektionismus gerät der Welthandel ins Stocken. Der Wachstumsmotor Globalisierung stottert.

  • Unsere Prognose: Das globale Wirtschaftswachstum schwächt sich weiter ab, da eine Eskalation des Handelskonflikts wahrscheinlich ist. Eine Rezession erwarten wir aber nicht.

3. Geldpolitik

Die Notenbanken haben die Kapitalmärkte im ersten Halbjahr mit der Aussicht auf Lockerungen befeuert. Zwar haben die Zentralbanker in Washington und Frankfurt im Juli geliefert, waren aber weniger aggressiv als vom Markt erhofft.

  • Unsere Prognose: Die Geldpolitik bleibt weiterhin massgeblich für den Markt. Wir rechnen mit weiteren Impulsen von EZB und Fed, die risikoreichere Anlageklassen unterstützen.



4. Unternehmensgewinne

Geringeres Wachstum und höhere Löhne im Zuge verstärkter Handelshemmnisse sind Gift für die Margen der Unternehmen. Die Unterschiede in der Profitabilität nehmen zu. In Summe werden die Gewinne aber kaum noch zulegen.

  • Unsere Prognose: Wir rechnen mit einer flachen Gewinnentwicklung für 2019. Für die Aktienmärkte wird die Bewertung somit zur Schlüsselfrage.

5. Geopolitische Spannungen

Neben dem Handelsstreit werden auch weitere Konflikte das Kapitalmarktumfeld prägen. Dazu zählt der Iran-Konflikt genauso wie der Brexit.

  • Unsere Prognose: Scharfe, zackenartige Anstiege der Volatilität sind sehr wahrscheinlich. Beim Brexit rechnen wir mit baldigen Neuwahlen und einer Fristverlängerung über den 31. Oktober hinaus.

Aktivität und Wachsamkeit sind gefragt

Lange galt der Spruch von den kurzen Beinen politischer Börsen als verlässliche Entscheidungshilfe. Es stimmt zwar immer noch, dass die Kapitalmärkte auf mittlere Sicht von fundamentalen Faktoren wie Konjunktur und Geldpolitik getrieben werden. Jedoch handelt die Politik deutlich aggressiver und setzt Rahmenbedingungen, deren Auswirkungen länger anhalten als in der Vergangenheit. Der politische Einfluss auf die Börsen ist grösser geworden. 

Was bedeutet die Summe der Faktoren nun für die Kapitalmärkte? Eine breit angelegte Aufwärtsentwicklung wie im ersten Halbjahr ist in den kommenden Monaten bei Risikoanlagen nicht zu erwarten. Daher gewinnt eine zielgenaue Allokation in die aussichtsreichsten Unteranlageklassen, verbunden mit einer sorgfältigen Titelauswahl, an Bedeutung. Aktivität und Wachsamkeit sind somit gefragt, da nicht alle Bereiche gleich stark betroffen sind und unter Trumps Twitter-Gewitter leiden. Während Investoren zyklische Sektoren wie die Autoindustrie und den Maschinenbau angesichts von Konjunkturschwäche und Handelsstreit derzeit meiden sollten, bieten sich Möglichkeiten bei weniger exportabhängigen Branchen – sowohl bei Aktien als auch bei Anleihen der Konzerne. Dazu gehören beispielsweise Konsumgüterhersteller oder Pharmaunternehmen.

Auf Länderebene bevorzugen wir binnenorientierte Volkswirtschaften wie die USA. Im Rohstoffbereich bieten sich Edelmetalle aufgrund der geopolitischen Spannungen als Portfolio-Beimischung an. Während der Goldpreis schon stark gestiegen ist, sind bei Silber und Platin noch Preissteigerungen zu erwarten.

Insgesamt sind sichere Staatsanleihen angesichts des unruhigen Umfelds zwar ein wichtiger Schockabsorber im Portfolio, eignen sich aber nicht als langfristige Renditequelle, da das Niedrigrenditeumfeld geldpolitisch zementiert ist. Deutlich aussichtsreicher auf der Rentenseite sind Anlagen mit einem Zinsaufschlag (Spread-Produkte) wie Unternehmensanleihen oder Emerging-Markets-Papiere. Diese Segmente profitieren überdurchschnittlich stark von der lockeren Geldpolitik und sind entsprechend aussichtsreich. Aktien bleiben zwar unverzichtbar, allerdings sind die Perspektiven begrenzt. Bei lediglich moderater Gewinndynamik entscheidet die Bewertung – und damit die Entwicklung von Geo- und Geldpolitik – über das Kurspotenzial.

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