«Leider ist die Blockchain Technologie für den Nutzer noch nicht gut sichtbar.»
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Lidia Bolla und Jan Roth, Managing Partners bei Vision& über Cryptoanlagen, deren Potenzial in der Zukunft und der Vergleich zu den traditionellen Anlagen.
Frau Bolla und Herr Roth, unser Leitartikel handelt von offensiven und defensiven Aktienanlagen. In welche der beiden Kategorien würden Sie die Kryptoanlagen wie Bitcoin einteilen (Begründung)?
Es können nicht alle Kryptoanlagen in einen Topf geworfen werden. Kryptowährungen wie Bitcoin werden oft mit Gold verglichen und sollten deshalb über die Zeit einen defensiven Charakter aufweisen. Weiter gibt es sogenannte «Stablecoins», welche an eine klassische Währung wie den US-Dollar gekoppelt sind und somit schon heute einen relativ stabilen Charakter aufzeigen. Oder dann gibt es Security Tokens, deren Risikoprofil abhängig vom Basiswert ist und von offensiv bis defensiv sein können. Wichtig zu verstehen ist aber, dass diese Technologie-Revolution auch Effizienz im Wertschriftentransfer bringen wird, sobald die Infrastruktur genügend ausgereift ist. T+2 war gestern.
Was halten Sie von Bestrebungen, Kryptowährungen wie Bitcoin mit physischen Metallen (bspw. Gold), die seit alters her als Wertaufbewahrungsmittel anerkannt sind, zu verknüpfen?
Die Suche nach sicheren Wertaufbewahrungsmitteln ist wohl so alt wie die Menschheit. So haben in der Geschichte auch ganz spannende Objekte ihre Anwendung dafür gefunden. Edelmetalle, mit ihren vorteilhaften Eigenschaften, schienen über Jahrtausende dafür geeignet und werden es auch weiter bleiben. Ein Vorteil von digitalen Anlagen wie Bitcoin, ist die vereinfachte Aufbewahrung und Wertverschiebung. Dies ist vor allem für die Generationen der «Digital Natives» in einer globalen Welt ein wichtiges Kriterium. Wir beobachten generell ein starkes Interesse, reale Werte digital auf der Blockchain bzw. in einem Token abzubilden.
Es gibt Experten, die in rund fünf Jahren den Kurs von Bitcoin im sechsstelligen Bereich sehen. Wie hoch stufen Sie die Wahrscheinlichkeit einer solchen Kursexplosion ein?
Sind wir nicht alle ein bisschen Experten? Frage ist, was uns solche Aussagen bringen. Wir sehen äusserst grosses Potential, in Bitcoin wie auch in der Tokenisierung, sind uns aber auch den Hürden bewusst. Lustigerweise sind die Hürden und Risiken meist sekundär, wenn die Preise steigen. Wir gehen davon aus, dass eine bessere, und regulatorisch konforme Infrastruktur nicht nur die Aufmerksamkeit der breiten Bevölkerung, aber schliesslich auch von institutionellen Anlegern mit sich bringen wird. Abgesehen davon glauben wir, dass Kryptowährungen die Steine ins Rollen gebracht haben, der wahre Wert langfristig aber mit der Anwendung solcher Technologien, in allen Bereichen unseres Lebens, geschaffen wird.
Wie sehen Sie das Potenzial von Kryptowährungen, die auf einem Directed Acyclic Graph (DAG) aufbauen? Sind Sie die Zukunft?
Wir gehen davon aus, dass es verschiedene Technologieansätze für verschiedene Anwendungsbereiche geben wird. Grundsätzlich bedeutet ein dezentraleres Netzwerk auch mehr Sicherheit, was aber meist weniger Skalierbarkeit und höhere Kosten zur Folge hat. IOTA, ein Projekt, das an der sogenannten DAG Technologie feilt, zielt auf Skalierbarkeit ab und muss (bis dato) die Dezentralität noch künstlich erzeugen. Das Projekt will kostenfreie Mikrotransaktionen für das Internet der Dinge ermöglichen. Wir denken dass, wenn die Produzenten von Geräten, die in einem solchen IoT Netzwerk kommunizieren, auch Teil des IOTA Netzwerkes werden, das Problem von Dezentralität auch minimiert wird.
«Das Projekt will kostenfreie Mikrotransaktionen für das Internet der Dinge ermöglichen.»
Können Sie unseren Lesern das Ganze in einfachen Worten erklären?
Der grosse Vorteil der Blockchain-Technologie liegt darin, dass erstmals in der Geschichte der Menschheit Vertrauen bei Transaktionen nicht durch Drittparteien (wie Notar, Nationalbank, Geschäftsbanken, Einwohnermeldeamt), sondern durch die Technologie selbst ermöglicht wird. Das Vertrauen wird durch die Technologie sichergestellt. Blockchain Datenbanken sind in der Regel für jeden einsehbar, rückwirkend unveränderbar und somit auch weniger anfällig auf Hackerangriffe. Die Weiterentwicklung der Technologie in Richtung Smart Contracts, öffnet nun auch Tür und Tor für zusätzliche Effizienzsteigerung in allen nur denkbaren Bereichen der Ökonomie.
In welche Kryptowährungen investieren Sie persönlich und weshalb?
Wir investieren doch nicht in Kryptowährungen! Spass bei Seite, aber wir investieren natürlich nicht in jeden «Gspass». Verschiedene Technologieansätze sind interessant und daher stützen wir unsere Anlageentscheide auch auf das Potential in den Anwendungsfällen. Das Internet der Zukunft (Web 3.0) und das Internet der Dinge sind für uns beispielsweise sehr interessant. Ausserdem spannend ist die Schweizer Startup Szene und mit den Entwicklungen, die wir verfolgen, können wir zukünftig äusserst interessante Investitionsmöglichkeiten in Jungunternehmen, wieder mit mehr Beteiligungscharakter, erwarten. Leider reicht dann wohl das Portemonnaie doch nicht für alle guten Ideen.
Ab dieser Ausgabe des payoff magazine schreiben Sie monatlich Berichte in der Rubrik «The Blockchain Story». Wie kam es dazu?
Derivative Partners war uns natürlich schon länger ein Begriff. Ihr wart Pioniere im Bereich der strukturierten Produkte, als viele dem Thema, aus mangelndem Verständnis, noch äusserst kritisch gegenüberstanden. Ähnlich scheint es uns heute zu gehen. Deshalb freuen wir uns unglaublich, dass die Derivative Partners – vision& Partnerschaft zustande gekommen ist und es ist uns eine Ehre, unseren Research mit einem so etablierten Partner vertreiben zu können. Wir wollen unsere Kenntnisse und Erfahrungen im Blockchain Universum mit einer möglichst breiten Leserschaft teilen und freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit.
Welchen Mehrwert wollen Sie mit Ihrer Rubrik den Lesern des payoff magazine bieten?
Unser Ziel ist es, Licht in die Thematik zu bringen und den Lesern aufzuzeigen, wo die Technologie Anwendung finden kann und dass dies bereits an vielen Orten passiert. Man hört viel über die Technologie und wird mit ganz neuen Begriffen, wie «Node» und «Konsensus Algorithmus» konfrontiert. Viele versuchen, die Technologie im Detail zu verstehen. Das benötigt intensive Lektüre und grosses technisches Verständnis – dafür haben verständlicherweise nicht alle Zeit oder die Geduld. Wir verstehen auch nicht genau, wie der Google Algorithmus funktioniert, der immer weiss, wo ich in den Ferien war und was ich als nächstes essen werde. Leider ist die Blockchain Technologie für den Endnutzer noch nicht gut sichtbar. Das lässt oft an der Blockchain-Technologie zweifeln. Aber wir können Ihnen versichern, sie ist da. Wo genau wollen wir künftig aufzeigen.
Zum Schluss, wie sehen Sie die Entwicklungen der Blockchain- und Cryptoszene in der Schweiz?
Die Schweiz nutzt ihren Standortvorteil äusserst gut. Das liegt nicht nur an der Politik und dem Regulator, die überraschend offen mit der Thematik umgehen, sondern vor allem an den zahlreichen Jungunternehmern, die oftmals gut bezahlte Jobs verlassen, um etwas zu bewirken und an etwas Grossem teilzuhaben. Was für uns Schweizer eher untypisch scheint, erleben wir im Alltag aber oft anders. Wenn nun auch die Finanzbranche vorsichtig ihren Teil zu einer soliden Infrastruktur beiträgt, kann die Schweiz tatsächlich erneut ein Epizentrum von Service-Innovation und Knowhow werden. Speziell der Finanzindustrie würde eine Ausrichtung in die Zukunft guttun.
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VITA
Bevor sie ein Machine Learning Startup gegründet hat, war Lidia Bolla Managing Partner einer Beratungsboutique für quantitative Finanzfragen und in verschiedenen Asset Management Rollen bei grossen Finanzinstituten in Zürich, London und Hong Kong tätig. Lidia hat an der Universität St. Gallen mit einer Spezialisierung auf Asset Management promoviert.
Im Cross Asset Derivatives Bereich der Credit Suisse hat Jan Roth lange Zeit vermögende Private sowie institutionelle Kunden mit Derivatprodukten bedient und Tradeideen erarbeitet. Mit einem starken Interesse an Alternativen Anlagen, setzt er sich auch seit einigen Jahren mit der Blockchain Technologie auseinander und hat sich so ein ansehnliches Know-How und Netzwerk angeeignet. Jan hält ein MAS ZFH in Banking & Finance sowie ein CAIA Charter.