Optische Täuschung
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Tristan Hanson, Fondsmanger des M&G Global Target Return Fund
Vorsicht vor dem Reiz einer gut aussehenden Grafik: Es kann aus theoretischer und wirtschaftlicher Sicht eine fehlgeleitete Analyse sein.
Die Abbildung 1 „Passgenau“ habe ich von einem Broker erhalten. Sie stellt die 12-monatige Kursrendite des US-Aktienmarktes im Vergleich zu einer Umfrage über die Aktivität im US-Produktionssektor dar. Dabei zeigt ein Wert über 50 eine Expansion an und umgekehrt. Das Fazit des Brokers war eindeutig: „Wenn man den Konjunkturzyklus richtig einschätzt, liegt man auch am Aktienmarkt richtig“. Ganz einfach.
Das ist in der Tat einfach, aber auch überaus problematisch. Hauptsächlich aus zwei Gründen.
Prognostizieren der Vergangenheit
Erstens stellt das Diagramm Renditen eines vergangenen 12-Monats-Zeitraums im Vergleich zum Niveau der aktuellen Aktivität dar. Sicherlich sind es aber die zukünftigen Renditen, die uns interessieren? Die Börse ist sowohl Prädiktor als auch Determinante der zukünftigen wirtschaftlichen Aktivität. Sie bewegt sich in Erwartung eines zukünftigen Booms oder einer Rezession, und grosse Marktbewegungen beeinflussen die Spar- und Investitionsentscheidungen von Unternehmen und Haushalten.
In dem hier dargestellten Zusammenhang prognostizieren also vergangene Aktienmarktrenditen die zukünftige wirtschaftliche Aktivität, die Umkehrung der vom Broker hergeleiteten Kausalität. Eine positive Beziehung, wie sie in der Grafik dargestellt ist, sollte keine Überraschung sein. Die Kausalität zwischen Börse und Konjunktur verläuft in beide Richtungen.
Die Wahl des richtigen Zeitpunktes
Zweitens zeigt die Grafik Daten ab dem Jahr 2000. Warum ist das so, wenn es Zahlen gibt, die bis 1948 zurückreichen? Vielleicht liegt es an den dichteren Datenreihen in der jüngeren Vergangenheit. Dies gibt jedoch Grund zur Annahme eines strukturellen Bruchs der Daten. Sollen wir mal? Wenn wir alle Zahlen bis zum Beginn der Datenreihe berücksichtigen, ist die Korrelation schwächer. Die Stichprobenauswahl ist von grundlegender Bedeutung für jede statistische Analyse und deren Relevanz.
Wenn wir versuchen, die Beziehung zwischen dem heutigen Niveau des US ISM-Index des verarbeitenden Gewerbes und den zukünftigen Renditen des S&P 500 unter Verwendung der gesamten verfügbaren Stichprobe von Daten zu betrachten, scheint die Beziehung zwischen ihnen im Grunde genommen nicht existent zu sein (R2 von 0,08).
Der eine offensichtliche Zusammenhang – mit dem Vorbehalt, dass es nur wenige solcher Fälle gegeben hat – ist, dass sehr niedrige ISM-Werte (unter 40, d.h. tiefe Rezession) mit überdurchschnittlichen zukünftigen Börsengewinnen verbunden waren.
Die bisherige Diskussion dürfte dafür gesorgt haben, dass wir uns von der Vorstellung verabschieden können, dass Abbildung 1 bei der Vorhersage zukünftiger Aktienmarktrenditen hilfreich ist. Was aber, wenn Sie immer noch nicht überzeugt sind?
Was wäre, wenn wir den Zyklus vorhersagen könnten?
Damit das Diagramm Relevanz hat, wird davon ausgegangen, dass wir in der Lage sind, zukünftige wirtschaftliche Ergebnisse vorherzusagen – eine sehr heroische Annahme. Aber nehmen wir an, wir können das: Was sagen uns die Daten darüber, was wir von der Börse erwarten können?
Ich habe den gesamten Datensatz ab 1948 verwendet, um eine lineare Regression der US- Börsenkursrenditen gegen Abweichungen des ISM-Index für das verarbeitende Gewerbe von 50 (die Expansions-/Kontraktionsschwelle) abzuleiten. Der Koeffizient des ISM ist statistisch signifikant, ebenso wie der Schnittpunkt, und weist eine erwartete Kursrendite von 6,3% plus/minus 0,9% für jede 1-Punkt-Abweichung im ISM-Index über/unter 50 für den einzelnen Monat und damit 12 Monate auf.
Ungeachtet des erheblichen Problems der Überschneidung von Datenpunkten und der Gültigkeit der Verteilung, die ich den Daten auferlegt habe: Wie eng ist die Korrelation und wie vertrauenswürdig die Schätzung? Die Antwort lautet: sehr wenig. Angenommen, wir können das Niveau des ISM 12 Monate vorhersagen (viel Glück!). Die Vorhersagekraft der Regression ist sehr begrenzt, da die Standardfehler hoch sind. Nehmen wir zum Beispiel ein Niveau des ISM von 50 an. Für alle Monate, in denen das Niveau des ISM von 50 beobachtet wird, sollten wir erwarten, dass die Hälfte der Kursrenditen im Bereich von -3% bis +16% und die Hälfte der Beobachtungen ausserhalb dieses Bereichs liegen werden.
Aus statistischer Sicht kaum eine sehr hilfreiche Schlussfolgerung. Und aus den bereits oben genannten Gründen, eindeutig eine fehlgeleitete Analyse aus theoretischer und wirtschaftlicher Sicht. Wenn Sie also das nächste Mal eine verlockende Grafik sehen, seien Sie vorsichtig!