RWE: Vom Krisenkonzern zum DAX-Highflyer
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Martin Raab
Der deutsche Energieversorger kommt immer besser mit den Folgen des Atomausstiegs zu Recht. Analysten trauen der seit Monaten haussierenden RWE-Aktie weitere Kursgewinne zu.
Am 30. Juni 2011 traf der Deutsche Bundestag eine weitreichende Entscheidung. Das Parlament segnete den von Bundeskanzlerin Angela Merkel angestossenen Atomausstieg ab. Den grossen deutschen Versorgern wurde damit quasi über Nacht die Geschäftsgrundlage entzogen. Entsprechend geriet der Sektor an der Börse tief ins Abseits. Gut sechs Jahre nach dem historischen Beschluss läuft ein eindrucksvolles Comeback. Wobei vor allem die jüngste Kursentwicklung von RWE aufhorchen lässt: Mit einem Plus von knapp drei Vierteln führt die Aktie im bisherigen Jahresverlauf das DAX-Performance-Ranking an.
Die aktuellen Zahlen des Versorgers zeigen, dass sich das Blatt tatsächlich wenden könnte. Im ersten Halbjahr steigerte RWE das operative Ergebnis (bereinigtes Ebitda) um 7% auf EUR 3.2 Mrd. Damit erfüllt das Unternehmen in etwa die Erwartungen. Nach Angaben von CEO Rolf Martin Schmitz ist der Energiehandel nach einem ungewöhnlich schwachen Vorjahr in die Erfolgsspur zurückgekehrt. Der grösste Teil des Ebitda kommt jedoch von der Tochter Innogy. Das selbst börsenkotierte, auf nachhaltige Energieversorgung spezialisierte Unternehmen steigerte das Ergebnis im ersten Halbjahr um 2.3% auf EUR 2.4 Mrd. Für den RWE-Konzern als Ganzes peilt der CEO in 2017 weiterhin ein bereinigtes Ebitda von EUR 5.4 bis 5.7 Mrd. sowie einen bereinigten Überschuss zwischen EUR 1.0 und 1.3 Mrd. an. Neu ist, dass Schmitz aus heutiger Sicht das obere Ende der genannten Spannen erreichen möchte. «Die Chancen stehen also gut, dass wir zum Jahresende eine erfreuliche Gesamtbilanz ziehen können», erklärt der Top-Manager.
Mit EUR 20.90 markierte die RWE-Aktie neun Tage nach der Zahlenvorlage das höchste Niveau seit Juni 2015. Damit konnte der Large Cap den horizontalen Widerstand im Bereich von EUR 20 hinter sich lassen. Das Gros der Analysten rechnet damit, dass die Aufholjagd weitergeht. Auf Reuters lautet der Rating-Konsens aktuell «Outperform». Unter anderem hat sich Goldman Sachs gerade positiv zu den deutschen Versorgern geäussert. Nach Ansicht der Analysten der US-Grossbank ist der Sektor ein «Place to be». Neben den guten Wachstumsaussichten für erneuerbare Energien begründen sie diese Einschätzung mit den gestiegenen Kohlepreisen. RWE zählt zu den Aktien, die eine Kaufempfehlung erhalten. Goldman Sachs taxiert das Kursziel für den DAX-Highflyer auf EUR 23.70. Damit räumt das Institut dem Titel auf aktueller Basis ein Potenzial von knapp 14% ein.
Anlagekonklusion
Am Schweizer Derivatmarkt sind immerhin 40 Hebelprodukte auf die Stammaktie von RWE handelbar. Dazu zählt der Call-Warrant RWEJJB von Julius Bär. Aktuell zeigt der bereits im Geld notierende Schein einen Hebel von 6.5. Während der Warrant zwingend auf steigende Kurse angewiesen ist, zielt der Barrier Reverse Convertible RRWAHV auf eine Konsolidierung der Versorgeraktie ab. Solange RWE nicht auf oder unter die Barriere bei EUR 14.11 abtaucht, ist die Seitwärtsrendite von 4.8% p.a. fix. Reicht das Polster von aktuell 32.1% nicht, liefert Vontobel Aktien. Nach einem Barrierebruch wären Produktinhaber also dem vollen Kursrisiko von RWE ausgesetzt.