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payoff Interviews

«Schwellenländer kehren zurück in den Fokus»

10.01.2019 6 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Paolo Corredig, Country Head Switzerland beim US-Vermögensverwalter T. Rowe Price, wirft einen Blick ins neue Jahr und beleuchtet die Perspektiven der Finanzmärkte.

Herr Corredig, auf welche Taktgeber blickt ein Anlagestratege, wenn er seine Prognosen für 2019 schreibt?
Wie die meisten Menschen geht auch unser Investment Team davon aus, dass sich das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr verlangsamen wird. Die Expansion scheint ihr Hoch erreicht zu haben, zumal die USA in der Spätphase ihres Konjunktur- und Zinszyklus angelangt sind. Die tendenziell straffere Geldpolitik der Notenbanken, die zu anhaltend hohen Schwankungen sowohl an den Aktien- wie auch an den Obligationenmärkten führen dürfte, wird auch im nächsten Jahr eine Herausforderung. Hinzu kommen die weiterhin ungelösten Probleme in Europa, allen voran der Brexit, die Lage in Italien und Frankreich sowie der fortgesetzte Aufstieg populistischer «Anti-Establishment»-Kräfte. Mit Blick auf Value versus Growth dürften Wachstumsaktien weiterhin die Nase vorn haben, weil der säkulare Megatrend im Technologiebereich in vielen Industriezweigen zu Disruptionen führen wird. Das Momentum für Growth-Titel wird daher weiterhin stark bleiben, der Graben zwischen Value und Growth wird weiterhin bestehen.

 

Ist es wahrscheinlich, dass die EZB die Zinsen bereits im kommenden Jahr erhöhen wird?
Wir glauben, dass das Tapering der Europäischen Zentralbank noch länger auf sich warten lässt. Sie wird eher zurückhaltend agieren und die Zinsen erst in 2020 anheben. Dazu trägt auch der Wechsel an der Spitze bei. Hier wird man abwarten müssen, wie sich der Nachfolger von EZB-Chef Draghi verhält. Möglicherweise hält er zunächst die Füsse still, um der Notenbankpolitik nach drei bis sechs Monaten seinen persönlichen Stempel zu geben. 

 

Im Handelskrieg zwischen den USA und China wurde im Dezember eine Feuerpause von 90 Tagen ausgerufen. Wie wird es da weitergehen? Was sind Ihre Erwartungen?
Unsere Investment Experten gehen davon aus, dass sich der Handelskonflikt zwischen den USA und China fortsetzen wird — vor allem, weil es im Grunde darum geht, wer langfristig die globale Technologie-führerschaft übernimmt. Hier werden die Karten in den nächsten fünf bis zehn Jahren neu gemischt. Der Zollstreit ist hier nur ein Nebenschauplatz. Vor diesem Hintergrund wird die Volatilität hoch bleiben.

 

«Wir glauben, dass das Tapering der Europäischen Zentralbank noch länger auf sich warten lässt.»

 

Welche Folgen wird Ihr Szenario auf die Märkte haben?
Natürlich bietet eine hohe Volatilität auch Chancen: Sollte der Handelskonflikt beigelegt werden – jüngste Ereignisse deuten zumindest auf eine Entspannung – könnten sich beispielsweise bei chinesischen Wertpapieren Kaufgelegenheiten auf sehr günstigem Niveau ergeben.

 

Welche Stimmung nehmen Sie aktuell bei Ihren Kunden – gerade auch bei den grossen institutionellen Investoren – wahr?
Institutionelle Anleger denken langfristig – nicht zuletzt, da auch ihre Verbindlichkeiten langfristiger Natur sind. Vor diesem Hintergrund lassen sie sich weniger von Marktturbulenzen mitreissen und reagieren somit gänzlich anders, als Privatkunden. Wir stellen fest, dass sie weiterhin nach Lösungen suchen, ihr Portfolio intelligent zu diversifizieren, um ihre Renditeziele zu erreichen – ohne Hektik oder Nervosität.

 

Welche Anlagestrategie empfehlen Sie für Europa?
Unsere Kunden haben in der Regel eine klare Vorstellung davon, wo sie ihr Geld anlegen wollen. Um diese Anforderungen zu erfüllen, bieten wir Ihnen — abhängig von ihrem Bedarf — eine Reihe von Fonds in Europa an. Ich kann Ihnen jedoch sagen, dass unser Asset Allocation Team derzeit Europa leicht übergewichtet hat, weil der Markt, insbesondere im Vergleich zu den USA, unterbewertet ist. Zudem finden wir hier viele florierende Unternehmen im Small- und Midcap-Bereich, die hohe Marktanteile besitzen und weiter stark wachsen.

 

Die Zinskurve in den USA hat sich abgeflacht. Respektive Anfang Dezember lag die Rendite fünfjähriger Treasury Bonds unterhalb der Zweijährigen. Welche Auswirkungen wird das auf das Jahr 2019 haben?
Den eigentlichen Grund dieses Phänomens, sehen wir in der aktuellen Notenbankpolitik. Während die US-Notenbank Fed die Zinsen am kurzen Ende erhöht hat, wurde das lange Ende durch die hohe Nachfrage — vor allem institutioneller Investoren — nach Anleihen mit einer nennenswerten Rendite nach unten gedrückt. Das Wirtschaftswachstum in den USA zeigt sich weiterhin stabil bei einer niedrigen Arbeitslosigkeit. Daher spricht sehr wenig für eine Rezession im kommenden Jahr. Somit wird nach unserer Einschätzung 2019 weiterhin ein gutes Jahr sein, ohne Anzeichen eines Abschwungs.

 

Was erwarten Sie im kommenden Jahr von der SNB?
Sie wird im Windschatten der EZB segeln. Ob sie allerdings tatsächlich nachziehen wird, wenn die EZB die Zinsen anheben sollte, erscheint fraglich. Denn das würde den Franken weiter aufwerten und in der Folge die Exportindustrie schwächen – was nicht im Interesse der SNB Politik ist.

 

Was erwarten Sie vom neuen Börsenjahr ganz generell? Wie soll sich der Schweizer Anleger positionieren?
Als chancenreich erachten wir die in diesem Jahr stark zurückgekommenen Emerging Markets, allen voran Asien und Lateinamerika. Denn viele Staaten stehen heute fundamental deutlich besser da, als in den vergangenen Jahren. Aussichtsreich sind Obligationen in lokalen Währungen, hier vor allem Unternehmensanleihen, aber auch in Hartwährungen notierende Staatsanleihen. Darüber hinaus halten wir ein Wiedererstarken von Europa für möglich, das derzeit noch hinterherhinkt. Japan wird vermutlich stärker unter dem Handelskonflikt mit den USA leiden, weil das Land eng mit den Vereinigten Staaten verflochten ist und gleichzeitig zu den stärksten Handelspartnern Chinas zählt. Die amerikanischen Aktienmärkte wiederum erscheinen wegen des weit fortgeschrittenen Konjunkturzyklus weniger geeignet für Anleger.

 

Herzlichen Dank!

 

VITA

Paolo Corredig ist Länderchef von T. Rowe Price in der Schweiz. Er stiess Anfang August 2012 als Head of Intermediary Business zum Unternehmen. Zuvor war er bei Invesco Schweiz tätig, wo er während sechs Jahren den Fondsvertrieb leitete. Davor arbeitete er in verschiedenen Positionen bei der Basler Bank Sarasin (heute J. Safra Sarasin) sowie im Vertrieb bei Julius Bär, der Dresdner Bank und bei Zurich Financial Services.

 

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