Trump knöpft sich die Bereiche Technologie und Handel vor – eher markige Worte als Taten
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Salman Ahmed, Chief Investment Strategist
An den Aktienmärkten findet erneut eine Korrektur statt. Die Ausverkäufe werden vor allem durch die Bedenken bezüglich eines von den USA angefachten Handelskrieges und der Krise im Tech-Sektor mit drohenden stärkeren regulatorischen Vorgaben getrieben. Hier eine Analyse.
Nach einer Stabilisierung Mitte Februar kommt es an den Aktienmärkten nun erneut zu einer Korrektur. Bestimmend sind unserer Ansicht nach folgende Faktoren:
1. Verstärkte Bedenken wegen der US-Handelspolitik und der damit verbundenen gestiegenen Gefahr eines weltweiten Handelskrieges; und
2. die Folgen des Skandals um Facebook – Cambridge Analytica; das heisst, die potenziellen Auswirkungen der zunehmenden Überprüfung der Geschäftsmethoden grosser Technologieunternehmen durch den Staat. Darüber hinaus lasten die fortlaufenden Angriffe von US-Präsident Trump auf Amazon sowie Fragen um die Zahlungsmittelverwendung bei Tesla auf dem Tech-Sektor.
Trotz der gestiegenen Marktvolatilität und des Abverkaufs bei Aktien sind wir der Ansicht, dass die grundsätzlichen gesamtwirtschaftlichen Perspektiven weltweit nach wie vor positiv sind. Nachfolgend betrachten wir einige der jüngsten makroökonomischen Risiken mit Blick auf die Kapitalmärkte und erörtern Entwicklungen, die Anleger unserer Meinung nach weiter im Auge behalten sollten.
Technologiewerte – eher einzelwertspezifisch als makroökonomisch
Im Abwärtssog der sogenannten „FAANG“-Werte (Facebook, Apple, Amazon, Netflix und Google) sind die Kurse von Technologieaktien in den vergangenen Tagen unter erheblichen Druck geraten. Dabei hat das Exposure gegenüber risikobehafteten Momentum-Strategien eine Rolle gespielt. Doch die eigentlich treibende Kraft für die Kursbewegungen bei den marktführenden Tech-Titeln ist die Aussicht auf verstärkte regulatorische Überprüfungen. Am schwerwiegendsten ist unserer Meinung nach der Fall Facebook, wo mögliche Änderungen der Datenschutzgesetze nach dem Skandal um Cambridge Analytica das Potenzial haben, ernsthafte Zweifel an der derzeitigen Unternehmensstrategie von Facebook aufkommen zu lassen, die vorwiegend darauf basiert, Nutzerdaten zu Geld zu machen.
Abgesehen von den aufkommenden Fragen zum langfristigen fundamentalen Wert von Facebook gibt es noch breiter angelegte Bedenken. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang Befürchtungen von umfassenderen Vorschriften (z.B. zur steuerlichen Behandlung von E-Commerce) sowie der Ansteckungseffekt auf den gesamten Sektor – und damit den Markt selbst. Wir glauben, dass diese Bedenken sowohl mit den aktuell hohen Bewertungen als auch mit dem bisherigen Momentum
verknüpft sind, d. h., der Technologiesektor war in jüngster Zeit der Gewinner in Sachen Performance. Nach unserem Dafürhalten stellen die aktuellen (und möglicherweise anhaltenden) Schwankungen an sich keine makroökonomische Gefahr dar, besonders weil die verschiedenen Tech-Unternehmen ganz unterschiedlich aufgestellt sind und sich regulatorische Änderungen – die mit Blick auf Umfang und Terminierung noch unsicher sind – wahrscheinlich auf einzelne Gesellschaften konzentrieren werden.
LIBOR-OIS – freundliche Erklärungen für den „Death Spread“
Im Bereich festverzinslicher Anlagen zieht der starke Anstieg beim Spread zwischen LIBOR (London Interbank Offered Rate) und OIS (Overnight Indexed Swap) für US-Dollar inzwischen eine Menge Aufmerksamkeit auf sich. Während der Finanzkrise 2008/2009 war dieser sogenannte „Death Spread“ ein wichtiger Gradmesser für systemische Risiken im Finanzsektor. Wir schliessen uns dem sich herausbildenden Konsens an, dass der aktuelle starke Anstieg durch marktspezifische Faktoren bestimmt wird und in Bezug auf die Verfassung des Finanzsektors wenig aussagekräftig ist. Wesentliche treibende Faktoren für die derzeitige Erhöhung des Spreads zwischen LIBOR und OIS sind unter anderem:
• Der starke Anstieg von Anleihe- Emissionen nach der Anhebung der US-Schuldenobergrenze; und
• die Rückführung von US-Dollar von US-Unternehmen. Diese steht teilweise im Zusammenhang mit der Steuer gegen die Aushöhlung der Bemessungsgrundlage und gegen Missbrauch («Base Erosion and Anti-Abuse Tax», kurz BEAT), die es nach der Steuerreform von Dezember 2017 für nicht US-amerikanische
Unternehmen teurer macht, an Offshore-Märkten US-Dollar über Cross Currency Swaps aufzunehmen.
Darüber hinaus können wir keine Anhaltspunkte für ähnliche Bewegungen bei anderen Währungspaaren feststellen – ein weiterer Beleg für unsere These, dass dies ein spezifisches Phänomen desUS-Dollars ist.
Das wesentliche Risiko besteht hier darin, dass aus der Schwäche des US-Dollars an Offshore-Märkten eine starke Aufwertung des US-Dollars wird, was unserer Ansicht nach den Druck auf risikoreiche Anlagen im derzeitigen Umfeld weiter erhöhen würde. Insgesamt betrachten wir die starken Veränderungen dieses Spreads nicht als systemisch. Und wir beobachten die Situation genau, damit wir erkennen, wann der starke Anstieg bei den Finanzierungskosten von US-Dollar an Offshore-Märkten die Währungsdynamik zu beeinflussen beginnt.
Handel – eher markige Worte als Taten
Die zunehmenden Bedrohungen durch Protektionismus bringen die Märkte aus der Ruhe. Die Wahrscheinlichkeit eines umfassenden Handelskrieges ist in den vergangenen Wochen grösser geworden, nachdem die USA Zölle auf die Einfuhr von Stahl, Aluminium und chinesischen Waren im Wert von etwa 60 Mrd. US-Dollar erhoben haben und China mit der Verhängung von Zöllen auf Waren aus den USA im Wert von 50 Mrd. US-Dollar reagiert hat. Wir konzentrieren uns seit Herbst vergangenen Jahres auf die Gefahr des zunehmenden Protektionismus und sind der Auffassung, dass die derzeitigen NAFTA-Neuverhandlungen gut als Indikator für den umfassenden Ansatz der Trump-Regierung herhalten können.
Schaut man aus diesem Blickwinkel auf dieses Thema, scheint sich ein Verhandlungsmuster herauszubilden, wonach die USA medienwirksam hohe Forderungen stellen, dann den Ausstieg aus den Gesprächen androhen und schliesslich ihre Forderungen abschwächen. Dies geschieht offensichtlich gerade bei der Ursprungsregeln-Klausel der NAFTA. Und auch bei Stahl und Aluminium findet es seinen Widerhall: Nachdem sie weitreichende Zölle bekannt gegeben und anschliessend von den möglichen Vergeltungsmassnahmen durch Handelspartner wie die EU erfahren hatten, gaben die USA eine Liste mit Ausnahmen bekannt, auf der auch ihre wichtigsten Handelspartner für diese Materialien stehen.
Wir sind der Ansicht, dass die Bekanntgaben von US-Präsident Trump darauf abzielen, seiner Anhängerschaft zu zeigen, dass er es in Sachen Protektionismus ernst meint. Schlussendlich sind die Ergebnisse jedoch viel versöhnlicher als die ursprünglichen Forderungen. Zudem ist nach Chinas Ankündigung von Vergeltungsmassnahmen für die US-Zölle nun die Trump-Regierung am Zug und muss entscheiden, ob sie den Konflikt eskalieren lassen will.
Inflation – das in Vergessenheit geratene Risiko
Angesichts der gestiegenen Volatilität an den Finanzmärkten sind die Inflationsängste der Anleger in den Hintergrund getreten,. Dies ist interessant, da das überraschend starke Lohnwachstum in den USA als Auslöser für die erste Phase der Marktkorrektur Anfang Februar betrachtet wurde. Das gebremste Lohnwachstum im März-Bericht hilft vielleicht, die Inflationssorgen zu mindern. Dennoch halten wir an unserer seit langem bestehenden Auffassung fest, dass die Teuerung dieses
Jahr zunehmen wird, und wir sind auch weiterhin der Ansicht, dass sich der Inflationsdruck ab Mitte des Jahres wahrscheinlich verstärken wird. Unserer Meinung nach wird die fortwährend angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt, wo das Marktgleichgewicht nicht ganz erreicht wird, weiter Druck auf das Lohnwachstum und die Preisentwicklung ausüben. Zudem werden die US-Dollar-Abwertung und die seit Jahren gestiegenen Rohstoffpreise unserer Überzeugung nach auch eine Rolle dabei spielen, die Kerninflation anziehen zu lassen (siehe Commodity prices and inflation). Dies wird, über die Inflationserwartungen, weiter Druck auf die Renditen von Emissionen des US-Schatzamtes ausüben, und es untermauert unsere Ansicht, dass die US-Notenbank die Zinsen in diesem Jahr drei weitere Male anheben wird.
Risikoaversion, US-Staatsanleihen und der US-Dollar – Ausländer meiden weiterhin T-Bonds
Sehr interessant in Bezug auf die Risikoaversion bei Anlegern war das Verhalten des US-Dollars und der Emissionen des US-Finanzministeriums. Normalerweise führen mehr Risikoaversion und ein Abverkauf von Aktien zu mehr Nachfrage nach beiden Anlagen, und in der Folge ziehen die Kurse an. Doch beim derzeitigen Abverkauf ist der US-Dollar stabil geblieben, nachdem er etwa ein Jahr lang im Abwärtstrend gelegen hatte. Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen wiederum sind zwischen Februar und dem Zeitpunkt der Abfassung dieses Berichts weitgehend stabil geblieben und in der vergangenen Woche nur um rund 10 Basispunkte gefallen.
Gegenüber dem Rückgang um ca. 30 Basispunkte bei Bundesanleihen, britischen Gilts, kanadischen und australischen Anleihen seit Mitte Februar ist dieser Rückgang sehr gering. Dies lässt vermuten, dass einige der Faktoren, die zur Abwertung des US-Dollars und zum Anstieg der Renditen von US-Staatsanleihen geführt haben, wahrscheinlich noch im Spiel sind. Das wiederum bedeutet, dass die Nachfrage von Ausländern nach diesen Anlagen nach wie vor schwach ist, teilweise bedingt durch die politische Unsicherheit und die Absicherungskosten.
Die verhaltenen Bewegungen beim US-Dollar und bei US-Staatsanleihen könnten Auswirkungen auf Anleger haben, die zur Absicherung ihres Portfolios auf diese historischen Beziehungen bauen; in der Vergangenheit erhielten Investoren in Zeiten von Kursrückgängen an den Aktienmärkten durch sinkende Renditen und steigende Anleihekurse teilweise einen Ausgleich. Ferner lässt diese Entwicklung vermuten, dass der US-Dollar – sobald sich die Risikobereitschaft stabilisiert hat – voraussichtlich weiter abwerten und die Renditen von US-Schatzpapieren weiter steigen werden.
Auswirkungen auf die Anlagetätigkeit
Wie wir schon seit einiger Zeit erklären, ist die Zeit des freundlichen Anlageumfelds aus dem Jahr 2017 vorbei. Jedoch halten wir angesichts des weiter positiven makroökonomischen Umfelds mit anhaltend robustem weltweitem Wachstum und steigenden Zinsen an unseren positiven Aussichten für risikoreiche Anlagen fest. Da aber die Volatilität bestehen bleibt und die politische Unsicherheit anhält, müssen Anleger ihr Engagement im Zuge der sich im aktuellen Umfeld möglicherweise ergebenden Chancen kritisch prüfen. Zu Schwellenländern sind wir nach wie vor vorsichtig positiv eingestellt. Allerdings wird die gestiegene Gefahr eines Handelskrieges wahrscheinlich weiter auf der Performance lasten, bis sich die Unsicherheit auflöst.