Über den Wolken ist Vorsicht geboten
-
Axel Brosey, Aktienfondsmanager
Mit dem Start der Ferienzeit beginnt für die Fluggesellschaften die Hochsaison. Doch den steigenden Passagierzahlen stehen strukturelle Herausforderungen der Branche gegenüber und lasten auf der Profitabilität der Airlines.
Es war ein Rekordjahr für die internationale Luftfahrtindustrie: Ob Barcelona, die Côte d’Azur oder New York – noch nie haben die Fluggesellschaften mehr Menschen an ihre Reiseziele gebracht als im vergangenen Jahr. Weltweit wurden 4,1 Milliarden Passagiere transportiert. Das sind 7,1 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Damit wuchs die Nachfrage stärker als die verfügbare Systemkapazität. Gleichzeitig sorgte die fortschreitende Konsolidierung bei den verbleibenden Airlines für Auftrieb: Nach Alitalia und Air Berlin meldete auch Monarch Airlines Insolvenz an. Von den Pleiten im stark fragmentierten und entsprechend wettbewerbsintensiven Markt profitierten die starken Unternehmen. Weniger Wettbewerb bei steigenden Passagierzahlen bedeutet mehr Preissetzungsmacht. Zusätzlich senkte der niedrige Ölpreis die Kerosin-Ausgaben und beflügelte die operativen Gewinne. Sonnige Aussichten auch für dieses Jahr – sollte man meinen.
Neue Rekorde über den Wolken
Denn die Wirtschaft läuft seit langer Zeit auf Hochtouren. Die robuste Konjunktur verleiht gerade den Verkehrsunternehmen neue Triebkraft. Auch der allgemeine Trend hin zu mehr Flugreisen, insbesondere zu Fernreisen, ist ungebrochen. Mit Online-Reiseportalen ist der Urlaub nur wenige Mausklicks entfernt. So ist die Buchung schnell und unkompliziert möglich. Laut Luftfahrtverband International Air Transport Association (IATA) dürfte sich die Zahl der Fluggäste bis 2036 auf etwa 7,8 Milliarden Menschen nahezu verdoppeln.
Doch trotz steigender Passagier- und Umsatzzahlen senkte IATA zuletzt die Gewinnprognose auf rund 34 Milliarden US-Dollar. Im herausragenden Jahr 2017 beliefen sich die Reingewinne der 290 Mitglieder des Verbands noch auf 38 Milliarden US-Dollar. Hier machen sich die Unwägbarkeiten der Branche bemerkbar.
Sand im Getriebe
Das spiegelt auch die Entwicklung des MSCI World Airlines-Index: Nachdem der Kurs 2017 rund 34 Prozent zulegte und damit das überaus erfolgreiche Jahr für die gesamte Branche zum Ausdruck brachte, hat sich die Flughöhe im laufenden Jahr reduziert. Seit der Jahreswende ist der Kurs um gut zehn Prozent gefallen – zwar bewegt sich der Index im langjährigen Vergleich immer noch auf sehr hohem Niveau. Es macht sich aber sowohl in den Prognosen der Airlines als auch in den Aussichten des Branchenverbandes IATA Vorsicht breit. Insbesondere der schwelende Handelskonflikt mit den USA und der Anstieg des Erdölpreises drücken auf die Stimmung. Lag der Kurs für ein Fass der Sorte Brent im Sommer 2017 noch bei unter 50 US-Dollar, wurden vor wenigen Wochen Preise um 80 US-Dollar erreicht. Der steigende Ölpreis und damit höhere Treibstoffkosten belasten die Ertragslage der Airlines.
Daneben kämpft die Branche in Europa mit strukturellen Themen: Es herrscht ein harter Wettbewerb seit der Liberalisierung des Marktes. Billiganbieter wie Ryanair, Easyjet und Wizz Air stossen mittlerweile auch auf die etablierten Flughäfen wie Frankfurt am Main oder Madrid vor. Das starke Kapazitätswachstum der Low-Cost-Carrier kann nicht komplett vom guten Nachfragewachstum aufgefangen werden. Es gibt schlichtweg zu viele Airlines, die sich gegenseitig die Passagiere wegnehmen. Das drückt auf die Preise. Dazu kommt, dass mit Flughafengebühren, Crew, Wartung und Sprit die Kosten bei Fluglinien sowieso recht hoch ausfallen.
Intensiver Wettbewerb auf der Kurzstrecke
Von Köln nach Berlin für unter zehn Euro: Die Billigfluggesellschaften stellen Kampfkonditionen und bringen damit Airlines wie Lufthansa, IAG und Air France-KLM unter Druck. Die Low-Cost-Carrier verzichten auf Komfort, den es bei klassischen Fluggesellschaften gibt. Dadurch haben sie die niedrigsten Kosten pro Passagier und können somit günstigere Preise anbieten. Das Point-to-Point-Streckensystem – der direkte Verkehr zwischen zwei Städten, wo im besten Fall an beiden Punkten eine hohe Nachfrage besteht – löst immer stärker die Kurzstreckenflüge der grossen Airlines ab. Bei einer hohen Auslastung können die Billiganbieter echte Kostenvorteile erzielen. Die Frequenz der eingesetzten Flüge und die Ticketpreise locken auch Bus- und Bahnkunden an. So konnten die Billigflieger ihre Position in den vergangenen Jahren stark ausweiten.
Der Marktanteil von Ryanair in Europa 2017 ist mit 16 Prozent mittlerweile genauso groß wie der von Lufthansa. Die britische Easyjet liegt bei zehn Prozent. Auf der Langstrecke sind dagegen ausschliesslich die grossen Fluggesellschaften erfolgreich unterwegs, die hier auf das effiziente Hub-and-Spoke-System und damit auf ein zentrales Drehkreuz wie Frankfurt setzen.
Auf Sicht fliegen
Der Blick auf die Luftfahrtbranche fällt also insgesamt gemischt aus: Die Konjunkturaussichten bleiben für 2018 gut, ebenso wie die Nachfrage bei Flugreisen – vor allem in den Sommermonaten. Steigende Kosten, insbesondere beim Kerosin, und Kapazitätsausweitungen der Billiganbieter in dem sowieso schon wettbewerbsintensiven Umfeld stellen alle Airlines vor Herausforderungen. Das wird sich bei den Gewinnen und damit auch den Margen bemerkbar machen. Aktuell ist über den Wolken Vorsicht geboten.