«Wesentlich für die Vermögensbildung ist die eigene Altersvorsorge.»
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Dieter Haas
Stefan Mächler, Mitglied der Konzernleitung und Group Chief Investment Officer der Swiss Life-Gruppe, über das Tiefzinsumfeld, die Renditen bei Immobilien, die regulatorischen Anforderungen, die Altersvorsorge 2020 sowie seine persönliche Vermögensanlage.
Versicherungen legen das Kapital der Versicherten sehr langfristig an und müssen aber jederzeit strikten Solvenzanforderungen genügen. Parallel zeigt sich in den Obligationenmärkten eine Blasenbildung. Wie begegnen Sie den gegenwärtigen Risiken?
Als Versicherer sind wir es gewohnt, langfristige Verbindlichkeiten einzugehen und diese auch bedienen zu können. Dazu braucht es ein dynamisches Asset-Liability-Management, um die Fristigkeit der Verbindlichkeiten und Anlagen abzugleichen. Das ist ein ständiger Prozess. Bei steigenden Zinsen sinkt zwar der Wert des Obligationenportfolios, auf der anderen Seite sinkt jedoch auch der «Wert» der Verbindlichkeiten. So lange sich die Wertveränderungen der Obligationen und der Verpflichtungen parallel entwickeln, ist das Risiko eines Verlusts praktisch ausgeschaltet.
Swiss Life plant am Investorentag im November die neue Strategieperiode 2016 bis 2018 zu erläutern. Die Ziele der laufenden Strategieperiode bis Ende 2015 sind bereits weitgehend erfüllt. In welche Richtung wird es mit Ihrem Bereich Swiss Life Asset Managers gehen?
Swiss Life Asset Managers hat zwei Kernbereiche: Erstens verwalten wir die Vermögenswerte unserer Versicherungsgesellschaften. Wie wir in der Vergangenheit bewiesen haben, sind wir in der Lage, unseren Versicherten attraktive und sichere Erträge zu erwirtschaften und gleichzeitig die Zinsmarge langfristig zu sichern.
Sie haben im letzten Jahr Nettoneugelder von 4,5 Milliarden erzielt, im ersten Quartal 2015 1,5 Milliarden. Woher kommt das Geld?
Der grösste Teil stammt von institutionellen Kunden aus der Schweiz und Frankreich. Wir profitieren von einem starken Namen und von unserer Glaubwürdigkeit aus unserer Anlagetätigkeit im Versicherungsgeschäft. Ich denke, entscheidend ist aber vor allem unsere gute Performance und dass wir gerade im Niedrigstzinsumfeld über ein attraktives und solides Angebot in den Bereichen Obligationen, gemischte Mandate und Immobilien verfügen.
Herr Mächler, angenommen, die durchschnittlichen Zinsen in der Schweiz, Deutschland und Frankreich steigen entweder auf 3% oder sinken auf -3%. Welches Szenario hätte welche Konsequenzen für die Swiss Life?
Aus dem Blickwinkel des Lebensversicherungsgeschäfts sind steigende Zinsen per se ein gutes Szenario. Im Moment liegt die Mindestverzinsung für das obligatorische Kollektivgeschäft rund 1,75% höher als die der zehnjährigen Eidgenossen, welche bei ca. 0% liegt. In diesem Umfeld ist die Neugeldanlage eine Herausforderung. Wir haben aufgrund unserer langen Assetduration aber eine tiefe Wiederanlagequote und müssen nur rund 4% unserer Anlagen jährlich neu anlegen. So können wir die laufende Rendite auf einem hohen Niveau halten. Je tiefer der absolute Zins fällt, desto schneller sinkt auch die laufende Rendite. Sollten die Zinsen, wie von Ihnen beschrieben, nachhaltig und langfristig auf -3% fallen, dann hätte dies meiner Meinung nach auch ernst zu nehmende makroökonomische Auswirkungen.
Wie wirken sich die regulatorischen Anforderungen, Stichwort SST und Solvency II, auf die Anlagetätigkeit aus?
Isoliert für die reine Anlagetätigkeit sind grundsätzlich zuerst die spezifischen Anlagerichtlinien der Regulatoren in den einzelnen Ländern entscheidend. Weil die Solvenzvorschriften wie SST und auch Solvency II anhand von Risikomodellen die Kapitalanforderungen einzelner Anlageklassen im Zusammenspiel mit den Verpflichtungen bestimmen, sind die Solvenzvorschriften entsprechend relevant und beeinflussen das Anlageverhalten. Wir legen zwar auf Sicht von Jahrzehnten an, werden aber auf Jahresbasis reguliert. Da lohnt es sich für uns als Lebensversicherer beispielsweise nicht, Risiken in Form einer hohen Aktienquote einzugehen. Dafür haben wir aber knapp 40% Firmenanleihen auf der Bilanz, welche wir als effizientes Substitut für Aktien halten. Aufgrund von Studien hat man gute Vergleiche, die zeigen, dass der SST für Lebensversicherer sehr viel strenger ist als Solvency II in der EU.
Sie sichern Ihre Wechselkursrisiken nahezu vollständig und vorwiegend über Zinsderivate ab? Wie hoch schätzen Sie die Ausfallrisiken von Zinsderivaten im «Worst Case»?
Jetzt wird es etwas technisch: Wir sichern unsere Wechselkursrisiken nicht mit Zinsderivaten ab, sondern mit FX Forward Kontrakten. Zinsderivate setzen wir ein, um die Laufzeit der FX-Absicherungen zu managen. Dabei wird die Wertveränderungen von Zins- und FX-Derivaten mittels «collateral calls» zwischen Swiss Life und der Bank, mit welcher wir die Derivat-Transaktionen eingegangen sind, auf täglicher Basis neutralisiert. Das heisst: Sollte die Gegenpartei plötzlich insolvent werden, haben wir den Wert der uns zustehenden Gewinne mit dem Collateral gesichert, auch im Worst Case.
Sehen Sie alternative Anlagen, neue Produktlinien, mit denen eine Renditeerhöhung möglich sein könnte? Wie steht es mit den Edelmetallen Gold und Silber?
Schweizer Immobilien rentieren immer schlechter. Als Grossinvestor sind Sie mitbeteiligt an den Preisauftriebstendenzen…
Das deutet auf eine unverändert rege Nachfrage hin. Ist mit anderen Worten das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht?
Die Renditen für Schweizer Immobilienanlagen widerspiegeln das Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage. Die stetigen Mieterträge und die hohe Ertragssicherheit machen Immobilien attraktiv. Interessant ist, dass in den letzten zwei Jahrzehnten die Zinsen deutlich stärker zurückgegangen sind als die Immobilienrenditen: 2009 lag die durchschnittliche Rendite für eine Immobilie im Grossraum Zürich bei 4,7%. Die Rendite einer zehnjährigen Bundesobligation war damals bei 1,9%. Heute rentiert diese Liegenschaft vielleicht mit 3,5%, während die gleiche Bundesobligation auf null gesunken ist. Die Differenz zugunsten der Immobilie hat sich entsprechend ausgeweitet. Blieben die Zinsen weiterhin tief, könnten die Renditen bei qualitativ hochwertigen Immobilien an guten Lagen noch weiter sinken. Bei peripheren Lagen und Liegenschaften mit Handicaps gehen wir indes eher von einer Seitwärtsentwicklung oder sinkenden Preisen aus, weshalb wir hier sehr vorsichtig sind.
Welche Anlageklassen eignen sich noch für Neuinvestments mit dem Ziel, die für Vorsorge- und Lebensversicherungen nötige Rendite zu erreichen?
Wir investieren vermehrt in Unternehmensdarlehen, Infrastruktur-Beteiligungen und -Bonds, europäische und Schweizer Immobilien sowie langlaufende Hypotheken. Und dies nicht erst seit der Aufhebung des Euro-Mindestkurses. Zudem haben wir unsere Aktienquote leicht erhöht.
Das 3-Säulen-System subventionert die Rentner gegenwärtig dank den Erwerbstätigen massiv. Die Politik ignoriert das überwiegend, selbst Altersvorsorge 2020 ist eine viel zu zaghafte Lösung. Wieso schafft es die Versicherungswirtschaft nicht, echte Lösungen zu propagieren, um diese prekäre Situation zu entschärfen?
Die Schweizer Lebensversicherer unterstützen die Stossrichtung der Reform und deren Ziel der langfristigen und sicheren Finanzierung der ersten und zweiten Säule. Da die Renten auf der Grundlage höherer Zinserwartungen berechnet wurden, müssen Anlageerträge, die den Berufstätigen zustehen, zu den Pensionierten umverteilt werden. Deswegen muss – zusammen mit weiteren prioritären Massnahmen – der Mindestumwandlungssatz dringend und ausreichend gesenkt werden. So kann die Generationenfairness wieder hergestellt werden.