Путин и устойчивость
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Martin Raab
Die Dämonisierung von Rüstungsaktien ist trügerisch. Jetzt bestätigt die Realität, dass Nachhaltigkeit in Portfolios nicht länger mit Naivität verwechselt werden darf.
Erstaunlich wie schnell sich im noch jungen Jahr 2022 alles wendet und dreht. Da wird kurz zu Jahresbeginn Atomkraft und Erdgas – dank deutsch-französischer Freundschaft – von der EU-Kommission als «nachhaltig» eingestuft. Keine drei Monate später der nächste Aha-Effekt: Rüstungsunternehmen sind doch besser als ihr Ruf.
Vor allem wenn sie plötzlich elementar nützlich sind, unsere Freiheit in Europa zu verteidigen. Bis dato sortierten alle auf Nachhaltigkeit bzw. ESG-Kriterien getrimmten Anlagefonds jegliche Rüstungs-Unternehmen per se aus. Quasi wie ein ungeschriebenes Naturgesetz. Dieser kollektive Reflex wurde öffentlich nie in Frage gestellt. Es gehörte zum guten Ton Anlegergeldern von allen und jedem Waffenschmied zu verbannen. Das mag aus individuell ethischen oder religiösen Gründen auch in Ordnung sein. Jedoch stellt sich jetzt die Frage nach genauem Hinsehen und realistischer Perspektive auf dieses heiss diskutierte Thema. Klar ist, dass jede Waffe zum Angriff aber auch zur Verteidigung genutzt werden kann.
Wie sähe jedoch die Antwort der freien Welt auf Aggressoren aus, ohne Abwehrfähigkeit in Form militärischen Equippments. Wie will die NATO (und auch wir Schweizer!) eindringende Flugzeuge stoppen ohne eine technisch überlegene oder zumindest eine ebenbürtige Flugzeug-Flotte? Welches Unternehmen wird in der Lage sein, Forschung und Entwicklung für anspruchsvolle Waffensysteme finanziell zu stemmen, wenn ihm keine Investoren entsprechendes Kapital zur Verfügung stellen? Oder gibt es nur noch nicht-kotierte Rüstungsunternehmen, über deren Aktivitäten und Kapitalgeber wir keinerlei verlässliche Angaben mehr haben?
Obendrein qualifizieren sich viele börsengelistete Rüstungsunternehmen inzwischen als Value Investment: stabile Geschäftsgrundlage, günstige KGVs, attraktive Dividendenrendite und hohe Transparenz in Sachen ESG. Der «lupenreine Demokrat» Putin (wie ihn Altkanzler und Gazprom-Genosse Gerhard Schröder nannte) hat uns gezeigt, dass die pauschale Dämonisierung westlicher Rüstungsunternehmen in den Portfolios getrost beendet werden darf. Wem dieser Sektor ohnehin zu heiss ist, sollte sich gefallene Engel wie die Erste Bank AG oder Lufthansa genauer ansehen. Deren schärfste Waffe ist der Wiederaufstieg – bei schon jetzt Zero Russia Exposure.