Alternative Indexierung
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Dieter Haas
Smart-Beta-ETFs sind regelbasierte Konzepte, die gegenüber klassischen, marktkapitalisierungsgewichteten ETFs Renditevorteile versprechen. Der folgende Überblick zeigt Stärken und Schwächen der gross in Mode gekommenen semi-aktiven, passiven Indexfonds.
Rasantes Wachstum
Das derzeitige Tiefzinsumfeld befeuert die Nachfrage zusätzlich. Kein Wunder fliesst immer mehr Geld in diese neue Generation von Indexfonds. Inzwischen liegt das globale Vermögensvolumen bereits über der Marke von USD 500 Mrd. Wie meist sind die USA Vorreiter. Hier stieg der Marktanteil der strategischen Beta-Fonds gemäss Morningstar innert 15 Jahren von 0 auf 21,2% (Stand: Ende Juni 2015). In Europa waren Mitte Jahr 6,3% des gesamten ETP-Volumens in strategischen Beta-Fonds investiert und Asien-Pazifik brachte es auf 2,9%. Die innovative Speerspitze der Fondsindustrie befindet sich somit im Hoch. Ein Ende des Booms ist nicht abzusehen. Ungeachtet der Schalmeienklänge der Emittenten ist es wichtig, vor dem Kauf eine sorgfältige Analyse durchzuführen. Detlef Glow, Leiter der Fondsanalyse bei Thomson Reuters Lipper Deutschland, bringt die Skepsis mit seiner Aussage, wonach Anleger Smart-Beta-ETFs so hinterfragen müssen, als wären sie aktiv gemanagte Fonds, auf den Punkt.
Visualisierung sorgt für Klarheit
«In Europa waren Mitte Jahr 6,3% des gesamten ETP-Volumens in strategischen Beta-Fonds investiert.»
Smart-Beta-ETFs für die Schweiz
Klassische Beta-Fonds, die auf der Börsenkapitalisierung basieren, setzen sich hierzulande zu rund zwei Dritteln aus den Aktien Nestlé, Novartis und Roche zusammen. Für alternatives Indexing scheint unser Land daher wie gemalt. Vescore hat mit der 1741 Switzerland 2014 eine Serie von acht Indizes für den Schweizer Aktienmarkt entwickelt, für fünf Beta-Kategorien. Vier (preisagnostisch, fundamentalbasiert, risikobasiert und renditebasiert) der fünf Beta-Kategorien gehören in den Bereich der alternativen Indizes. Im Einzelnen handelt es sich um Equal Weight, Accounting Based, Minimum Volatility, Risk Parity, Value, Momentum und Quality. Alle Indizes wurden ab dem bis 31.12.1997 berechnet. Laut Thomas Pfiffner (Leiter Indexing bei der Vescore) werden inzwischen mehr als die Hälfte der Aktienfonds bei Vescore auf der Basis von Smart-Beta-Konzepten verwaltet. Langfristig betrachtet zeigen fast alle 1741-Indizes eine Überrendite zum Gesamtmarktindex SPI. In Haussen wiesen die renditefokussierten in den vergangenen bald 18 Jahren die höchsten Renditen auf, während in Baissen die risikofokussierten die erwarteten Verluste minimierten. Verallgemeinern lassen sich diese Erkenntnisse allerdings nicht. Was einmal war, muss in der Zukunft nicht zwangsläufig wieder eintreten.
Abblätternder Lack eines Smart-Beta-ETF-Stars
Dividendenbasierte Smart-Beta-ETFs zählen zu den absoluten Lieblingen der Investoren. Besonders angetan hat es den Investoren der ETF auf den S&P High Dividend Aristocrats Index. Der Basiswert umfasst Bestandteile des S&P Composite 1500 Index mit der höchsten Dividendenrendite. Dabei wird dem Aspekt der Verlässlichkeit hohes Gewicht eingeräumt. So werden nur Aktien von US-Unternehmen berücksichtigt, deren Dividendenrendite in den letzten 20 aufeinanderfolgenden Jahren gestiegen ist. Die Mindestzahl der im Index quartalsweise gleich gewichteten Titel liegt bei 40. Seit der Auflegung des Index in 1989 verzeichnete der US Aristocrats nur viermal eine negative Jahresrendite (1999, 2002, 2007 und 2008). Seine Performance liegt, langfristig betrachtet, daher deutlich über dem S&P 500 Performanceindex.
«Dividendenbasierte Smart-Beta-ETFs zählen zu den absoluten Lieblingen der Investoren.»
Inzwischen ist der Überflieger wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Der einstigen Outperformance folgte seit dem Ende der Finanzkrise ein «Back to the mean», wie der Angelsachse zu sagen pflegt. Im laufenden Jahr hielten die US-Aristokraten nicht einmal mehr mit dem Perfomanceindex S&P 500 mit. Langfristig erzielte Überrenditen sind längst nicht immer so stabil wie in den Prospekten suggeriert wird.
Entgegen der wissenschaftlichen Erkenntnis
Anhand des ebenfalls sehr beliebten MSCI World Minimum Volatility-Konzeptes lässt sich die Wankelmütigkeit aufzeigen. Gemäss Theorie müsste der risikobasierte Index in Haussen im Vergleich zum Markt etwas zurückbleiben, sich dafür in Baissen besser behaupten. Im Tech-Boom um die Jahrtausendwende bis zum Tiefpunkt in 2003 verlief die Entwicklung der Erwartung entsprechend. Danach, bis zum Ende der Finanzkrise im März 2009, zeigte sich weder ein positiver noch ein negativer Effekt. In der anschliessenden Hausse hielt der MSCI MinVol erstaunlicherweise mit dem Weltaktienindex Schritt und erzielte im laufenden Jahr bislang sogar eine Überrendite.
Kernanlagen vs. Smart-Beta
Experten rechnen bis 2020 mit einem Anstieg des globalen Anteils von Smart-Beta-ETFs auf rund 20%. Der Siegeszug dürfte somit noch einige Zeit anhalten. Anleger sollten dennoch ihr Portfolio weiterhin zum grössten Teil auf kapitalisierungsgewichteten, klassischen Beta-EFTs aufbauen, die sich an den bekannten Börsenindizes anlehnen. Um dem Depots etwas Würze zu verleihen, kann der Kern mit ausgewählten Smart-Beta-ETFs angereichert werden. Die Erwartungen sollten dabei allerdings auf dem Teppich bleiben.
«2015 erzielte der MSCI World Minimum Volatility Index im steigenden Markt entgegen der Theorie bislang eine Überrendite.»
Bei einer korrekten Markteinschätzung und der richtigen Wahl lässt sich mit Smart-Beta-ETFs zwar ein gewisser Mehrwert erzielen. So einfach, wie es Rückrechnungen oder vergangene Entwicklungen oft suggerieren, ist es aber in der Regel leider nicht.
Quelle: Derivative Partners
Quelle: Morningstar Direct – 30.06.2015
Quelle: Morningstar Direct – 30.06.2015
Quelle: Bloomberg
Quelle: Bloomberg
Quelle: Bloomberg
Quelle: Bloomberg