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payoff Learning Curve

Container: Turbulenzen auf den Weltmeeren

13.04.2024 5 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Die angespannte Lage im Roten Meer rückt die Bedeutung der Seefracht in den Fokus der Öffentlichkeit. Trotz steigender Frachtraten befinden sich die Aktien des Sektors in Turbulenzen. Ungeachtet dessen sollten Anleger von einer Direktanlage in Containern die Finger lassen.

Die Corona-Pandemie hat ein neues Bewusstsein für die Bedeutung globaler Lieferketten geschaffen. Zunächst liessen Lockdowns samt der damit einhergehenden Reise- und Transportbeschränkungen die Warenströme einbrechen. Als sich die Situation entspannte und der Wirtschaftsmotor wieder auf Touren kam, fehlten vielerorts die Kapazitäten – auf den Seerouten und in den Häfen stauten sich die Schiffe. Von zentraler Bedeutung für einen reibungslosen Transport sind die Frachtcontainer. Im Frühjahr 2020 strandeten viele dieser standardisierten Metallbehältnisse an Orten, wo sie nicht benötigt wurden. Ausserdem motteten die Reedereien Container ein oder gaben sie an die Leasingfirmen zurück.

Volatile Frachtraten

Folgerichtig schossen die Frachtraten nach oben. Ein viel beachteter Indikator für den Güterverkehr auf See ist der Baltic Dry Index. Die von der Baltic Exchange berechnete Benchmark bildet die Frachtkosten für wichtige Rohstoffe ab. Ausgehend von den ersten gemeldeten Corona-Fällen im Frühjahr 2020 hat sich der Index bis in den Herbst 2022 mehr als verzehnfacht. Nachdem die Frachtraten deutlich zurückgekommen waren, tendieren sie in etwa seit einem Jahr wieder nach oben (siehe Grafik). Derzeit nimmt die Lage im Roten Meer Einfluss auf den Sektor. Seit Monaten greifen die jemenitischen Huthi-Rebellen dort Handelsschiffe an. In den betroffenen Gewässern sind rund 12% des Welthandels unterwegs. Unter anderem führt die kürzeste Verbindung zwischen Asien und Europa durch das Rote Meer und den ägyptischen Suezkanal.

Kostspieliger Umweg

Einen Umweg bietet die Route um den das Kap von Afrika. Allerdings dauert die Reise dann deutlich länger. Ein Container, der vom Hafen in Singapur nach Rotterdam geliefert wird, ist bei einer Fahrt über das Rote Meer insgesamt 26 Tage unterwegs und legt rund 8’500 nautische Meilen zurück. Weicht das Handelsschiff aus und fährt entlang der Westküste Afrikas in Richtung Europa, braucht es 10 Tage länger und kommt auf eine Distanz von 11’800 nautische Meilen. Aus Sorge vor Angriffen weichen die meisten Reedereien trotzdem aus. Zuletzt war nur noch die chinesische Cosco auf der direkten Ost-West-Route unterwegs. Das berichtete Anfang März Kühne + Nagel. Der Schweizer Logistikriese dominiert das globale Seefrachtgeschäft. 2023 transportierte der Konzern mehr als 4.3 Millionen TEU über die Weltmeere. TEU steht für «Twenty-foot Equivalent Unit», zu deutsch 20-Fuss-Container-Einheit. Dieser Standardcontainer ist knapp 6 Meter lang, 2.35 Meter breit und 2.39 Meter hoch. Er fasst ein Volumen von gut 33 Kubikmetern.

Die Situation im Roten Meer und der damit einhergehende Anstieg der Frachtraten wirkt sich positiv auf die Profitabilität von Kühne + Nagel aus. «Im 2. Quartal wird die Krise das in Schweizer Franken berechnete Ebit in einer niedrigen zweistelligen Spanne beeinflussen», sagte CEO Stefan Paul Anfang März. Er rechnet auch für das zweite Semester 2024 mit Auswirkungen. Gleichwohl hat der Sektor generell mit einer schwachen Nachfrage zu kämpfen. Analysten sehen daher nur einen kurzfristigen Effekt aus den gestiegenen Frachtraten. Dazu passt, dass Kühne + Nagel mit Verweis auf die gegenwärtige geopolitische Lage keinen Ausblick für das laufende Jahr vorgelegt hat. An der Börse erlitten die Schwyzer nach der Vorlage dieser Prognose sowie eines Umsatz- und Gewinneinbruchs für 2023 einen regelrechten Schiffbruch: Innert weniger als drei Wochen brach Kühne + Nagel um bis zu ein Fünftel ein. Zwar ist damit der Abstand zum Allzeithoch aus dem Jahr 2021 noch grösser geworden. Die langfristige Performance von Kühne + Nagel kann sich dennoch sehen lassen. Auf Sicht von 10 Jahren hat sich die Aktie mehr als verdoppelt und damit den SMI um Längen hinter sich gelassen.

Ein folgenreicher Skandal

Derweil hatten Investoren, die direkt in Container investiert haben, meist wenig zu lachen. In den vergangenen Jahren kam es in diesem Markt zu spektakulären Pleiten. 2018 kippte die P&R Gruppe um. Sie hatten Container an Privatanleger verkauft, welche über die Vermietung der Boxen sowie deren Verwertung eine Rendite erwirtschaften sollten. Über Jahrzehnte schien dieses Geschäftsmodell zu funktionieren. Doch dann kam es zu einem bösen Erwachen: Die in München ansässige Gruppe war nicht mehr im Stande, die versprochenen Leistungen zu zahlen. Sie hatte weitaus mehr Container vermarktet, als tatsächlich zur Verfügung standen. 

Die 54’000 betroffenen Anleger gehen nicht ganz leer aus. In drei Tranchen hat Insolvenzverwalter Michael Jaffé mittlerweile insgesamt EUR 544 Millionen an sie überwiesen. «Wir streben weiterhin an, aus der Containerverwertung für alle vier P&R-Containergesellschaften am Ende insgesamt Erlöse von deutlich über EUR 1 Milliarde zu erzielen», erklärt der bekannte Anwalt. Er kann dabei auf eine Flotte von mehr als 500’000 TEU oder rund 1% des globalen Gesamtbestandes zurückgreifen. Gleichwohl zeigt das Beispiel, dass Anleger um diesen Nischenmarkt einen Bogen machen sollten. 

Für die Eigennutzung können die Container dagegen durchaus ihren Reiz haben – sei es als Stauraum für den Garten oder extravagantes Büro. Die dänische Reederei Maersk betreibt einen Shop. Für USD 1’512 bieten die Dänen hier gerade einen 40-Fuss-Container an. Kleiner Haken: Der gebrauchte Transportbehälter steht in einem Terminal am Hamburger Hafen.

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