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Börsenhandel: Von David und Goliath

10.05.2024 5 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Im Schweizer Börsenhandel ist SIX Swiss Exchange das Mass aller Dinge. Die BX Swiss versucht, dem Krösus Marktanteile abzujagen – und erhält hierbei neuerdings prominente Unterstützung.

Am 10. November 2024 jährt sich die Gründung des Berner Börsenvereins zum 140. Mal. Den Startschuss für die lokale Börse hatten im Herbst 1884 Banken und Privatfirmen aus der Bundesstadt gegeben. Heute firmiert sie als BX Swiss und blickt auf eine ereignisreiche Geschichte zurück. Kurz nachdem die FINMA den Bernern mit Einführung des Finanzmarktinfrastrukturgesetzes einen Status als vollwertige Schweizer Börse bestätigt hatte, kam es Ende 2017 zum Eigentümerwechsel: Die Börse Stuttgart übernahm sämtliche Anteile. Seit wenigen Monaten gibt es einen zweiten Aktionär. Im Dezember 2023 kaufte Leonteq 10% der Anteile. «Eine strategische Beteiligung an der BX Swiss unterstreicht unser Engagement für Transparenz, Service und Liquidität», kommentierte CEO Lukas Ruflin die Transaktion für das Fintech. Börsenchef Lucas Bruggemann machte die Zielrichtung beider Unternehmen klar: «Gemeinsam stellen wir die Bedürfnisse der selbstbestimmten Anlegerinnen und Anleger in der Schweiz in den Mittelpunkt und ermöglichen einfachen und kostengünstigen Wertschriftenhandel.»

Enorme Diskrepanz

In jedem Fall entstand eine Partnerschaft der kurzen Wege. Von der Leonteq-Zentrale am Zürcher Hauptbahnhof sind es gerade einmal 15 Gehminuten bis zum Office der BX Swiss unweit des Alten Botanischen Gartens. Seit 2016 ist das operative Geschäft der AG aus Bern in der Limmatstadt angesiedelt. Als eine Art «David» rückte die BX Swiss damit näher an den «Goliath» des Sektors, SIX Swiss Exchange heran. Operativ ist der Abstand riesig. An der Schweizer Börse sind mehr als 31’000 Aktien, Anleihen, ETFs, ETPs sowie Strukturierte Produkte kotiert. Im März wurden pro Handelstag im Schnitt mehr als 200’000 Trades umgesetzt. Pro Sitzung kam ein Handelsvolumen von im Schnitt knapp CHF 6 Milliarden zusammen.

Rund 10’500 Titel sind auf dem Kursblatt der BX Swiss aufgeführt. Darunter befinden sich
rund 2’400 Aktien, 355 Anleihen, 732 ETFs und 53 Investmentfonds. Das Gros des kotierten Instrumentariums entfällt auf den Derivatebereich. Über den Mutterkonzern, die Stuttgarter Börse, sind an der BX Swiss rund 3’200 Actively Managed Certificates (AMC) der deutschen Online-Plattform wikifolio handelbar. Daneben umfasst das Segment deriBX 3’759 Strukturierte Produkte von fünf verschiedenen Emittenten. Neben Julius Bär, BKB, ZKB und der Société Générale zählt dazu Leonteq. Die Zürcher Finanzboutique belässt es nicht bei den Rollen als Emittent und Teilhaber. Seit Anfang April agiert Leonteq an der BX Swiss als Market Maker für Aktien und ETFs und löst hier ein Stück weit den Düsseldorfer Broker Lang & Schwarz ab.

Parameter der Handelsqualität 

Das Ziel hinter der jüngsten Rochade beim «David» der Schweizer Börsenlandschaft ist klar: Die BX Swiss soll ein grösseres Stück vom SIX-Kuchen abbekommen. Neben den Kosten ist dabei die Handelsqualität eine wichtige Stellschraube. Für die Nutzer einer Börse kommt es entscheidend darauf an, dass für jede Order ausreichend Volumen zur Verfügung stehen, der Abstand zwischen Geld- und Briefkurs (Spread) möglichst klein ist und die Transaktion auch in hektischen Phasen sicher und schnell ausgeführt wird. Dabei spielt der Market Maker eine zentrale Rolle. Seine Aufgabe ist es, für die von ihm betreuten Wertpapiere kontinuierlich faire Geld- und Briefkurse in ausreichenden Stückzahlen zu stellen.

Besonders wichtig ist die Handelsqualität im ETF-Segment. Hier ist Leonteq seit kurzem «Market Maker» an der BX Swiss. Beide Börsen stellen auf ihren Internetseiten laufend Informationen zur Kursstellung und den Volumen zur Verfügung. SIX bietet zusätzlich den Service «Market Quality Metrics» (MQM) an. Mit diesem Tool lassen sich für sämtliche ETFs die historischen Quotierungen samt der durchschnittlichen Spreads über einen Tag abrufen. Dazu kommen die auf beiden Seiten des Orderbuchs – Bid und Ask – platzierten Volumen. 

Ein aktuelles Beispiel

Wir haben uns den MQM-Bericht vom 23. April 2024 angeschaut. Darin sind die Handelscharakteristiken von über 1’700 ETFs dokumentiert. 134 passive Fonds weisen einen Spread von weniger als 0.10% auf. Zu dieser Gruppe gehört auch der Xtrackers II EUR Overnight Rate Swap XEON. Dieser Fonds der Deutsche-Bank-Tochter DWS sammelt «Overnight»-Zinssätze am EUR-Geldmarkt. Am untersuchten Handelstag lag der durchschnittliche Spread des über EUR 7 Milliarden schweren ETFs bei niedrigen 0.032%. Die Geldposition war während der gesamten Handelszeit zu 100% intakt. Auf der Bid-Seite wurden durchschnittlich 1’100 Stück gepreist, was einem Volumen von knapp EUR 158’000 entspricht, während die Brief-Seite durchschnittlich 3’199 Stück umfasste, was einem Volumen von rund EUR 452’000 entspricht. 

Dieser Renten-ETF ist auch an der BX Swiss kotiert. Leider liegen hier keine Handelsmerkmale für einen längeren Zeitraum vor. In der laufenden, auf CHF lautenden Kursstellung pendelt sich der Spread bei 0.09% ein. Am 24. Aprill standen auf beiden Seiten 200 Stück zur Verfügung. Dadurch wäre die Allokation von rund CHF 28’000 möglich gewesen. Zwar sind diese Konditionen für Anleger, die kleinere Summen investieren, in Ordnung. Um «Goliath» quer durch die verschiedenen Investorengruppen die Stirn bieten zu können, bleibt für die BX Swiss im 140. Jahr seit der Gründung und darüber hinaus aber noch einiges zu tun.   

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