Inline Warrants: Schön in der Spur bleiben
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Mit Inline Warrants können Anleger darauf spekulieren, dass sich ein Basiswert über die Laufzeit hinweg innerhalb eines vorab gesteckten Korridors bewegt. Geht dieses Kalkül auf, winken hohe Gewinne. Allerdings droht der Totalverlust, sobald das Underlying die «Spur» verlässt. Die Société Générale bringt diese exotische Struktur jetzt in die Schweiz.
Besser hätte das Jahr für die Schweizer Ski Fans kaum beginnen können. Zuerst fuhr Marco Odermatt im Riesenslalom von Adelboden der Konkurrenz davon und versetzte 25’000 Zuschauer am «Chuenisbärgli» in Ekstase. Wenige Tage später gelang ihm am Lauberhorn in Wengen sein erster Weltcupsieg in der Abfahrt. Dem Erfolg auf der verkürzten Strecke liess «Odi» die Bestzeit auf der klassischen Strecke über 4.5 Kilometer folgen. Wie kein anderer fand der 26-Jährige die optimale Spur zwischen den blauen, in den Schnee gesprühten Linien. Ein schnurgerader Korridor für die Inhaber von Inline Warrents. Im Erfolgsfall winkt eine satte «Siegerprämie». Verlässt der Basiswert hingegen die Spur, droht wie auf der Rennstrecke Ungemach.
Premiere an SIX Swiss Exchange
Die Société Générale macht Seitwärts-Spekulationen nun auch für Schweizer Anleger möglich. Die Emittentin hat einen ersten Inline Warrant an SIX Swiss Exchange kotiert. Zum Fundus der Underlyings zählten zur Premiere Schweizer Large Caps sowie die Börsengradmesser DAX, Dow Jones und S&P 500. Bei den «Inlinern» der SocGen beläuft sich der Höchstbetrag auf CHF respektive EUR 10.00. Er wird am Fälligkeitstag überwiesen, sofern der Basiswert keine der beiden Barrieren touchiert. Andernfalls erleidet der Anleger einen Totalverlust. Aufgrund dieser Funktionsweise sind Inline Warrants in Marktphasen interessant, die alles andere als spektakulär sind. Sie spielen ihre Stärken vor allem dann aus, wenn sich die Börsen in einem ruhigen Fahrwasser bewegen, respektive seitwärts tendieren. Den Bewegungsspielraum steckt der Emittent bei der Auflage des Produkts ab. Neben der unteren wird die obere Barriere fixiert. Innerhalb von diesen beiden Grenzen muss sich der Basiswert über die gesamte Laufzeit bewegen.
Strenge Kurssetzung
Ohne Zweifel sind Inline Warrants nicht nur exotisch, sondern auch sehr riskant. Wobei sich die Verlustgefahr auf unterschiedliche Weise steuern respektive dämpfen lässt. Von zentraler Bedeutung sind die Barrieren. Hier gilt: Je breiter der massgebliche Korridor abgesteckt ist, desto geringer fällt die Gefahr einer Schwellenverletzung aus. Wenig überraschend ist die Bewegungsfreiheit des zugrunde liegenden Referenztitels auch für den Preis des Inline-Optionsscheines massgeblich. Hat der Basiswert viel Spielraum, notiert das Produkt grundsätzlich höher – gleiches gilt umgekehrt.
Ein Blick auf zwei der ersten SocGen-Produkte macht dieses Wechselspiel deutlich. Kurz nach der Emission von Mitte November notierte der auf Roche basierende Inliner (ISIN DE000SU14WV6) auf der Briefseite bereits bei mehr als CHF 9.60. Ab Dezember pendelte sich der Verkaufskurs am Höchstbetrag von CHF 10.00 ein. Roche ist über die vergangenen Monate «souverän» in der Spur geblieben (Grafik 1). Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei einem auf der UBS-Aktie basierenden Pendant (ISIN DE000SU14WW4). Der Bankentitel kehrte im November in den zuvor kurz unterbrochenen Aufwärtstrend zurück. Anfang Dezember war es um den Inline Warrant geschehen – UBS durchbrach die obere Barriere (Grafik 2).
Wichtige Preisparameter
Auch die Volatilität nimmt Einfluss auf diese Produkte. Die Kennziffer für die innerhalb eines bestimmten Zeitraums erwartete Kursschwankungsbreite wirkt sich im Vergleich zum gewöhnlichen Warrant aber gegenläufig auf den Inliner aus. Beim herkömmlichen Optionsschein führt eine steigende Volatilität zu einer Verteuerung. Derweil drückt eine solche Entwicklung auf den Kurs des Inline-Optionsscheines, da mit den Kursausschlägen die Gefahr der Barriereberührung zunimmt. Dagegen sind Produkte, deren Basiswert sich in einem vergleichsweise ruhigen Fahrwasser bewegt, weniger stark gefährdet.
Naturgemäss strahlt auch die Restlaufzeit auf das Pricing der Inliner ab. Hier tut sich ein weiterer Unterschied zum klassischen Warrant auf: Bei gewöhnlichen Calls und Puts zehrt der Zeitwertverlust am Kurs, je näher der Verfalltermin rückt. Dagegen gibt es bei den Inline-Papieren einen positiven Zeitwerteffekt. Unter der Voraussetzung, dass es nicht zu starken Kursausschlägen kommt,
steigt der Wert sukzessive. Aus gutem Grund: Mit jedem Tag an dem kein Knock-out passiert, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass der angepeilte Rückzahlungsbetrag Realität wird.
Vorsichtige Annäherung
Erfahrene Börsianer wissen, dass man sich seiner Sache nie ganz sicher sein kann. Heftige Ausschläge nach oben oder unten sind jederzeit möglich. Während Skiprofis nicht vorzeitig abschwingen dürfen, können Gewinnmitnahmen beim Inline Warrant durchaus Sinn machen. In Deutschland gibt es seit längerem Trader, die mit den exotischen Papieren auf Renditejagd gehen und diese Positionen mitunter nur wenige Stunden oder Tage halten. Wer sich dieser Community anschliessen möchte, sollte sich der Gefahren bewusst sein und den Kapitaleinsatz begrenzen. Vielleicht ist zunächst eine Inliner-Watchlist sinnvoll, mit der sich das mitunter extreme auf und ab dieser Produkte beobachten lässt. Auch in Adelboden und am Lauberhorn geht ohne Besichtigung respektive Trainingsfahrten nichts.