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payoff Learning Curve

AT1-Anleihen:Risikofaktor Totalverlust

21.04.2023 4 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Die Schweizer Aufsicht hat bestimmte Credit-Suisse-Investoren entmachtet und CHF 16 Milliarden für wertlos erklärt. Am Kapitalmarkt ist der Ärger gross, dass die Inhaber von AT1-Anleihen schlechter gestellt wurden als die Aktionäre. Wir klären auf, was hinter den Spezialpapieren steckt.

Des einen Freud, des anderen Leid: Die Notrettung der Credit Suisse durch die UBS mit Hilfe staatlicher Unterstützung sorgte für ein kräftiges Durchatmen an den Finanzmärkten und gleichzeitig auch für eine grosse Erleichterung unter den Aktionären. Nicht aber so bei den Haltern der AT1-Bankenanleihen. Während die CS-Aktie nach dem Deal vor Freude um 60% nach oben sprang, waren die Besitzer der AT1-Bonds mit Trauerflor unterwegs. Die eigenkapitalähnlichen Obligationen werden nämlich per Anweisung der Schweizer Aufsichtsbehörde Finma auf null abgeschrieben. Mit anderen Worten: Die Anleger verlieren ihren gesamten Kapitaleinsatz.

Spezialanleihen mit Trigger

Was aber steckt hinter den Additional-­Tier-1-Anleihen? In der Regel ist eine Obligation mit dem Versprechen verbunden, dem Gläubiger zu einem bestimmten Zeitpunkt den Nennwert der Obligation wieder zurückzuzahlen. Bei AT1-Anleihen, die auch «CoCos» (Contingent Convertible Bonds) genannt werden, ist das ein wenig anders. Grundsätzlich handelt es sich bei den Spezialanleihen um Papiere, die zwar fest verzinst werden, aber für die Banken fast so gut wie Eigenkapital sind und deshalb auch als «zusätzliches Kernkapital» gelten. Als nachrangige Schuldverschreibungen sind sie in der allgemeinen Rendite-/ Risikobetrachtung hinter den Aktien angesiedelt. (siehe Grafik) Das Rückzahlungsversprechen ist jedoch mit einer Beschränkung verbunden. So haben diese Anleihen gewöhnlich einen Auslöser, den sogenannten «Trigger». Fällt die harte Kernkapitalquote (CET1) unter diese Schwelle, werden die Instrumente entweder in Eigenkapital umgewandelt oder – wie im Falle der Credit Suisse – einfach wertlos. Das Geld der Investoren ist dann verloren. Laut Fachmann Neil Wilson von markets.com haben seit der Erfindung der «CoCo-Bonds» vor knapp zehn Jahren nur die Anleger der spanischen Banco Popular bei der Übernahme durch die Bank Santander ihre Papiere abschreiben müssen.

Nun aber macht der Schweizer Finanzplatz mit dem gleichen Szenario Schlagzeilen. Die von Behördenseite angeordnete Komplettabschreibung auf AT1-Anleihen der Credit Suisse möchten aber nicht alle Anleger einfach hinnehmen und denken über mögliche rechtliche Schritte nach. Die Erfolgsaussichten dürften sich allerdings in Grenzen halten. «Die von der Credit Suisse ausgegebenen AT1-Instrumente sehen vertraglich vor, dass sie im Falle eines Trigger-Ereignisses (Viability Event), insbesondere bei der Gewährung ausserordentlicher staatlicher Unterstützung, vollständig abgeschrieben werden», erklärt die Finma. Nach Ansicht der Behörde ist die Voraussetzung dafür mit der Inanspruchnahme ausserordentlicher Liquiditätshilfe-Darlehen mit einer Ausfallgarantie des Bundes am 19. März erfüllt worden. Darüber hinaus ist die Finma durch die Notverordnung der Regierung über Bundesgarantien für Liquiditätshilfe-Darlehen ermächtigt, die Abschreibung von Kernkapital anzuordnen.

Eigene Darstellung

Baustein der Kapitalstruktur

Die Instrumente waren nach der Finanzkrise 2007/08 erfunden worden, um in einer Krise als Puffer zu dienen und zu verhindern, dass Banken rasch in die Knie gehen. Die Idee war folgende: Im Krisenfall – also wenn die Kennzahlen einer Bank unter bestimmte Schwellen fallen – würden sich die AT1-Anleihen einfacher abschreiben respektive in Aktien umwandeln lassen. Die Papiere waren in den vergangenen Jahren nicht nur für die Banken attraktiv, sondern auch für die Anleger. Denn damit konnten in der langen Niedrigzinsphase ansprechende Renditen erzielt werden. Beispielsweise hatte eine in US-Dollar begebene AT1-Anleihe der Credit Suisse einen Cupon von 4.5%. An den Spezialanleihen halten die EU-Länder auch weiterhin fest, denn laut den Bankenaufsichtsbehörden werden bei Bankenrettungen in der EU AT1-Inhaber weiterhin erst nach den Aktionären zur Kasse gebeten. So haben die Bankenaufseher der Europäischen Zentralbank (EZB), die Banken-Abwicklungsbehörde der EU und die EU-Bankenaufsicht EBA ein gemeinsames Statement abgegeben, dass im Normalfall zunächst echtes Eigenkapital als erstes zum Ausgleich von Verlusten verwendet wird. Erst wenn dieses aufgezehrt ist, sind die AT1-Anleihen dran. «Additional-Tier-1 ist und bleibt ein wichtiger Baustein der Kapitalstruktur europäischer Banken», heisst es in einer gemeinsamen Mitteilung.

Ungewisse Zukunft

Selbst wenn es sich bei den CHF 16 Milliarden Abschreibung bei CS nur um einen Bruchteil des gesamten Tier1-Markts im Wert von rund EUR 250 Milliarden handelt, bedeutet die Massnahme für Investoren eine Neubewertung der Risiken. «Die Hierarchie des Kapitals unverfroren einfach umzudrehen, wird Folgen haben», bekräftigt Wilson von markets.com. Es dürfte also spannend werden, wie einfach respektive schwer die Banken in Zukunft ihre Tier-1-Anleihen an den Mann bringen können.

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