«Aufgefallen»: Fürchtet euch nicht
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Martin Raab
Propheten haben derzeit Hochkonjunktur – auch im Finanzmarkt. Bei manchen lohnt es sich zwischen den Zeilen zu lesen. Unbequeme Wahrheiten gepaart mit Ironie zum Jahresende.
Propheten haben wieder Hochkonjunktur. Aufbruchstimmung ist ein wichtiges Gut, fehlgeleitete Euphorie ein immanentes Risiko. Die Modernisierung der grössten Volkswirtschaft der Erde steht seit Kurzem ganz oben auf der Agenda des multimedialen Propheten-Truppe, die derzeit die drei obersten Stockwerke eines Wolkenkratzers an der Fifth Avenue, Ecke 56th Street besetzt. Und deren Anführer hat das Lukas-Evangelium für sich entdeckt: Fürchtet euch nicht! Ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird. President-elect Trump und seine Jünger planen eine Billion, also tausend Milliarden, US-Dollar in Infrastrukturprojekte zu investieren. Steine und Zement, da kennt er sich aus. Das sorgt bei am Finanzmarkt für Euphorie. Der Staat möchte seine Aufwände auf 20% begrenzen, den Rest sollen «public-private partnerships» beisteuern. Wer mitbaut, muss keine Steuer zahlen. Ein ähnliches Modell kannte schon Kaiser Augustus bei antiken Grossprojekten. Wo passend, können Investoren in Zukunft auch gleich die neue Brücke oder Tunnel betreiben und Jobs schaffen. Das drüber fahren kostet die Hirten einfach ein paar Dollars, dafür gibt’s aber eben auch keine neue Staatsverschuldung.
Ob da die Engelsstimme der First Lady genügt, um Kongress und Öffentlichkeit das wohl grösste Privatisierungsprogramm seit Repartierung der Vermögen der Tempelritter stimmungsvoll abzunicken? Der Sektorrotation tut’s keinen Abbruch. Die Trumphorie pusht Finanz- und Infrastrukturaktien, der Dow Jones Index steigt kometenhaft. Das Allzeithoch bei 20‘000 Punkten scheint greifbar. Alles ist fast so wie prophezeit vom lebenslustigen Prediger: «I will make you all rich, so rich». Richtig reich machen uns unterdessen auch die DAX-Unternehmen. 31 Milliarden Euro werden die insgesamt ausschütten – das ist neuer Rekord. Der deutsche Mittelstand, seit vielen Jahren auch lokal in den USA mit Werken präsent, könnte gar der heimliche Profiteur des ganzen Modernisierungsfeldzugs werden. Obendrein sind heimische Firmen wie ABB oder Schindler prädestinierte Infrastrukturgewinner, denn ihnen sind neue Auftraggeber geboren – von Alabama bis Wyoming. Behalten wir für den Moment die Worte, die gesagt wurden und erheben ein Gläschen Heaven Hill Bourbon Whiskey aus Kentucky auf die Heerschaaren des internationalen Grosskapitals. Fürchtet euch nicht, denn euch ist ein Macher geboren!