Bitcoin für Banker: Bitcoin richtig verstehen
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Pascal Hügli
Redaktor
Wie wir in einem früheren Artikel gesehen haben, ist Bitcoin vieles zugleich. Bitcoin zeigt eine Mehrfaltigkeit.
Als Vergleich mag die göttliche Dreifaltigkeit dienen, nach der der christliche Gott drei verschiedene Personen in einem Wesen verkörpert. Dieser Vergleich zur Theologie offenbart die Komplexität Bitcoins. Erst eine nuancierte Differenzierung in die verschiedenen Erscheinungen Bitcoins lässt uns denn auch das Phänomen richtig verstehen.
Bitcoin, das Asset, ist eine neue Art Basisgeld – genauer das Basisgeld des Bitcoin-Netzwerkes. Als solches basiert Bitcoin, das Asset, auf einer neuen globalen Settlement-Infrastruktur, die von unserem derzeitigen Finanzsystem vollkommen unabhängig ist und operiert. Diese globale Settlement-Infrastruktur wiederum ist die öffentliche Bitcoin-Blockchain.
Bitcoins viele Seiten
Für diejenigen, die wir an dieser Stelle bereits abgehängt haben, wollen wir die benannte Mehrfaltigkeit nochmals wiederholen: Das Bitcoin-Netzwerk ist ein weltweit verteiltes Geflecht an Tausenden von Computern, die gegenseitig und rund um die Uhr miteinander kommunizieren. Als gemeinsame durch das Bitcoin-Protokoll definierte Sprache sprechen alle diese Computer «Bitcoin». Untereinander kommunizieren sie also Werte oder eben Bitcoin, das Asset, das die Werteinheit des Netzwerkes darstellt. Als Basisgeld dieses Netzwerkes fungiert Bitcoin, das Asset, auf der öffentlichen BitcoinBlockchain, die als dessen globale Settlement-Infrastruktur dient.
In unserem gegenwärtigen Finanzsystem sind die Dinge ähnlich aufgebaut. So existiert ebenfalls ein Basisgeld wie zum Beispiel der US-Dollar, der Euro oder der Schweizer Franken. Dieses wird durch die jeweilige Zentralbank ausgeben, welche als Settlement-Infrastruktur für dessen Abwicklung sorgt. Als Netzwerkteilnehmer des gegenwärtigen Finanzsystems sind es die Banken, welche das Geld untereinander transferieren und so für Wertaustausch sorgen. Sie alle sprechen dieselbe «Sprache». Spricht eine Finanzinstitution diese «Sprache» nicht, ist sie nicht Teil des traditionellen Finanzsystems.
Im gegenwärtigen Finanzsystem ist der Zentralisierungsgrad vergleichsweise höher als im Bitcoin-Netzwerk. Wie in der Realität immer wieder geschehen, können einzelne Banken ausgeschlossen oder zensuriert werden. Im Gegensatz dazu können Computer, die Teil des Bitcoin-Netzwerkes sind, von niemandem eigenmächtig ausgesperrt werden. Auch wird das Basisgeld nicht von einer zentralen Entität auf der Basis einer fluktuierenden Geldpolitik ausgeben. Emittiert wird Bitcoin, das Asset, durch eine Vielzahl konkurrierender Miner, die einem, durch das Bitcoin-Protokoll vorgegebenen, Emissionsplan folgen müssen.
Das Blockchain-Trilemma
Diesem dezentraleren Ansatz verdankt Bitcoin seine dezentralisierte globale Settlement-Infrastruktur, die öffentliche BitcoinBlockchain. Damit das Netzwerk und das Asset möglichst dezentral gehalten werden können, muss auch die öffentliche Blockchain möglichst dezentralisiert verbleiben. Und hierin liegt der Grund, weshalb das Basisgeld im Bitcoin-Netzwerk, das Bitcoin Asset auf seiner öffentlichen Blockchain wenig skaliert. Wäre die Skalierbarkeit höher, würden entweder Dezentralität, Sicherheit oder beides eingeschränkt. Diese unumstössliche Realität wird durch das sogenannte Blockchain-Trilemma eingefangen. So können bei einer öffentlichen Blockchain stets nur zwei Eigenschaften gleichzeitig verwirklicht werden.
Bei Bitcoin hat man die Unüberwindbarkeit dieses Trilemmas auf der Blockchain-Ebene längst akzeptiert. Eine Skalierung des Bitcoin-Netzwerkes soll deshalb über einen mehrschichtigen Aufbau unterschiedlicher Ebenen passieren. Schon unser gegenwärtiges Finanzsystem funktioniert über verschiedene Ebenen hinweg, da selbst in diesem noch zentraleren Setup einzelne Schichten an ihre Skalierbarkeitsgrenzen stossen. Das zeigt, um wie viel wichtiger ein mehrstufiges Skalierungsvorhaben erst bei Bitcoin ist.
Finanzsystem 2.0
Die öffentliche BitcoinBlockchain bietet somit eine robuste Grundlage für zahlreiche, höher gelagerte Ebenen, mit denen die Effizienz und die Geschwindigkeit von Bitcoin-Transaktionen um ein Vielfaches erhöht werden können. Der Vergleich mit Visa, der im Zusammenhang mit BitcoinAssets auf der öffentlichen Blockchain immer wieder bemüht wird, ist daher fehl am Platz. Er vergleicht Äpfel mit Birnen. Viel eher sollte man Bitcoin, das Asset, mit anderen Basisgeldern vergleichen und Bitcoins öffentliche Blockchain daher mit Abwicklungssystemen wie Fedwire oder dem Target-System.
Dem Visa-Zahlungsnetzwerk schon viel näher ist eine der berühmtesten Skalierungsvorhaben auf Bitcoin, das Lightning-Netzwerk. Dabei handelt es sich um ein Zusatzprotokoll, das auf der öffentlichen BitcoinBlockchain basiert und Bitcoin-Zahlungen schneller, effizienter und günstiger macht. Noch fehlt dieser Skalierungsebene die Liquidität, die Innovation in diesem Bereich schreitet allerdings unaufhaltsam voran. Auch entwickeln sich auf anderen Bitcoin-Zusatzebenen dezentralisierte Finanzlösungen, wie wir sie bereits von Ethereums DeFi-Welt her kennen.
«Die Zweiteilung der Finanz- systeme zeichnet sich also bereits ab.»
Wer das Potenzial von Bitcoin begreifen und dieses neue Phänomen aus finanztechnischer Sicht in seiner Gänze richtig verstehen möchte, kommt nicht umhin, Bitcoin als mehrschichtiges Geld- und Finanzsystem zu deuten. Zu eindeutig sind heute schon die Anzeichen, dass Bitcoin sich als Ganzes in die Richtung eines Finanzsystems 2.0 weiterentwickelt.
Konkurrierende Finanzordnungen
Die Zweiteilung der Finanzsysteme zeichnet sich also bereits ab. Auf der einen Seite das traditionelle Finanzsystem, das mit den bevorstehenden digitalen Zentralbankenwährungen ebenfalls ein technisches Upgrade erhalten wird. Auf der anderen Seite das dezentralisierte Bitcoin-Finanzsystem, dessen Basisgeld Bitcoin darstellt. Zwar werden die beiden Finanzordnungen stets verflochten sein, doch wird dieses hybride System stets eine Art Brückenbau darstellen, um zwischen den beiden Systemen hin- und herzuwechseln.
Aufgrund einer stärker durch den Markt getriebenen Zinskurve dürfte der Bitcoin-Finanzordnung auf lange Sicht vor allem Kapital aus der «alten» Finanzwelt zufliessen, da letztere durch Null- und Negativzinsen immer stärker vernünftiger Renditen beraubt wird. Schon heute sehen wir diese Verschiebung an der Marktkapitalisierung, die stabile Kryptowährungen, sogenannte Stablecoins, erreicht haben. Auf der Suche nach höheren Renditen fliessen Dollars als Kryptodollars in die Blockchain-Welt ab.
Darüber hinaus lehrt uns die Geschichte rund um Linux und ähnliche Systeme ganz allgemein: Geschlossene, abgeschottete Netzwerke wie diejenigen, die unser heutiges Finanzsystem ausmachen, haben gegenüber offenen, interoperablen und für jeden zugänglichen Alternativen stets an Relevanz eingebüsst.