Wird Bitcoin das neue Ethereum?
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Pascal Hügli
Redaktor
Das zweitgrösste Krypto-Asset nach Marktkapitalisierung, Ethereum, hat derzeit so seine Mühe auf dem Markt. Unter den sogenannten Smart-Contract-Plattformen – auch Layer-1s genannt – scheinen ihm andere Projekte
gerade den Rang abzulaufen.
Allen voran Solana (SOL). Aufgrund günstiger Transaktionsgebühren und der fulminanten Preisentwicklung (gegenüber dem vor einem Jahr ist SOL um über 800% gestiegen) erweist sich die Solana-Blockchain aktuell auch als Lancierungsplattform für die derzeit gehypten Memecoins.
Neben Solana sind es jüngere Projekte, die Ethereum seit Anfang des Jahres Jahr outperformt haben. Dazu gehören beispielsweise Aptos (APT) oder Sui (SUI). Beide Blockchain-Projekte verwenden Move, eine auf Rust basierende Programmiersprache. Diese gilt als besonders vielversprechend, weil sie die parallele Ausführung von Transaktionen ermöglicht und daher noch geringere Latenzzeiten als Solana bietet. Dass diese Kryptowerte aktuell gut laufen, dürfte auch mit dem sogenannten «New Coin»-Bias zusammenhängen. Dabei soll es sich um ein ungeschriebenes Gesetz in der Kryptowelt handeln, wonach in einem neuen Bullenzyklus vor allem jene Projekte gut performen, die erst kürzlich lanciert worden sind.
Ethereum bekommt aber nicht nur von verschiedenen Emporkömmlingen Konkurrenz – selbst Bitcoin will der grössten Smart-Contract-Plattform nun ihr «Business» streitig machen. Wie das denn? Bitcoin galt doch stets als weniger programmierbar und war daher kaum Konkurrent?
Entwickler strömen zu Bitcoin
Das war einmal und die Zeiten haben sich geändert. Ein entscheidender Wendepunkt in der Programmierbarkeit Bitcoins markierte das Taproot-Update von 2021. Dieses schuf die Grundlagen für das sogenannte Ordinals-Protokoll. Dinge wie Bitcoin NFTs (Inscriptions oder auch einfach Ordinals genannt) sowie fungible Token auf Bitcoin (BRC-20s) waren nun einfacher zu erzeugen. Diese Entwicklung hat zu einer regelrechten Wiedergeburt der Bitcoin-Entwicklergemeinschaft geführt. Wie die letzten Erhebungen zeigen: Im Dezember 2023 engagierten sich stolze 1’071 aktive Entwickler jeden Monat leidenschaftlich bei Bitcoin. Auffallend war, dass sich im Jahr 2023 insgesamt 40% aller Bitcoin-Open-Source-Entwickler auf sogenannte Bitcoin-Layer-2s konzentrieren. Bei Bitcoin Layer-2-Lösungen handelt es sich um Erweiterungen oder Zusatzprotokolle, die auf der Bitcoin-Blockchain aufbauen und so die Skalierbarkeit und Programmierbarkeit der Bitcoin-Hauptblockchain zu verbessern versuchen. Bitcoin soll dadurch zusätzliche Funktionalitäten erhalten. Im Wesentlichen ermöglichen sie es Nutzern, Transaktionen ausserhalb der Hauptblockchain durchzuführen, was dazu beiträgt, dass die Belastung der Bitcoin-Blockchain verringert und die Transaktionsgeschwindigkeit erhöht werden soll.
Einmal mehr Goldgräberstimmung bei Bitcoin
Das bekannteste Bitcoin-Zusatzprotokoll ist das Lightning-Netzwerk. Dort befinden sich aktuell 4’600 BTC. Neben dem Lightning-Netzwerk sind es vor allem die sogenannten Bitcoin-Sidechains, die derzeit für Furore sorgen. Dieses erweiterte Bitcoin-Ökosystem der verschiedenen Bitcoin-Layers-2s läuft denn gerade auch sehr heiss. Projekte in diesem Bereich haben aktuell kaum Probleme, sich zu finanzieren. Das jüngste Beispiel ist Merlin Chain. Das Projekt soll vor allem in Asien stark ankommen. Dessen Initial Dex Offering (IDO) war stark überzeichnet und das Projekt soll insgesamt 6’599 BTC eingenommen haben. Bei einem IDO bietet ein Projekt seinen Token über eine dezentrale Börse an. 7 Jahre nach Ethereum hat Bitcoin also seinen eigenen ICO-Hype. Was hat uns dieser Hype gelehrt? Die Chancen sind genau so gross wie die Gefahr. Immer dann, wenn in der Kryptowelt etwas gehypt wird, mischen sich auch viele Betrüger und Scharlatane unter die Massen. Wer also mitmischen möchte, sollte die wie Pilze aus dem Boden schiessenden Projekte genau unter die Lupe nehmen.
Stacks als führende Bitcoin-Sidechain
Das bevorstehende Bitcoin-Halving bringt aber ein paar grössere Ereignisse mit sich, welche für den weiteren Verlauf dieser Euphorie wegweisend sein könnten. Allen voran wird das Bitcoin-Halving selbst Bitcoin einmal mehr stark beeinflussen. So wird die tägliche Neuproduktion von Bitcoin-Einheiten um 50% gesenkt. Nach dem Halving, das in weniger als drei Wochen über die Bühne gehen wird, werden dann nicht mehr 900 BTC, sondern nur noch 450 BTC pro Tag produziert.
Ein anderes Ereignis, das in die Zeit des Bitcoin-Halvings fallen wird, ist das sogenannte Nakamoto Update von Stacks (STX). Bei Stacks handelt es sich neben dem Liquid Network und Rootstock um eines der fortgeschrittensten Bitcoin-Layer-2-Projekte. Mit dem Nakamoto-Upgrade (das Testnet ist bereits live) soll die Stacks-Sidechain näher an Bitcoin angebunden werden. Sollte Bitcoin nach dem Nakamoto-Upgrade von Stacks einmal eine Block-Reorganisation durchlaufen, würde sich automatisch auch die Block-Reihenfolge der Stacks-Sidechain in Übereinstimmung mit der Bitcoin-Blockchain wandeln. Damit wird Stacks eine echte Bitcoin-Sidechain. Darüber hinaus soll das Update auf Stacks schnellere Transaktionszeiten bringen. Heute werden Stacks-Transaktionen noch in den zehnminütigen Bitcoin-Block-Abständen abgewickelt – nach dem Update soll die Blockzeit ungefähr 5 Sekunden betragen. Ebenfalls erwähnenswert ist die zeitnahe Implementierung von sBTC, eine dezentral gesicherte, tokenisierte Form von Bitcoin auf Stacks. Diese soll Bitcoin mehr DeFi-Funktionalität geben.
Zum Schluss soll die Bitcoin-Rendite für Stackers erhöht werden. Wenn jemand heute STX besitzt und diese «stackt» (was ähnlich wie das Staking bei Ethereum funktioniert), kann man durch den Stacks-Konsensusmechanismus namens Proof of Transfer (PoX) on-chain BTC verdienen. Das Nakamoto-Update soll diesen Mechanismus effizienter machen, sodass er am Ende mehr Bitcoin für die Stackers abwirft. Bei Stacks zeigen gerade verschiedene Metriken nach oben. Transaktionsvolumen, aktive Adressen, Gebühren und das auf der Sidechain gebundene Kapital sind im Steigen begriffen – ein Hinweis darauf, dass das Interesse an Bitcoin Layer-2s wie Stacks zunimmt. Jüngst hat sogar Franklin Tempelton über das Projekt berichtet.
Runes: Neues Asset-Protokoll auf Bitcoin
Ein zweites wichtiges Ereignis, das ebenfalls gleichzeitig mit dem Bitcoin-Halving auftreten soll, ist die Lancierung von Runes. Es handelt sich dabei um ein neues Protokoll auf Bitcoin, das die Ausgabe und Verwendung von fungiblen Krypto-Assets unter Verwendung des UTXO-Transaktionsmodells erleichtert. UTXO steht für «Unspent Transaction Output» und beschreibt die Art und Weise, wie Bitcoin-Transaktionen funktionieren. So besteht jede Transaktion aus mehreren Inputs und Outputs. Die Inputs sind wie «Ausgaben» aus früheren Transaktionen, die noch nicht ausgegeben wurden (unspent), während die Outputs die neuen «Ausgaben» sind, die an Empfängeradressen gesendet werden. Auf diese Weise werden Bitcoin-Einheiten von einer Adresse zur anderen übertragen, indem neue Transaktionen erstellt werden, die auf den ungenutzten Ausgaben vorheriger Transaktionen basieren. Runes setzt hier an. Ähnlich wie der bereits bekannte BRC-20-Standard zur Lancierung von Tokens direkt auf der Bitcoin-Blockchain soll Runes ebenfalls Token auf Bitcoin ermöglichen. Die Runes-Implementierung soll die Ausgabe von Tokens auf der Bitcoin-Blockchain jedoch vereinfachen und effizienter machen. Nicht nur ist Runes mit dem Lightning-Netzwerk kompatibel, eine Ausgabe soll auch weniger Transaktionen involvieren und daher günstiger sein. Ebenfalls soll die Privatsphäre bei der Nutzung des Runes-Protokolls besser sein. Das Runes-Protokoll wird bereits heiss erwartet. Verschiedene Projekte haben sogenannte Runes-Miner im Einsatz. Über ein Metaprotokoll wie Runescoin (RSIC) lassen sich sogar vor der Lancierung von Runes schon NFTs (Runestones) ausgeben. Leute, die solche Miner oder einen solchen Runenstein besitzen, werden ab Tag 1, wenn das Runes-Protokoll live gehen wird, ihre Bitcoin-basierten Werte handeln können.
Natürlich ist das Runes-Protokoll und dessen Funktionalität nicht unumstritten. Während einige Hardline-Bitcoiner die Bitcoin-basierten NFTs und Token kritisieren, sind andere dieser Entwicklung zwar wohl gesinnt. Letztere Gruppe streitet aber darüber, ob Runes gegenüber BRC-20 tatsächlich eine Verbesserung darstellt. Nichtsdestotrotz ist zu erwarten, dass diese Entwicklung Bitcoin, selbst im Vergleich zu anderen Kryptos, Aufwind verleihen könnte. In der Community spricht man von einem möglicherweise bevorstehenden Bitcoin DeFi Summer. Ob es dazu kommen wird? Wir sind gespannt.