Bitcoin-Volatilität inmitten der Makrofluten
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Pascal Hügli
Redaktor
Gerade jetzt erinnern wir uns wieder an die Worte des grossen Hedgefonds-Managers Paul Tudor Jones: Er bezeichnete Bitcoin als das «schnellste Pferd im Rennen». Das gilt natürlich für den Weg nach oben genauso wie für den Weg nach unten.
Jüngst haben die Marktängste über einen möglichen Krieg, Rezessionsrisiken, Devisenmarktinstabilität und das Hickhack um die US-Wahlen wieder Überhand gewonnen. Infolgedessen ist der Bitcoin-Preis seit Ende Juli von fast USD 70’000 Dollar auf ungefähr USD 50’000 gefallen. Und viele Marktteilnehmer befinden sich in Lauerstellung und fragen sich, ob mit einem weiteren Abwärtsrisiko zu rechnen ist.
Diese jüngsten Turbulenzen traten nur wenige Tage nach der Diskussion in der US-Politik über eine strategische Bitcoin-Reserve für die US-Regierung auf. Neben US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump haben sich weitere wichtige Akteure dafür ausgesprochen. US-Senatorin Cynthia Lummis hat sogar einen Gesetzesentwurf eingebracht. Dieser Bitcoin Act würde die USA verpflichten, insgesamt eine Million Bitcoin als Teil der strategischen Reserve zu kaufen.
Ist der Yen schuld?
Was hat nun im Detail dazu geführt, dass die Kryptomärkte so schnell in den «Risk-Off»-Modus gewechselt sind? Ein wesentlicher Faktor ist der sogenannte US-Dollar-Yen-Carry-Trade, bei dem einige bedeutende Marktteilnehmer gezwungen waren, ihre Positionen aufzulösen. Warum das? Nun, verschiedene Makrofonds haben in den vergangenen Jahren ihre Kredite in der japanischen Währung aufgenommen – die Zinsen waren in diesem Währungsraum lange günstiger. Wer aber einen Kredit in Yen aufnimmt, muss diesen auch in Yen zurückbezahlen. Als die japanische Zentralbank die Zinsen vor ein paar Tagen anhob, wirkte sich das auf den Yen aus – er stieg im Wert. Das führte dazu, dass die in Yen aufgenommenen Kredite plötzlich teurer wurden.
Sind also die Verbindlichkeiten in Yen denominiert und der Yen-Preis steigt, kann dies bei den betroffenen Makrofonds letztlich zu Margin-Calls führen. Die Fonds müssen dann zusätzliche Liquidität bereitstellen, um die Liquidation ihrer Positionen zu verhindern. Erste Margin Calls sowie die Angst vor weiteren Margin Calls führten jetzt zu ersten Verkäufen von Vermögenswerten, um die benötigte Liquidität zu beschaffen. Dies reichte aus, um starke Korrekturen an den Aktien- und Kryptomärkten auszulösen.
Kommt jetzt aber die US-Rezession?
Dass der Dollar-Yen-Kurs an dieser Korrekturschuld sei, halten einige für eine falsche Schlussfolgerung. Vielmehr seien die Märkte durch weltweit schlechte Wachstumsaussichten, geopolitische Spannungen und der Angst vor einer US-Rezession getrieben.
Besonders der US-Arbeitsmarkt bereitet Marktbeobachtern zunehmend Sorgen. Im Juli ist die Arbeitslosenquote in den USA auf 4.3% gestiegen, was 0.2% über der von der US-Notenbank für das Jahresende prognostizierten Quote liegt. Die Zahl der Neueinstellungen fiel mit 114’000 deutlich niedriger aus als im Juni, als noch 206’000 neue Arbeitsplätze geschaffen wurden. Auch die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung haben die Prognosen der Analysten übertroffen und einen Höchststand seit August 2023 erreicht.
Um zu begründen, dass eine Rezession bevorstehen könnte, berufen sich einige Marktteilnehmer auf das von der amerikanischen Ökonomin Sahm entwickelte Modell. Dieses Modell besagt, dass sich die USA in einer Rezession befinden, sobald die Arbeitslosenquote um 0.5% über das 12-Monats-Tief steigt – was derzeit der Fall ist.
Ausgang: unbekannt
Warum korrigieren die Märkte denn nun wirklich? Liegt es «nur» am US-Dollar-Yen-Kurs, der einige Investoren und Fonds unter Druck setzt? Oder ist eine US-Rezession tatsächlich unvermeidbar?
Nicht alle Marktteilnehmer sind überzeugt, dass die Rezession unmittelbar bevorsteht. Zwar reagierten Gold und US-Anleihen wie üblich in solchen Szenarien und bestätigten einmal mehr ihren Status als sichere Häfen. Doch diejenigen, die nicht an eine bevorstehende US-Rezession glauben, argumentieren: Wären die Rezessionsängste tatsächlich der Haupttreiber hinter den jüngsten Verwerfungen, hätten langfristige US-Anleihen wesentlich stärker nachgefragt werden müssen.
Unbestritten ist, dass die Volatilität stark gestiegen ist. Dies allein könnte dazu führen, dass diese Korrektur nicht innerhalb weniger Tage ausgestanden ist. Viele Anleger dürften ihre Risikomodelle auf «Risk-Off» umgestellt haben. Da diese Modelle oft trendabhängig sind, muss sich eine Kehrtwende erst über mehrere Wochen bestätigen, bevor die Modelle wieder auf «Risk-On» umschalten.
Der Fokus liegt nun definitiv auf den Wirtschaftsdaten der USA, insbesondere auf den Arbeitsmarktzahlen. Als nächstes stehen Updates zu den Erstanträgen auf Arbeitslosenunterstützung sowie die Beschäftigungsdaten der US-Bundesstaaten an. Sollten diese Daten die Anzeichen einer Rezession weiter verstärken, würde das die Situation für Anleger deutlich ungemütlicher machen.
Wie steht es um Bitcoin (und Krypto)?
Ein grosses Deleveraging-Ereignis, verursacht durch eine Kaskade von überschuldeten japanischen Anlegern, die sich mit einem Margin Call konfrontiert sehen, wäre aus Sicht eines Investors die wohl bessere Alternative als eine Finanzkrise, die durch eine US-Rezession ausgelöst wurde. Denn wie sich Bitcoin in einer echten, tiefen Rezession verhalten würde, wissen wir nicht, da es dafür noch keinen historischen Präzedenzfall gibt.
Wahrscheinlich ist aber, dass die jüngste Korrektur Spuren hinterlassen wird und erst verdaut werden muss. Derzeit halten über 90% aller Kurzzeithalter ihre Bitcoin mit Verlusten – immerhin liegt der aktuelle realisierte Bitcoin-Preis für die Kurzzeithalter, also deren Kostenbasis, bei über USD 65’000. Erste Anzeichen für eine Kapitulation derselben sind auch schon auszumachen. Das zeigt der STH-SOPR-Indikator, der gerade deutlich unter 1 liegt.
Eine positive Entwicklung wäre es, wenn dieser Indikator in den nächsten Tagen wieder über 1 steigen würde. Dies würde darauf hindeuten, dass die durchschnittlichen Kurzzeithalter nicht in den «Sell the Rip»-Modus übergegangen sind, bei dem Bitcoin-Preisanstiege als Ausstiegsmöglichkeiten betrachtet werden.
Bis auf Weiteres ist der Spotmarkt von Bitcoin aber stark durch die Verkäuferseite dominiert. Das aktuell negative Delta des kumulativen Spotvolumens zeigt uns einen kumulativen Netto-Verkaufsdruck an und liegt derzeit bei USD 260 Millionen pro Tag. Auch wenn dieses Delta in den nächsten Tagen etwas zurückgehen könnte, scheint es unwahrscheinlich, dass es schon bald wieder in positives Territorium übergeht.
Ähnliches zeigt auch Bitcoins Momentum-Indikator für realisierte Gewinne/Verluste. Seit Mitte Juni ist dieses Momentum von Verlusten geprägt, und solange der Indikator nicht ins Positive dreht, gibt es für kurzfristige Bitcoin-Trader keinen Grund optimistisch zu sein.
Bei den Altcoins sieht das Bild mitnichten besser aus. In makroökonomisch schwierigen Zeiten, in denen bereits der Bitcoin-Preis zu kämpfen hat, schneiden andere Kryptos im Durchschnitt noch schlechter ab. Die Bitcoin-Dominanz ist in den letzten Tagen wieder gestiegen und lag kurzfristig bei über 58%. Es ist gut möglich, dass sie in den nächsten Tagen bis Wochen auf bis zu 60% ansteigt – eine Tatsache, die Altcoins wenig vielversprechend erscheinen lässt.
Was bleibt Positives? Nun, die Bitcoin-Korrektur hat letztlich nichts mit Bitcoin zu tun und ist vor allem makroökonomisch getrieben. Sollten sich die gesamtwirtschaftlichen Aussichten also wieder bessern, dürfte Bitcoin einmal mehr auch auf dem Aufwärtsweg das schnellste Pferd sein. Es könnte sich somit in den nächsten Tagen bis Wochen durchaus lohnen, bei Bitcoin und Co. nach guten Einstiegsmöglichkeiten Ausschau zu halten.