Value vs. Growth: Ein stetiges Wechselspiel
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Serge Nussbaumer
Chefredaktor
Um eine Investmententscheidung zu treffen, bedienen sich Börsianer gerne verschiedener Anlagestile. Als die bekanntesten Strategien zählen das Value- und das Growth-Investing. Während die substanzorientierte Methode auf der Suche nach dem inneren Wert abzielt, sind beim Growth-Ansatz künftiges Gewinn- und Umsatzwachstum die wesentlichen Kernelemente. Es stellt sich die Frage: Welcher der beiden Vorgehensweisen bringt die höhere Rendite?
Value und Growth sind wohl die beiden bekanntesten Ausrichtungen, wenn es um das Thema Anlagestrategien geht. Der US-Wirtschaftswissenschaftler und Investor Benjamin Graham legte bereits 1934 mit seinem Buch «Security Analysis» den Grundstein für das heute bekannte Value-Investing. Das Prinzip ist ebenso einfach zu verstehen wie auch umzusetzen. Anhand von Bilanzkennzahlen wird der tatsächliche Wert eines Unternehmens ermittelt. «Kaufe einen Dollar, aber bezahle nicht mehr als 50 Cent dafür», lautet dazu eine passende Aussage von Value-Verfechter Warren Buffet, der einst unter Graham studiert hat. Eine lange Tradition bei der Navigation durch den Börsendschungel hat aber auch das Growth-Modell. Dabei machen sich Investoren auf die Suche nach wachstumsstarken Unternehmen. Entsprechend erlebte dieser Stil während des New Economy-Booms eine Blütezeit und musste nach dem Platzen der Blase entsprechend viel Kritik einstecken.
Wachstum im Vorteil
Allerdings ist das lange her und der Wachstumsansatz ist längst wieder en vogue und sorgt zudem für hohe Renditen. Zwar belegen historische Untersuchungen, dass der Value-Ansatz sowohl aus Rendite- als auch aus Risikogesichtspunkten langfristig überlegen ist, doch sind immer wieder Phasen zu beobachten, in denen die Growth-Strategie die Nase vorne hat. Eine Anomalie in einer ansonsten langen Geschichte der Dominanz von Substanzwerten lässt sich im Zeitraum von Mitte 2007 bis Ende 2020 feststellen «In diesen 13 Jahren verbuchten Substanzwerte eine durchgehende Underperformance, unabhängig von Regionen, Sektoren, Kennzahlen und Anlageklassen», stellen Joyce Weng und Ian Butler von J.P. Morgan Asset Management in einer Analyse fest und führen weiter aus: «Dieser Zeitraum war der längste Rückgang, den Substanzwerte seit dem Zweiten Weltkrieg erlitten haben. Er gipfelte in der Pandemie von 2020, dem schlechtesten Jahr für Value-Anlagen seit Beginn der Aufzeichnungen.»
Dies lässt sich auch beim Vergleich vom MSCI World Value Index mit dem MSCI World Growth Index feststellen. Während erstgenanntes Barometer im Jahr 2020 einen Verlust von 0.4% hinnehmen musste, legten die Kurse der weltweiten Growth-Titel um 34.2% zu. Nach einer folgenden zweijährigen Outperformance-Phase der Value-Aktien kehrte sich das Bild 2023 abermals um. Vor allem die Fantasie auf fallende Zinsen liess die Risikoaversion sinken und Investoren schichteten verstärkt ihr Geld von defensiven in spekulativere Titel um.
Der Anlegertyp entscheidet
Zurecht fragen sich Anleger nun, welche Aktienkategorie wohl in 2024 die höheren Renditen bringen wird. Gründe für ein Sympathieempfinden lassen sich für beide Investmentstile finden. Schrauben die Notenbanken tatsächlich ihre Leitsätze rasch nach unten und bleibt eine Rezession aus, dürfte dies den Growth-Aktien in die Hände spielen. Würde aber die Inflation ein Revival geben, wäre es schnell vorbei mit den Spekulationen auf eine lockerere Geldpolitik, was wiederum substanzstarken Unternehmen einen Vorteil verschaffen sollte.
Die grundsätzliche Fragestellung bei der Wahl der Strategie sollte nicht nach der kurzfristigen Kursentwicklung sein, sondern vielmehr nach der Risikoneigung des Anlegers. Während risikobewusste Investoren besser im Growth-Ansatz aufgehoben sind, kommt die Value-Philosophie eher konservativen Naturen entgegen. So liegen dem Value-Investing fundamentale Werte zugrunde, die relativ stabil sind. Das sorgt unter anderem dafür, dass die Schwankungsbreite, im Fachjargon Volatilität genannt, von diesen Aktien in der Regel geringer ausfällt, als jene der wachstumsorientierten Titel. Dies ist dem Analyse- und Investmentprozess beim Growth-Ansatz geschuldet. Eigenkapitalquote, Dividenden sowie die aktuelle Bewertung spielen hier nur eine untergewichtete Rolle. Der Fokus liegt auf Unternehmen, welchen in der Zukunft überdurchschnittliche Steigerungsraten bei Gewinn- und Umsatz zugetraut werden. Wie bereits eingangs erwähnt, hat die Value-Strategie im langfristigen Vergleich die Nase vorne. Ausgehend von Dezember 1974 erwirtschaftete der MSCI World Value Index eine durchschnittliche jährliche Rendite von 11.2%. Das Growth-Pedant liegt etwas mehr als einen Prozentpunkt zurück, der allumfassende MSCI World hat mit 10.8 p.a. ebenfalls das Nachsehen.
Wer die Einzelanalyse scheut und eine kostengünstige Alternative zu aktiv gemangten Value- oder Growth-Fonds sucht, kann auf ETFs zurückgreifen. So bietet beispielsweise iShares ein Partizipationspapier auf den MSCI World Value Index (ISIN IE00BP3QZB59) an. Amundi hat wiederum einen ETF auf den MSCI Europe Growth Index (ISIN LU1681042435) im Angebot.