Das Bitcoin-Mining: Ein Kampf ums Überleben (und Effizienz)
-
Pascal Hügli
Redaktor
Mit Ethereums erfolgreichem Konsensusmechanismus-Wechsel von Proof-of-Work zu Proof-of-Stake ist das Mining in der öffentlichen Wahrnehmung jüngst etwas in den Hintergrund gerückt.
Das ist jedoch nur scheinbar so. Hinter den Kulissen wird bei Bitcoin, der noch immer grössten Kryptowährung nach Marktkapitalisierung, weiter munter Mining betrieben. Wie es die Hashrate zeigt, ist die Rechenleistung, die das Bitcoin-Netzwerk derzeit auf sich vereint, denn auch so hoch wie nie zuvor. Und gleichwohl scheinen verschiedene Mining-Unternehmen derzeit in Schwierigkeiten zu sein. Wie passt das zusammen?
Die Hashrate von Bitcoin hat erst vor wenigen Tagen ein neues Allzeithoch erreicht. Quelle: Blockchain.com
Um eine mögliche Antwort auf diese Frage zu liefern, müssen wir uns zuerst die aktuelle Mining-Situation vergegenwärtigen. Grund für den aktuellen Anstieg der Bitcoin-Hashrate trotz niedrigem Preis sind vor 8-12 Monaten getätigte Investitionen. Dazumal befanden wir uns am Ende des Bullenmarktes 2021, in dem Bitcoin einen Höchstwert von fast 69’000 Schweizer Franken erreichte.
Aufgrund des damals hohen Kurses und der damit einhergehenden hohen Rentabilität sind viele Miner in dieses Mining-Geschäft eingestiegen. Unter anderem aufgrund von Unterbrechungen in den globalen Lieferketten wurden viele der während dieser Zeit bestellten Maschinen erst vor wenigen Monaten geliefert und konnten somit erst über die vergangenen Monate ans Bitcoin-Netzwerk angeschlossen werden. Doch wie heisst es so schön: «Lieber später als nie».
Zum Aufstieg öffentlich gehandelter Miner
Einige Miner dürften den Einstieg oder Ausbau ihrer Aktivitäten heute jedoch bereuen; doch dazu gleich mehr. Noch vor einem Jahr sprudelten die Gewinne, der Bitcoin-Preis war hoch und die Möglichkeiten zur Kapitalaufnahme scheinbar grenzenlos. Von der Euphorie getrieben gingen über das vergangene Jahr zahlreiche Mining-Unternehmen an die Börse. Während zu Beginn des Jahres 2021 gerade einmal zwei Bitcoin-Mining-Unternehmen am US-amerikanischen Markt notiert waren, zählte der Nasdaq Ende 2021 stolze 16 börsenkotierte Mining-Firmen.
Diesen Umstand spiegelt auch die Hashrate wider. Vor einem Jahr steuerten öffentlich gelistete Miner nur 10% der gesamten Bitcoin-Hashrate bei. Gegenwärtig hat sich der Prozentanteil mehr als verdoppelt und liegt bei ungefähr 24%.
Der Anteil der Hashrate von an der Börse kotierten Minern ist im Vergleich zu privaten Minern angewachsen. Quelle: Cointelegraph
Mit dem Geld, das die Mining-Unternehmen mittels Börsengang einsammelten, haben sie vor allem ihre Tätigkeiten ausgeweitet. Doch das haben sie nicht nur mittels Eigenkapitalaufnahme gemacht. Eine ebenso grosse, wenn nicht noch grössere Rolle, spielten Kredite. Insbesondere im 3. und 4. Quartal des vergangenen Jahres sass das Kapital bei Investoren und Kreditgebern locker. Und während die neuen Mining-Anlagen mit Eigenkapital gekauft wurden, dienten letztere sowie bestehende Mining-Geräte den Minern sogar als Besicherung (Collateral) für neue Kredite.
Gesamtbetrag des von Minern aufgenommenen Eigen- und Fremdkapitals über die vergangenen vier Quartale. Die zweite Hälfte von 2021 lief besonders heiss. Quelle: Swan Bitcoin
Doppeltes Pech mal zwei
Diese Kredite sind in den letzten Wochen immer stärker unter Druck gekommen, denn verschiedene Mining-Unternehmen stehen vor Liquiditätsengpässen zur Deckung laufender (Kredit-)Kosten. Die Aktienpreise der öffentlich kotierten Mining-Firmen sind arg zusammengefallen. So liegt die durchschnittliche Performance dieser börsennotierten Bitcoin-Mining-Unternehmen im Vergleich zum Vorjahr bei -86.8%. Aufgrund des grossen Wertverlustes ihrer Aktien können die Mining-Firmen also nicht die gleichen Kapitalmengen durch Eigenkapitalfinanzierung aufbringen, wie noch zu Zeiten des Bullenmarktes.
Eine andere Möglichkeit zur Geldbeschaffung ist der Verkauf von Inventar, allen voran Mining-Geräten. Das hat zum Beispiel die Mining-Firma Argo Blockchain vor kurzem gemacht und insgesamt über 3’400 Maschinen verkauft. Das Problem dabei ist: Diese Verkäufe drücken auf den Kurs der Mining-Geräte, jene Geräte, die Miner für ihren Kredit als Sicherheiten hinterlegt haben. Ein Teufelskreis also.
Der stark gesunkene Bitcoin-Preise und die fallenden Kurse für Mining-Maschinen sind aber nur einer der Faktoren, die Mining-Firmen zusetzen. Problematisch sind auch die gleichzeitig steigenden Strompreise, die Lieferkettenunterbrechungen sowie die durchschnittlich tiefen Transaktionsgebühren, die ein Miner pro Bitcoin-Block derzeit einstreicht.
Die durchschnittliche Bitcoin-Transaktionsgebühr liegen derzeit bei 1.3 US-Dollar. Quelle: YCharts
Und natürlich ist es auch die historisch hohe Hashrate, welche die Gewinnmarge einzelner Miner verschlechtert. Denn wie viele Bitcoin ein Mining-Unternehmen pro geleisteter Hashrate erhält, hängt von der Höhe der Gesamthashrate im Bitcoin-Netzwerk ab. Steigt die Hashrate, wird es für Miner schwieriger, einen Block zu schürfen und die Blockbelohnung zu erhalten. Das wiederum wirkt sich auf die Rentabilität aus. Eine rekordhohe Hashrate ist zwar äusserst positiv für das Bitcoin-Netzwerk, heisst das doch, dass dieses so sicher ist wie nie zu vor. Für den einzelnen Miner ist die Realität gerade andersherum: Er bekommt weniger Bitcoin.
Steht uns eine Miner-Kapitulation noch bevor?
Die Bitcoin-Mining-Firma Compute North musste bereits aufgeben und hat vor ungefähr einem Monat Konkurs angemeldet. Und mit Core Scientific hat der grösste öffentlich gelistete Bitcoin-Miner vor ein paar Tagen ebenfalls angekündigt, dass man kurz vor dem Aus steht. Die Firma ist derzeit dabei, mittels Anwaltskanzleien auf eine Kapitalerhöhung oder Umstrukturierung hinzuwirken. Dies nachdem das Unternehmen im Oktober erneut über 1’000 Bitcoin liquidieren und seine Reserve von 1’051 (30. September 2022) auf 24 BTC (26. Oktober) reduzieren musste.
Sollte sich die betriebswirtschaftliche Lage für Miner weiter verschlechtern, so könnte es gegen Jahresende zu weiteren BTC-Verkäufen kommen, die einen Abwärtsdruck auf den Bitcoin-Kurs hätten. So halten die öffentlich gelisteten Mining-Unternehmen noch immer genügend Bitcoin, um den Verkaufsdruck auf Bitcoin weiter aufrechtzuerhalten.
Bitcoin-Miner halten noch immer grosse Mengen an Bitcoin, die sie auf den Markt werfen könnten. Quelle: Bitcoin Magazine Pro
Aus positiver Sicht ist anzumerken, dass verschiedene Miner bereits im Juni grössere BTC-Verkäufe getätigt haben und diese wohl der Aufpolierung ihrer Bilanzen, der Deckung von Kosten und der Bedienung von Schulden gedient haben. Ist das der Fall, kann davon ausgegangen werden, dass die Mining-Unternehmen heute besser dastehen als noch im 2. Quartal dieses Jahres.
Ebenfalls positiv zu werten ist der Umstand, wonach der Hash-Ribbon-Indikator ein leicht bullisches Signal sendet. Diesen Indikator und seine Aussagekraft haben wir in diesem Artikel ausführlicher abgehandelt. Seit Mitte August konnte sich der gleitende 30-Tage-Hash-Rate-Durchschnitt (Hash Rate 30DMA) wieder über dem gleitenden 60-Tage-Hash-Rate-Durchschnitt halten. Das deutet darauf hin, dass sich die Hashrate zu erholen beginnt, die ineffizienten Mining-Betriebe aufgegeben haben und die effizienten Miner nach wie vor am Netz sind. Historisch gesehen ist das preistechnisch eher bullisch zu bewerten.