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Der Bitcoin-Bulle und das Binance-Beben

06.04.2023 6 Min.
  • Pascal Hügli
    Redaktor

In den letzten Wochen haben sich die Erwartungen der Marktteilnehmer bezüglich der Zinssätze drastisch geändert. So kam es am Anleihenmarkt zu einer Neupreisung der Renditen und es scheint als würde das Gros am Markt noch in diesem Jahr mit Zinssenkungen rechnen.

Einer der Gründe dafür ist die anhaltende Disinflation. Der Core PCE Index, der von der Fed als bevorzugter Indikator für die Inflationsrate betrachtet wird, ist weniger stark gestiegen als erwartet. Bitcoin hat diese Entwicklung antizipiert, weshalb der Kurs seit Jahresbeginn um über 60% angezogen hat. Besonders stark hat die Kryptowährung dann aber reagiert, als sich in den vergangenen Wochen eine mögliche, neu anbahnende Bankenkrise abgezeichnet hat. So sind denn auch einige Regionalbanken in den USA bereits kollabierten und andere standen kurz vor dem Zusammenbruch. In der Schweiz musste mit der Credit Suisse ebenfalls eine systemrelevante Bank mit einer anderen durch eine von der Schweizerischen Nationalbank gesponsorte Übernahme zwangsverheiratet und damit gerettet werden.

Kreditwachstum kommt unter Druck

In Anbetracht dieser Ereignisse stellt sich für Anleger nun die Frage: Was ist beim Übergang von Q1 zu Q2 für die nahe Zukunft zu erwarten?

Die Disinflation dürfte in diesem Jahr weiter anhalten. Wenn auch eine sich ausbreitende Bankenkrise in den vergangenen Tagen dank der Notfallprogramme durch die Zentralbanken – allen voran durch das «Bank Term Funding Program (BTFP)» der US-Notenbank – abgewendet werden konnte, so muss sich in den nächsten Wochen noch weisen, ob die Ansteckungsgefahr unter den Banken ganz gebannt ist.

So sicher wie das Amen in der Kirche dürfte sein, dass wir aufgrund der anhaltenden Finanzierungsproblemen bei den Banken einen weiteren Rückgang der Kreditvergabe erleben werden. Je mehr der Repo-Markt wächst, desto höher ist die Belastung des Bankensystems und der Kreditbedingungen, was wiederum die Wahrscheinlichkeit einer Rezession erhöht. Sollte dies geschehen, könnte sich die spätzyklische Verlangsamung der Wirtschaft beschleunigen, weshalb sich die US-Notenbank schliesslich doch gezwungen sehen könnte, die Zinsen zu senken und den viel zitierten Pivot einzuschlagen.

Obwohl sich eine derartiges Szenario nicht gleich in den nächsten zwei Monaten realisieren sollte, so scheint es der Base-Case für dieses Jahr zu sein. Nicht zuletzt deshalb sind die Zinsen bei den zweijährigen Staatsanleihen so stark heruntergekommen. Wie immer handeln diese Staatspapiere in Antizipation auf die unmittelbare Zukunft – Märkte sind immer vorausschauend Da spielt es keine Rolle, wenn sich die US-Notenbank zurzeit noch stoisch gibt und keine «dovischen» Anstalten macht, denn es gilt: Der Markt wird das letzte Wort haben, nicht die Notenbank.

Chart-bullischer Setup bei Bitcoin

Und Bitcoin? Natürlich hängt der weitere Kurverlauf der Kryptowährung von der Makro-Marktsituation ab – und jener der anderen Kryptoassets wiederum von Bitcoin. Charttechnisch gesprochen hatte Bitcoin 2022 ein brutales Jahr, das von wiederkehrenden «Lower Highs» geprägt war. Rückwirkend lässt sich schliessen: BTC befand sich in einem Abwärtstrend, der das ganze letzte Jahr über anhielt.

Seit Jahresbeginn scheint dieser Trend allerdings gebrochen und es könnte eine Trendwende eingesetzt haben – so jedenfalls lassen sich die technischen Charts deuten. In den ersten Monaten dieses Jahres verzeichnet Bitcoin sogenannte «Higher Highs», der Preis stabilisiert in der kurzen Frist jeweils auch einem höheren Plateau. Derartige «Higher Highs» werden von Händlern und Investoren in der Regel für ein positives Signal gewertet.

Aufgrund der gegenwärtigen Konsolidierungsphase, in der sich Bitcoin in einer Preisspanne zwischen $25k und $30k befindet, kombiniert mit dem möglichen Trendwandel sieht es für längerfristige Investoren und erfahrene Anleger wieder etwas besser aus, um erneut in den Bitcoin-Markt einzusteigen. Immerhin erinnert die gegenwärtige Situation an frühere Markterholungen, in denen der Bitcoin aus seinem Abwärtstrend ausbrach und sich dann deutlich von seinen Tiefstständen erholte, um schliesslich vor dem nächsten Bitcoin-Halving – voraussichtlich im April oder Mai 2024 – in eine längere Konsolidierungsphase einzutreten.

Markteigenes Risiko: Binance

Die Ausgangslage bei Bitcoin ist somit eher als bullisch zu werten. Wo aber liegen die Risiken? Wie bereits erwähnt, ist Bitcoins weitere Kursverlauf stark mit der aktuellen Makro-Situation verflochten. Als ultimatives Liquiditätsbarometer wird der Bitcoin-Preis nach wie vor von der Liquiditätssituation am Gesamtmarkt abhängig sein. Fliesst mehr Finanzliquidität in den Markt, wird Bitcoin davon profitieren. Versiegt diese jedoch eher, wird der Bitcoin-Preis und damit der gesamte Kryptomarkt unter Druck kommen.

Mit sogenannt idiosynkratischen, also markteigenen Risiken hat die Kryptowelt auch immer noch zu kämpfen. Ende März reichte die CFTC, der US-Regulierungsbehörde, welcher die Terminmärkte für Rohstoffe unterstellt sind, eine Klage gegen Changpeng Zhao (CEO), den Chief Compliance Officer (CCO) von Binance, Samuel Lim, und mehrere mit Binance verbundene Unternehmen ein. Der Haupteinwand: Das Binance-Imperium würde gegen den Commodity Exchange Act und die zahlreiche CFTC-Vorschriften verstossen.

Als Beweisstücke werden von der Regulierungsbehörde gar private Unternehmenschats aufgeführt, welche die Vorwürfe an die Kryptobörse bestätigen würden. Die Einwände zielen vor allem darauf ab, dass der nicht-amerikanische Teil von Binance US-Kunden unrechtmässig hat auf der Börse handeln lassen und die global tätige Krypto-Handelsbörse damit erst noch viel Geld verdient hat.

Ist das alles nun FUD – «fear, uncertainty and doubt», das Kritiker zu säen versuchen – oder doch ernstzunehmende Gefahr für das Binance-Imperium und damit die gesamte Krypto-Industrie? Natürlich wird der Regulator nicht lockerlassen. In der Vergangenheit liessen sich derartige Vorwürfe und Auseinandersetzungen zwischen Regulator und Marktteilnehmer über das Bezahlen von Bussen immer mal wieder lösen. Ob das Binance auch gelingen wird und die Kryptobörse mit einem blauen Auge davonkommen wird, ist zum heutigen Zeitpunkt noch unklar. Es ist vor allem die Gerüchteküche, die brodelt: So soll Interpol bereits nach dem Binance CEO fahnden.

Sollten sich diese Gerüchte und Anklagen erhärten und Binance tatsächlich in die Knie gezwungen werden, dann würde das den Krypto-Markt einmal mehr erschüttern, wovon auch die Preise der einzelnen Kryptoassets nicht unberührt blieben. Insbesondere die Liquidität innerhalb des Kryptmarktes würde wohl noch stärker schrumpfen. Bereits heute ist die Bitcoin-Liquidität geringer als noch vor einem Jahr, was schnelle und drastische Preis-Bewegungen begünstigt – gegen unten wie auch gegen oben versteht sich. 

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