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payoff Interviews

Der Burger war hier so etwas wie die «Killer-App».

04.06.2020 7 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Massimo Zucchero, Global Category Lead – Plant-based meal solutions and chilled products bei Nestlé, zu den aktuellen Entwicklungen und Trends in der Ernährungs- industrie und zum Wachstumspotenzial in diesem Geschäftsfeld.

Gesunde Ernährung bekommt global eine stetig wachsende Bedeutung. Welches sind aus Ihrer Sicht die bedeutendsten Trends in der Ernährungsindustrie?
Heutzutage verstehen wir immer besser den Zusammenhang zwischen gutem Essen und unserer Gesundheit. Die Menschen achten mehr darauf was sie essen und woher es kommt. Sie suchen nach Produkten mit natürlichen, bekannten Zutaten aus nachhaltigem Anbau. Pflanzenbasierte Lebensmittel tragen da zu einer Ernährung bei, die sowohl Menschen als auch Planet zugute kommt. Wir bieten einige der leckersten und gesündesten pflanzlichen Optionen, insbesondere durch unsere Marken Garden Gourmet und Sweet Earth.

Nestlé beschäftigt weltweit rund 300 Wissenschaftler, Ingenieure und Produktentwickler, die sich in acht F&E- Zentren der Entwicklung pflanzlicher Produkte widmen. Wo befinden sich diese Zentren und welche Schwerpunkte weisen sie auf? Wie läuft die Interaktion der einzelnen Forschungszentren ab?
Wir haben das weltweit grösste Forschungsnetzwerk im Bereich Lebensmittel und Ernährung, mit 3’900 Mitarbeitenden an 23 Standorten weltweit. Ein Schwerpunkt sind pflanzliche Proteine. Dabei entwickeln wir eigene Technologien die beste Werte für Nährwert, Geschmack und Konsistenz liefern. Unsere Grundlagenforschung findet bei Nestlé Research in Lausanne statt. Forschungsergebnisse werden dann in unseren Produktentwicklungs- und Forschungszentren in innovative Produkte verwandelt. Unsere pflanzenbasierten Produkte werden hauptsächlich in acht Forschungszentren zur Marktreife gebracht, darunter in Orbe und Konolfingen in der Schweiz.

Zudem arbeiten wir auch mit starken Partnern zusammen: innovative Firmen wie Corbion, Burcon und Merit, Universitäten wie zum Beispiel ETHZ und EPFL über die Future of Food Initiative, Start-ups durch unsere Nestlé Accelerators, und Organisationen wie die Swiss Food & Nutrition Valley.

In welchen Produktkategorien sehen Sie aktuell die grössten und wichtigsten Tätigkeitsfelder in der Entwicklung pflanzlicher Alternativen?
Pflanzenbasierte Fleischersatzprodukte machen zurzeit die Schlagzeilen und tragen dazu bei, den Fleischkonsum zu reduzieren.

Der Burger war hier so etwas wie die «Killer-App». Unternehmen haben hart daran gearbeitet, einen Burger zu kreieren, der aussieht, schmeckt und brät wie Fleisch. Andere pflanzenbasierte Produkte waren schon immer Teil unseres Portfolios und sind nach wie vor wichtig. Das gilt insbesondere für Vegetarier und Veganer, die kein fleischähnliches Erlebnis suchen. Mit Blick auf andere Kategorien legen wir ebenfalls grossen Wert auf die Entwicklung pflanzlicher Milchalternativen wie Getränke, Käse, Kaffeemischungen und Kaffeeweisser.

Was ist die grösste Hürde bei der Entwicklung pflanzlicher Alternativprodukte im Hinblick auf Textur und Verarbeitungseigenschaften?
Bei den Fleischersatzprodukten ist es der saftige Geschmack und die Konsistenz. Der Burger oder auch die Wurst muss dann auf dem Grill oder in der Pfanne brutzeln wie Fleisch. Bei Milchalternativen suchen wir den weichen, vollmundigen Geschmack der Milch. Dazu bringen wir mit unseren selbstentwickelten Methoden natürliche Pflanzenproteine, natürliche Pflanzenextrakte und Aromen und gesunde Öle zusammen. Eine weitere Herausforderung ist, auch gute Nährwerte zu liefern. Pflanzenbasierte Produkte können gute Quellen von Proteinen, Vitaminen, Mineralstoffen, Ballaststoffen und guten Ölen sein. Unsere Produkte gehören zu den besten am Markt, die meisten mit einem grünen «A» oder «B» beim Nutri-Score.

Wie beurteilen Sie den Kostenfaktor im Vergleich zu konventionellen Produkten?
Wir äussern uns nicht zu den Produktionskosten für einzelne Produkte. Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung dieser Kategorie und investieren hier weiter, wie zum Beispiel in eine neue Produktionsanlage für pflanzenbasierte Produkte in China.

Welche Proteine werden künftig verstärkt die Basis für neue Produktentwicklungen im Bereich pflanzlicher Alternativen bilden?
Wir setzen bereits eine breite Palette an Proteinquellen bei unseren Food-Produkten ein, insbesondere Soja und Erbsen. Im Bereich der Milchalternativen nutzen wir schon Hafer, Soja, Kokos, und mehr. Wir haben auch bekanntgegeben, dass wir auf dem Gebiet Mikroalgen forschen. Diese sind eine exzellente Quelle von Proteinen, gesunden Fetten und Mikronährstoffen, und zudem haben sie eine sehr niedrige Ökobilanz.

Fleischlose Lebensmittel (z. B. Burger) wären im Falle einer breiten Akzeptanz der Nachfrager ein extrem lukratives Geschäftsfeld. Nestlé ist hier u. a. mit dem Incredible Burger, der von McDonald’s in Deutschland vertrieben wird, präsent. Worin unterscheidet sich der von Nestlé’s Tochterfirma Garden Gourmet produzierte Burger von denen der Konkurrenz?
Unser Burger und andere Produkte von Garden Gourmet sind mittlerweile in 15 Ländern in Europa verfügbar. Weitere Länder werden folgen. Die Kategorie ist sehr dynamisch und von Innovation geprägt, und das ist gut so. Wir sehen unseren Vorteil darin, dass wir die gesamte Wertekette abdecken. Unsere kulinarische Expertise zusammen mit unseren Forschungskapazitäten hat zu einem der besten pflanzenbasierten Burgern am Markt geführt. Dieser bringt ein Geschmackserlebnis sehr nahe am Fleisch, mit sehr guten Nährwerten. Darüber hinaus arbeiten wir aber zum Beispiel auch an der Verpackung, um sie leichter und besser recyclebar zu machen, ohne die Qualität und Lebensmittelsicherheit zu beinträchtigen.

Wo sehen Sie als einer der Verantwortlichen für pflanzliche Nahrung bei Nestlé die wirtschaftlich attraktivsten Geschäftsfelder?
Die gesamte Kategorie wächst sehr schnell. Wir sehen bei Garden Gourmet in Europa sowie Sweet Earth in den USA Wachstum im zweistelligen Prozentbereich. Wir investieren in den Fleischersatz, aber auch in andere vegetarische Mahlzeiten. Dazu gehört zum Beispiel auch, dass in den USA unser pflanzliches Gehacktes von Sweet Earth in unseren DiGiorno-Pizzen und Stouffer’s-Lasagnen zu finden ist. Wir bauen kontinuierlich engagierte Teams auf allen Ebenen, um in Zukunft noch besser auf die Wünsche unserer Konsumenten und Kunden eingehen zu können.

Nebst dem veganen Burger und einem veganen Hack, die bereits auf dem Markt sind, arbeitet Nestlé auch an veganem Speck sowie einer veganen Wurst sowie an pflanzlichen Alternativen zu Milchprodukten. Welche Innovationen dürften im Jahr 2021 die Marktreife erlangen?
Ich kann hier nichts verraten, aber halten Sie die Augen offen! Unsere pflanzenbasierten Würste sind schon in den USA und in Europa lanciert, unter anderem auch in der Schweiz. Unser «Triple Play» für einen pflanzlichen Bacon Cheeseburger mit unserem Burger sowie pflanzlichen Alternativen zu Speck und Käse wird in naher Zukunft an den Ausser-Haus-Markt lieferbar sein. Zudem haben wir schon einen veganen Thunfischsalat präsentiert, der auch bald auf den Markt kommen soll.

Welche börsenkotierten Unternehmen nebst Nestlé sind aus Ihrer Sicht derzeit führend im Bereich der pflanzlichen Nahrung?
Wir wollen die pflanzenbasierte Revolution anführen. Wir haben dafür eine einzigartige Kombination an kulinarischer Expertise, Produktentwicklungskapazitäten und grossartige Marken aufgebaut. Wir engagieren uns in diesem Bereich, weil es ein interessantes Geschäft ist, aber auch weil es gut für die Menschen und den Planeten ist. Wir haben die Bandbreite um in vielen Kategorien führend zu sein, nicht nur Food sondern auch Milchalternativen und mehr. Es ist eine tolle Dynamik in diesem Bereich und wir freuen uns auf einen gesunden Wettbewerb!

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Massimo Zucchero, leitet den Bereich pflanzenbasierte und gekühlte Mahlzeiten bei Nestlé. Er hat 20 Jahre Erfahrung im Marketing und in der Markenkommunikation im FMCG-Bereich, insbesondere Lebensmittel und Tiernahrung, gesammelt in einem multinationalen Umfeld in verschiedenen Europäischen Märkten.

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