Zurück
payoff Learning Curve

Derivate-Börsen der Welt (Teil 2): Strukis in Asien-Pazifik und Amerika

30.05.2012 7 Min.
  • Martin Diethelm

Die Märkte für Strukturierte Produkte unterscheiden sich stark in den einzelnen Ländern. In Asien sind nach wie vor sehr grosse Handelsvolumen zu beobachten. Auch in Amerika werden Strukis gehandelt – allerdings nur OTC. Global dominiert inzwischen ein Thema sämtliche Derivat-Börsen: Regulierung.

Hong Kong mit reger Handelsaktivität

Auf Platz eins unter den grössten Handelsplätzen findet sich Hong Kong. Allerdings beschränkt sich die Auswahl auf zwei Produktklassen. Einerseits sind an der Hong Kong Stock Exchange traditionell Warrants auf heimische Basiswerte sehr beliebt. Insgesamt sind momentan über 4’000 Stück von rund einem Dutzend Emittenten ausstehend. Unter anderem sind die Schweizer Grossbanken, sowie weitere internationale Emittenten, darunter z.B. die Société Générale, HSBC oder Macquarie in Hong Kong, aktiv. Andererseits, als zweite Kategorie, fungieren die sog. «Callable Bull/Bear Contracts» (CBBC). Diese entsprechen weitgehend Mini-Futures mit einer begrenzten Laufzeit von drei Monaten bis fünf Jahren. Die Hebel sind üblicherweise in der Region von 2x bis 10x angesiedelt und die tiefen Bid-Ask Spreads laden zum häufigen Trading ein. Momentan sind 1’446 CBBCs von verschiedenen Banken ausstehend. Komplexere Produkte werden in Hong Kong nicht börslich gehandelt.

Volumeneinbruch in Südkorea

In Südkorea ist der Handel an «Equity Linked Notes» (ELN) in der letzten Zeit stark gewachsen, nicht zuletzt wegen der tiefen Zinsen, welche gewöhnliche Obligationen für Investoren unattraktiv erscheinen liessen. Neuerdings kommen auch mehr und mehr Retail-Anleger in Südkorea auf den Geschmack für den Erwerb und den Handel von Strukturierten Produkte an der Korean Exchange in Seoul. Zudem wird in Südkorea ein breites Spektrum an Zinsderivaten angeboten. Nebst plain oder inverse Floating-Rate Notes, die einem Zinsswap entsprechen, sind z.B. auch sog. «Power Spread Notes» erhältlich, welche die Differenz eines festen zu einem variablen Zinssatz hebeln, oft mit Faktoren zwischen 7 und 12. Dazu gesellen sich weiter die «Constant Maturity Swap (CMS) Spread Notes», welche ein Spiel auf der Zinskurve erlauben und entsprechend einen Return, gemessen an der Differenz eines langen und kurzen Zinssatzes, zahlen. Des Weiteren können Retail-Investoren Credit Linked Notes (CLN) und sogar «First-To-Default Baskets» in Südkorea erwerben. Die immer komplexer werdenden Produkte und die entsprechenden Handelsvolumen haben die Behörden auf den Plan gerufen. Um den überhitzten Markt zu beruhigen, wurden neue Regeln eingeführt, darunter eine für Schweizer Geschmack bizarr anmutende Einschränkung der Market Maker-Aktivitäten, um die Spreads nicht zu eng werden zu lassen. Ferner wurde eine Mindesteinlagepflicht für die Käufer (USD 13.000) und eine Sachkundepflicht eingeführt. In der Folge sind seit Mitte März die Handelsvolumen im südkoreanischen Warrantsmarkt um 80% gefallen. Die Regulierung schiesst hier ganz klar über das Ziel hinaus.

Purismus in Singapur gefragt

Der Konkurs der US-Investmentbank Lehman Brothers hat auch in Singapur seine Spuren hinterlassen. Erstens, weil sich herausstellte, dass einige Investoren die Risiken der Produkte – viele von Lehman emittierte Strukturen wurden in Singapur und Hong Kong als sog. «Mini-Bonds» an Privatanleger vertrieben – nicht kannten und zweitens, weil das Emittentenrisiko in den Fokus gerückt war. Was nach niedlicher und hoch rentabler Anlagealternative klang, entpuppte sich zunächst als Verlustbombe. Inzwischen hat aber die Mehrheit der Anleger ihre Einsätze wieder zurückerhalten (siehe auch payoff magazine, Ausgabe Mai 2011). Dennoch werden infolgedessen wieder verstärkt einfachere Strukturen nachgefragt. Allgemein scheinen die Investoren und Regulatoren in Singapur deutlich konservativer als diejenigen z.B. in Hong Kong. CBBCs sind trotz mehrerer Anläufe verschiedener Emittenten in Singapur noch nicht zugelassen. Nach wie vor sehr beliebt sind im asiatischen Stadtstaat allerdings plain vanilla Warrants. Aktivste Emittenten sind Société Générale, Macquarie, Deutsche Bank, DBS sowie auch UBS und BNP Paribas. Seit Kurzem sind auch zwei weitere Schweizer Emittenten in Singapur aktiv: die Bank Vontobel und EFG Financial Products. Deren Produktangebot befindet sich allerdings erst noch im Aufbau.

Hebelprodukte auch in Down Under

Auch an der australischen Wertpapierbörse ASX in Sydney werden Strukturierte Produkte gehandelt. Es handelt sich dabei ausschliesslich um Hebelprodukte wie Warrants mit und ohne Barriere und Mini-Futures. Beliebte Basiswerte in «Down Under» sind die grossen Minenwerte BHP Billiton und Rio Tinto. Zusätzlich steht ein weiteres Produkt, ein sog. «Instalment», zur Verfügung, das mit einem tieferen Hebel als Mini-Futures ausgestattet ist. Die «Instalments» haben typischerweise eine Laufzeit von zehn Jahren. Als Basiswerte dienen Einzelwerte oder Indizes. Momentan sind an der ASX gut 4’900 Produkte ausstehend. Die führenden Emittenten am australischen Markt sind RBS, Citigroup und Macquarie. Mit der UBS befindet sich auch eine Schweizer Bank unter den Anbietern.

Und die USA?

Vergeblich sucht man eine US-amerikanische Börse wie die NYSE Arca oder AMEX auf der Topliste der Märkte für Strukturierte Produkte. Doch der Schein trügt: In den USA existiert stattdessen ein relativ grosser OTC-Schattenmarkt. Der Handel ist zwar von klassischen Retail-Anlegern abgeschottet und auch etwas kompliziert, doch auf speziellen, öffentlich einsehbaren Plattformen hat sich ein reger Primär- und Sekundärmarkt etabliert. Gemäss structured EDGE, einem Datenprovider für US-Produkte, sind, gemessen am Handelsvolumen, Hebelprodukte mit 33% Marktanteil am beliebtesten, gefolgt von Digitalen Produkten, Reverse Convertibles und einer Art Bonuszertifikat. Die Top-Emittenten sind die Bank of America, die Royal Bank of Canada und JP Morgan. Die meisten Produkte werden in Zusammenarbeit mit Plattformbetreibern – meist einer Art Broker wie z.B. InCapital – vertrieben bzw. mit mehr oder weniger unabhängigen Vermögensverwaltern. Der Sekundärmarkt ist entsprechend intransparent, die Emittenten verlangen teilweise sehr hohe Gebühren für die vorzeitige Rücknahme von ausgegebenen Derivaten.

Kreativität ruft FINRA auf den Plan

In den USA werden einige Spezialitäten angeboten, die in der Schweiz unbekannt sind. Eine davon ist das «Digital Contingent Coupon Certificate of Deposit», welches auf einen Basket von mehreren Underlyings lautet. Diese Derivate laufen oft mehrere Jahre und bezahlen einmal pro Jahr einen Coupon. Dabei wird jede der zugrunde liegenden Wertschriften nach der Performance getestet. Ist diese positiv, wird ein vorher fixierter Betrag an den Coupon geleistet. Ist sie negativ, wird die Performance bis zu einem vordefinierten Höchstwert abgezogen. Die stark wachsende Beliebtheit von sog. «Market-linked» Certificates of Deposit, welche in punkto Risiko eigentlich einer Geldmarktanlage entsprechen sollten, hat jüngt die US-Branchenaufsicht FINRA – nicht zu verwechseln mit der heimischen Aufsicht FINMA – auf den Plan gerufen. Man untersucht derzeit, ob die diversen Varianten einer besonderen Produktaufklärung bedürfen.

Regulierung ein globales Top-Thema

Übereinstimmend werden die Marktteilnehmer und Betreiber der einzelnen Derivat-Börsen aktuell vom Thema Regulierung und Anlegeraufklärung dominiert. Egal ob hierzulande, in Europa, Asien-Pazifik oder Nordamerika: Der Trend geht zu noch mehr Vorschriften, Regeln und Bürokratie im Produktvertrieb. Mittelfristig könnte das zu einer Abkühlung der Handelsvolumina von Strukturierten Produkten – speziell bei komplexen Strukis oder Hebelprodukten – führen. Gemessen an den absoluten Handelsvolumen, haben derzeit die asiatischen Märkte noch klar die Nase vorn. Das Schweizer Angebot an verschiedenen Produktklassen, erstklassiger Marktinfrastruktur und dem branchenübergreifenden «Derivat-Ökosystem» bleibt aber bei Weitem unerreicht. Zudem ist die börsliche Transparenz am eidgenössischen Handelsplatz Scoach vorbildlich. So mancher internationale Markt kann diesbezüglich noch einiges lernen.

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken