Dezentrale Handelsbörse – Echte Blockchain-Innovation
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Pascal Hügli
Redaktor
Noch immer wird in und ausserhalb der Krypto-Welt rege diskutiert, welche Innovation die Blockchain-Technologie denn jetzt tatsächlich gebracht haben soll. Wo sind die versprochenen Killer-Applikationen, fragen Skeptiker und Enthusiast zugleich?
Aus Sicht des Autors dürfte es davon einige geben. So zum Beispiel die Stablecoins, die als effizienteres und bequemeres Fiatwährungs-Upgrad gerade auch in Schwellenländer immer häufiger verwendet wird. Oder der Bitcoin, der sich als nicht verwässerbare Ersparnis-Technologie durchzusetzen scheint.
Fokus dieses Artikels soll aber jene Killer-Applikation der dezentralen Börsen – kurz auch DEXs genannt – sein. Diese haben sich über die vergangenen nicht einmal drei Jahre zu einem festen Bestandteil des Krypto-Tradings gemausert und erleben vor allem dann jeweils einen Boost, wenn rund um die zentralen Kryptobörsen wieder schlechte Nachrichten publik werden.
Die Wichtigkeit von Liquidität – für Märkte und Krypto
Die Hauptfunktion von (Krypto-)Börsen – egal ob zentral oder dezentral – besteht darin, Marktliquidität zu schaffen. Über die Liquidität wird denn auch gesagt, dass deren Wichtigkeit gemeinhin nicht verstanden wird – bis man sie eben braucht und dann nicht hat.
Finanztheoretisch betrachtet ist Liquidität der Grad, zu dem Vermögenswerte auf einem Finanzmarkt kauf und verkauft werden können. Ein hochliquider Markt zeichnet sich durch eine geringe Handelsspanne zwischen Geld- (Angebot des Käufers) und Briefkurs (Angebot des Verkäufers) aus. Umgekehrt ist ein wenig liquider Markt durch grössere Spreads, stärkere Marktbewegungen und somit ein höheres Preisrisiko für Anleger gekennzeichnet.
Wie jeder andere Finanzmarkt lebt auch der Krypto-Markt von Liquidität. Man könnte argumentiert, dass er dies noch mehr als die konventionelle Wirtschaft tut. Denn schliesslich ist die Krypto-Welt eine Welt der Token – die sogenannte Token-Ökonomie. So hat es die Blockchain-Technologie möglich gemacht, dass jeder und jede einen eigenen Token lancieren können. Damit ein Token aber auch funktional sein und seine Nützlichkeit entfalten kann, bedarf dieser der Liquidität.
Heute sind es zentralisierte Market Maker, die zentralen Krypto-Börsen (CEXs) diese Liquidität liefern. Das 24-Stunden-Handelsvolumen der weltweit grössten CEXs im Aggregat liegt aktuell bei USD 12.99 Mrd. (gleitender 7-Tage-Durchschnitt). Als noch immer global grösste Börse soll Binance davon USD 4 Mrd. abwickeln.
Im Gegensatz dazu wickeln alle DEXs zusammen ein tägliches Handelsvolumen von etwa USD 1.9 Mrd. ab. Interessanterweise hat Uniswap, wie die jüngsten Daten zeigen, im Jahr 2023 bisher allerdings ein höheres Handelsvolumen als die US-amerikanische Kryptohandelsbörse Coinbase gehabt. Während die DEX im ersten Quartal USD 155 Mrd. und im zweiten Quartal rund USD 110 Mrd. Handelsvolumen abwickelte, waren es bei Coinbase USD 145 Mrd. respektive USD 90 Mrd. an Trades.
Zentrale Player – es verbleiben grosse Risiken
Ohne Market Maker wären die zentralen Kryptohandelsbörsen nicht zu jenen Behemoths geworden, die sie heute sind. Krypto-Market-Maker sind essentiell, besteht ihre Aufgabe eben darin, die Handelsbörsen kontinuierlich mit Kauf- und Verkaufsaufträgen für verschiedene digitale Vermögenswerte zu versorgen. Dies schafft einen liquiden Markt, auf dem Investoren und Trader ihre Aufträge auch bei hoher Volatilität schnell ausführen können. Mit der Bereitstellung von Liquidität tragen Krypto-Market-Maker auch zur Stabilisierung der Preise bei.
Die Dienste der Market Maker und Kryptohandelsbörsen sind demnach äusserst bedeutsam. Die Hauptproblematik besteht heute jedoch darin, dass diese verschiedenen Institutionen zu stark miteinander verbandelt sind. So beispielsweise auch im Fall FTX, wo die Kryptohandelsbörse (FTX) zu fest mit dem eigenen Market Maker (Alameda Research) verwoben war. Wie sich zeigte, war diese Zentralisierung auf Dauer nicht gesund. Und da es heute noch immer keine klare Vorschriften gibt, die wie in der traditionellen Finanzwelt eine eindeutige Trennung zwischen den wesentlichen Institutionen erwirken, bleiben in der Kryptowelt auf dieser Ebene weiterhin undurchsichtige, der ungesunden Zentralisierung geschuldete Risiken bestehen.
Die Kunst des dezentralen Market Makings
Noch bis vor ein paar Jahren war die zentralisierte Art des Market Makings die primäre Methode zur Schaffung von Liquidität auf dem Kryptomarkt. Die zunehmende Zentralisierung zwang die Entwickler jedoch dazu, dezentrale Wege der Liquiditätsschaffung auszuloten.
So kamen erste, auf Protokollen basierende Orderbuchmodelle auf. Einige DEXs führten On-Chain-Orderbücher ein, bei denen alle Aufträge in der Blockchain aufgezeichnet und abgewickelt wurden. Obwohl dieser Ansatz dezentralisiert und transparent war, erwies er sich als teuer und langsam, da jede Transaktion auf der Blockchain verifiziert werden musste. Insbesondere auf Ethereum konnte sich diese Art der DEXs kaum durchsetzen (heute sehen wir mit der Layer-2-Entwicklung bei Ethereum eine Art Revival).
Um dieses Problem zu lösen, wendeten sich andere DEXs einer anderen Technik zu. So lagerten sie die meiste On-Chain-Handelsaktivitäten aus. Das bedeutete aber, dass der Orderabgleich ausserhalb der Blockchain stattfand. Das machte den Handel zwar schneller und billiger, führte aber wieder zu einer Zentralisierung, da eine zentrale Entität für die Verwaltung des Off-Chain-Orderbuchs zur Voraussetzung wurde.
Automatisiertes Market Making führt zum Durchbruch
Eine technologische Innovation, die schliesslich den Durchbruch brachte, war das AMM-Modell. AMM steht für automatisiertes Market Making. Hier setzen DEXs auf sogenannte Liquiditätsanbieter (LP), die dem Protokoll auf dezentrale Art und Weise Liquidität zuführen. AMM-basierte DEXs nutzen Smart Contracts, um Investoren und Tradern den Handel mit digitalen Vermögenswerten mithilfe von Liquiditätspools zu ermöglichen.
Obwohl die AMM-Modelle der ersten Generation nicht perfekt waren, war ihr Erfolg bald ungebrochen. Zum heute noch erfolgreichsten Modell aufgestiegen ist Uniswap. Gegenwärtig ist Uniswap die führende DEX nach Handelsvolumen. Andere hochrangige DEXs sind Curve, PancakeSwap, Blancer, SUN, Sushi und Thorchain. Doch sind das nur einige der bereits existierenden DEXs. Es kommen ständige neue innovative Projekte dazu.
So zum Beispiel Injective. Diese DEX stösst vor allem bei institutionellen Anlegern auf grosses Interesse. Es verfügt über ein dezentralisiertes Auftragsbuch sowie eine eigene Treasury. Ausserdem ist diese DEX mit mehreren Blockchain interoperabel.
Das AMM-Modell zeichnet sich letztlich dadurch aus, dass es im Gegensatz zu zentralisierten Kryptobörsen und traditionellen Finanzinstituten jedem erlaubt, Liquidität bereitzustellen. Diese Art der Liquiditätsbeschaffung setzt nicht mehr länger einen zentralen Market Maker voraus. Die Incentivierung dezentraler Liquiditätsanbieter geschieht durch die passive Einkommensmöglichkeit, welche für sie entsteht. So fliessen Teile der Handelsgebühren, welche eine DEX einnimmt direkt an die Liquiditätsanbieter zurück. Und schliesslich, und das ist im Vergleich zur Funktionsweise traditioneller Börsen sehr wichtig, werden der Abwicklungs- und der Handelsprozess in einem einzigen Vorgang zusammengefasst, wodurch Abwicklungsrisiken und -kosten minimiert werden.
Mittels neuer Iterationen Herausforderungen meistern
Natürlich weisen die AMMs der ersten Generation auch Mängel auf. Eines der grössten Probleme ist jenes des unbeständigen Verlusts, auch Impermanent Loss oder IL genannt. Dieser tritt auf, wenn die Vermögenswerte in einem Pool schlecht ausbalanciert sind, so dass die Liquiditätsanbieter aufgrund von Preisvolatilität Verluste auf den von ihnen bereitgestellten Assets einfahren.
Erste Versuche, dieses Problem zu lösen, unternahm Bancor. Das Protokoll wendete eine Art Versicherungsmodell an, das in seiner ersten Ausführungsstufe jedoch nicht funktionierte, weil es sich zu stark auf den eigenen Token (BNT) stützte. Neue Modelle bieten überarbeitete Lösungen. Diese setzen auf mathematische Volatilitätsmodelle, mit denen unbeständige Verluste «gehedgt» werden sollen. Swaap, Diatomix sind nur einige der Innovatoren in diesem Bereich.
Eine weitere neue innovative AMM-Lösung, hat Uniswap mit seinem dritten Update, Uniswap v3, auf den Markt gebracht. Mit diesem Upgrade führte das Protokoll «konzentrierte Liquidität» ein, um so die Kapitaleffizienz zu fördern. Diese Innovation ermöglicht es Liquiditätsanbietern, ihre Liquidität nur für jene Preise anzubieten, wo der meiste Handel stattfindet.
Dieser Mechanismus verbessert zwar die Kapitaleffizienz, erhöhte aber auch das Risiko eines unbeständigen Verlustes. Uniswap v4, das neuste, noch in der Zukunft liegende Update, soll diese Problematik dereinst beseitigen, indem es die Möglichkeiten der Renditegenerierung erweitert und so Kompensationsmöglichkeiten schafft. Das heisst: Der unbeständige Verlust würde nicht eliminiert, aber mittels anderer Einnahmequellen neutralisiert. Wir dürfen gespannt sein, welche Innovationen und Weiterentwicklungen die DEXs in Zukunft noch bringen werden.