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payoff Interviews

«Die Risiken weiter fallender Silberpreise sind begrenzt.»

21.10.2015 6 Min.
  • Dieter Haas

Deutschlands führender Silberexperte Thorsten Schulte über die Chancen einer Trendwende bei Silber, das ideale Umfeld für steigende Preise, die Schutzmechanismen von Edelmetallen, das relative Potenzial von Silber im Vergleich zu Gold, Anzeichen von Marktmanipulationen sowie seine persönlichen Empfehlungen.

Wieso bahnt sich Ihrer Meinung nach eine Trendwende bei Silber an?

Während des Silberbooms bis April 2011 entfernte sich der Preis sichtbar von den Produktionskosten. Rohstoffexperten schauen sich dabei besonders das 90. Perzentil der Förderkosten an. Dies besagt ganz einfach, dass 90% der Produktion bis zu diesem 90. Perzentil gewonnen werden und damit die letzten 10% zu über dieser Kostenschwelle liegenden Preisen. In der Vergangenheit erwies sich dieser Wert bei Rohstoffpreisen als wichtige Unterstützung, auch wenn ein Rohstoff für ein oder zwei Jahre selbst diese Marke unterschreiten kann. Der Blick auf die Entwicklung dieser Kostenschwelle seit 2008 zeigt beim Silber, dass die Risiken weiter fallender Preise begrenzt sind und die Chancen die Risiken überwiegen sollten. In der Sprache des Fachmanns heisst dies, dass die sogenannte Chance/Risiko-Relation vielversprechend ist. Selbst Ende 2008 in den Wochen nach der Pleite der US-Grossbank Lehman Brothers, dem Einbruch der Weltwirtschaft und dem Crash an den Aktienmärkten konnte der Silberpreis damals nicht unter das 90. Perzentil fallen. Dies unterstreicht heute die Chancen auf eine erfolgreiche Bodenbildung!

Bei hoher Inflation schlägt nach Ihrer Auffassung die Sternstunde für Silber. Weshalb ist das so?

Während Gold gehortet wird, wird Silber verbraucht. Beim Gold gehen nur rund 10% der jährlichen Nachfrage von der Industrie aus, im Vergleich zu 60% beim Silber. Silber steckt in Solarzellen, in Autos, in Mobilfunktelefonen, in biegsamen Displays und vielem mehr. Am besten läuft es mit dem Silberpreis bei Inflation und Boom der Weltwirtschaft. Dann stürzen sich Investoren auf Silber, um sich vor Inflation zu schützen. Gleichzeitig verbraucht die Wirtschaft im Boom mehr. Das waren die Zutaten für die Hausse 2010/11.

Aktuell scheint die Gefahr einer anziehenden Teuerung allerdings gering. Sehen Sie andere Kurstreiber, die das Bild bis Ende 2016 nachhaltig zum Positiven wenden könnten?

Die Geldpolitik bleibt überall gefordert! Wenn sich die Menschen vor Augen führen, wie marode das Finanzsystem mit Blick auf rekordhohe Gesamtschulden der G7-Staaten ist, können Gold und Silber schnell wieder hoch im Kurs stehen. Allein aus antizyklischer Sicht bieten sich Chancen. Im Juli waren die Hedgefunds mit rekordhohen Netto-Verkäufen im Silberfuture und erstmals auch als Verkäufer im Goldfuture unterwegs. Das Bashing in den Medien hätte ja schlimmer nicht sein können.

Die diversen Währungskrisen der letzten Zeit haben bis dato den Edelmetallen im Allgemeinen und Silber im Speziellen keinen nachhaltigen Auftrieb beschert. Stehen und fallen die Perspektiven mit der Entwicklung des USD?

Machen wir uns bitte nichts vor: Die US-Grossbanken wollen hohes Vertrauen in den Dollar und einen niedrigen Goldpreis. Schauen wir uns nur die Prognosen von Goldman Sachs von 0,80 EUR/USD bis Ende 2017 an und von in den kommenden Jahren weiter fallenden Goldpreisen. Aber Euro und Yen sind doch schwach, weil die Geldpolitik so locker ist. Ist dies ein Beleg für eine Stärke des Dollars von innen heraus? Wohl kaum!

Wie schätzen Sie die mittelfristige Entwicklung der Welthandelswährung USD ein?

Die USA sind mit rund 7‘000 Milliarden Nettoschulden der grösste Schuldner der Welt, worüber niemand spricht, vor allem nicht die US-Grossbanken. Die Handelsbilanz der Eurozone mit den USA wies im letzten Jahr für die USA ein Rekorddefizit von 121 Milliarden Dollar aus. Für mich haben Euro, Yen und Dollar allesamt mit hohen Schulden ihrer Volkswirtschaften – Staat und Private – zu kämpfen. Von daher sind Edelmetalle für mich zum Schutz so wichtig.

Weshalb besitzt Silber für langfristig orientierte Anleger das grössere Kursgewinnpotenzial als Gold?

Die oberirdischen Silberlager kamen Ende 2014 auf einen Wert von weniger als 40 Milliarden US-Dollar verglichen mit privaten Goldinvestments von 1‘387 und Zentralbankgoldreserven von 1‘220 Milliarden Dollar. Silber führt ein Schattendasein als Investment, was doch gerade für Silber spricht. Da Silber nicht nur wie Gold vom ideellen Wert lebt, sondern in der Realwirtschaft massiv verbraucht wird, wäre ein Verbot in der heutigen Zeit kaum durchführbar. Gold war in den USA von 1933 bis Ende 1974 verboten. Und last but not least: Silber bot im Inflationsjahrzehnt der 70er-Jahre und auch in der Rohstoffhausse seit 2001 im Maximum den besten Inflationsschutz im Vergleich zu Gold, Rohöl oder Kupfer.

Einige Experten sehen im Silbermarkt seit längerer Zeit Anzeichen von Manipulationen. Fehlinterpretationen oder Realität?

Sowohl bei Silber als auch bei Gold sehe ich immer wieder in der Nacht Flashcrashs. Beim Silber beispielsweise am 1. Dezember 2014, als das Metall nachts von USD 15,51 um 0.11 dann auf USD 14,29 um 0.40 Uhr abstürzte, um den Tag dann bei USD 16,47 zu verlassen. Wer zur umsatzschwächsten Handelszeit verkauft, will nicht seinen Erlös maximieren, sondern den Markt nach unten manipulieren. Mit Verschwörungstheorie hat dies nicht zu tun. Ich stelle fest, dass die Aufsicht bei Gold und Silber bislang nicht nach den Schuldigen sucht. Es scheint wohl systemkonformes Handeln zu sein, was mich nicht wirklich wundern kann.

Trotz der schlechten Performance von Silber seit April 2011 sind die weltweiten Bestände der Silber ETFs im Unterschied zu Gold ETFs nicht zurückgegangen. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

Die Silber-ETFs der Zürcher Kantonalbank verzeichnen von 91,029 Millionen Unzen Mitte März 2013 einen Abfluss auf 73,3 Millionen im August 2015. Dies ist normal, da Anleger stets prozyklisch kaufen und verkaufen. Anomalien gibt es bei dem Silber-ETF von iShares, den ich aufgrund seiner Statuten nicht empfehle. Es scheint, als gebe es sowohl bei der US-Münzprägeanstalt als auch im iShares Silber-ETF einen mysteriösen Käufer.

Welche Anlageformen empfehlen Sie privaten Anlegern, die Silber kaufen möchten?

Silber ETFs der ZKB verwahren das Silber in der Schweiz und Verleihungen sind nach den Statuten ausgeschlossen. Zollfreilager in der Schweiz ermöglichen gerade Deutschen den umsatzsteuerfreien Erwerb. Etwas sollte man auch wirklich physisch im eigenen Besitz vorhalten. Darüber hinaus bieten sich Minen wie z.B. Silver Wheaton, Tahoe, Fresnillo und First Majestic an. Ich selbst nutze sogar mit einem kleinen Vermögensteil bis Dezember 2017 laufende Optionsscheine. Aber nur derart lange Laufzeiten und mein Löwenanteil ist physisch investiert.

 

VITA

Thorsten Schulte ist der führende Silberexperte im deutschsprachigen Raum und Herausgeber der Publikationen «Der Silberjunge». Sein Buch «Silber – das bessere Gold» kam damals rechtzeitig vor Beginn der Megahausse 2011 heraus und auch «Vermögen retten – in Silber investieren» stammt aus seiner Feder. Ausserdem ist er Co-Autor des Buches «Insiderwissen Gold». Schulte war von 1999 bis Mitte 2008 im Investmentbanking tätig, wobei er sich eine besondere Kompetenz im Bereich der Edelmetalle erworben hat. So bahnte er 2005 bei der Deutschen Zentral-Genossenschaftsbank in seiner Funktion als stellvertretender Abteilungsdirektor die ersten Rohstoffinvestments deutscher Volksbanken an. Zuletzt wirkte der ehemalige Investmentbanker als Vice President im Frankfurter Handel der Deutschen. Schulte warb 2009 und 2010 für eine Silberhausse. Ende April 2011 warnte er rechtzeitig vor einem deutlichen Einbruch am Silbermarkt.

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