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payoff Interviews

«Dieser Jahrgang war ein guter.»

21.04.2016 4 Min.
  • Martin Raab

Prof. Dr. Marc-Oliver Rieger, Lehrstuhlinhaber für Bank- und Finanzwirtschaft an der Universität Trier und Jury-Präsident der Swiss Derivative Awards, über smarte Ideen, Kundenorientierung, Volatilitäts-Experimente sowie die wachsende Beliebtheit von Finanzthemen unter Studenten.

Herr Rieger, dieses Jahr feiern Sie den fünften Jahrestag als Jury-Präsident. Verkommt die Auswahl der besten Finanzprodukte der Schweiz inzwischen zur Routine?
Sicher nicht, bisher war es jedes Jahr wieder aufs Neue spannend! Da müssen Sie mich dann mal nach dem 50. Jahrestag fragen…

Wie steht es um die Innovationskraft der Emittenten – ist die Smartness noch immer erkennbar?
Eindeutig ja: Dieser Jahrgang war ein guter, und es waren einige wirklich schöne und «smarte» Ideen dabei. Wir waren in der Jury-Sitzung damit sehr zufrieden.

Was sollte sich die Finanzindustrie als Hausaufgaben notieren?
Was ich generell gerne sehe, sind Kundenorientierung und Ehrlichkeit. Leider ist es damit hier und da noch immer nicht zum Besten bestellt. Im Bereich Strukturierte Produkte gibt es immer wieder Strukis, deren «Pferdefuss» sich auch dem Fachmann erst nach gründlicher Analyse erschliesst, so gut ist er versteckt. Das wird aber glücklicherweise seltener. Die Fortschritte sind da unverkennbar.

Welche Themen waren dieses Jahr dominant bei den Einreichungen, oder gab es tendenziell mehr exotische Produktvorschläge seitens der Emittenten?
Durch die Einführung der neuen Kategorie «Index-Produkte» haben wir dieses Jahr sehr viele kreative Einreichungen mit interessanten Basis-Indizes erhalten. Dafür geht der generelle Trend glücklicherweise weg von hyperkomplexen Strukturierungen, die oft wenig kundenfreundlich waren.

Sie sind ein Finanzpraktiker. Welche Themen behandeln Sie im Bereich Finance aktuell an Ihrem Lehrstuhl an der Universität Trier?
In einem Projekt untersuchen wir gerade, inwieweit Volatilität in Strukturierte Produkte eingebaut werden kann, um neue Anlagemöglichkeiten zu schaffen. Das ist technisch sehr anspruchsvoll, aber es sind da spannende Anwendungsmöglichkeiten denkbar.

«Es gibt auch immer wieder Strukis mit einem ‚Pferdefuss‘. Diese werden aber glücklicherweise seltener.»

Ein zweites Thema in meiner Forschung sind momentan Ideen zur Verbesserung des Beratungsprozesses für Anleger. Wie kann man erreichen, dass diese bei einer einmal gewählten Strategie bleiben? Wie vermeidet man, dass kurzfristige Verluste bei einer eigentlich langfristigen Geldanlage zur Deinvestition führen? Wir haben dazu einige spannende Ansätze und testen diese gerade experimentell. In einer weiteren Arbeit untersuchen wir das Verhalten von Anlegern in Vietnam, einem dynamischen und jungen Markt. Wir wollen dabei genauer verstehen, welche Unterschiede in den Einstellungen zu Anlage- und Sparverhalten zu europäischen Ländern bestehen und was das für die Praxis bedeutet.

Dieses Jahr gab es ja zum ersten Mal den «Derivative Research Award». Wie kam es dazu?
Die Idee dabei war, Nachwuchsforscher im Bereich Derivate und Strukturierte Produkte auszuzeichnen, um dadurch die Sichtbarkeit dieses Forschungsbereichs zu erhöhen. Es gab da einige spannende Einreichungen, die auch durch Praxisnähe überzeugt haben.

Manch einer unkt, mit Finanzen und Anlage hätte die junge Generation wenig am Hut. Wie gut kommen Ihre Studenten/innen mit Investment-Themen zurecht?
Den Eindruck habe ich nicht: Im Gegenteil haben wir erst im letzten Semester einen neuen Masterstudiengang «Financial Management» gestartet, der sehr beliebt ist. Allerdings sind Studierende im Fach BWL natürlich auch mehr an Finanzdingen interessiert als der Durchschnitts-Jugendliche – und das ist ja auch gut so!

VITA

Prof. Dr. Marc Oliver Rieger, Jahrgang 1974, ist Lehrstuhlinhaber für Bank- und Finanzwirtschaft an der Universität Trier und inzwischen fester Bestandteil der SDA-Jury. Zuvor war er mehrere Jahre an der Universität Zürich als Forscher tätig, nachdem er am Max-Planck-Institut für Mathematik in Leipzig promoviert hatte und zwei Jahre als Research Scholar an der Carnegie Mellon University tätig gewesen war. Aufgewachsen in Konstanz, interessiert er sich in seinen Forschungsgebieten primär für Finanzderivate, Behavioral Finance und Finanzökonomie. Er ist auch Buchautor, u.a. des Buches «Optionen, Derivate und Strukturierte Produkte – ein Praxisbuch», das im NZZ-Verlag demnächst in zweiter Auflage erscheint.

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