Digitales Gold – Bitcoin als Wertspeicherungsmittel der nächsten Generation
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Serge Nussbaumer, Chefredaktor
Aufgrund seiner einzigartigen Eigenschaften kann Bitcoin als eines der effektivsten Systeme zur Wertaufbewahrung angesehen werden, das je entwickelt wurde.
Seit Anbeginn der Zeit versuchen Menschen das Problem der Wertspeicherung zu lösen. Dies bisher auf teilweise kreative Art und Weise. So nutzten die Ureinwohner der Yap-Inseln beispielsweise Steingeld (Rai) – grosse, importierte und aufwändig verarbeitete steinerne Räder – um Wert zu speichern (sparen) und zu transferieren (zahlen). Andere Völker nutzten seltene Muscheln, Glasperlen, Salz oder sogar Kühe als Wertaufbewahrungsmittel1. Das Ziel war dabei immer dasselbe: ein verlässliches System zur Feststellung und Kommunikation wer wie viel besitzt. Heute gibt es modernere Alternativen, sowohl in physischer als auch in digitaler Form, wie z. B. Gold, nationale Fiatwährungen (Bankgeld), und eben Bitcoin.
Von digitalem Cash zu digitalem Gold
Im Bitcoin Whitepaper, welches 2008 inmitten der Finanzkrise veröffentlicht wurde, wird Bitcoin als digitales Cash beschrieben. Ein online Geldsystem, welches Transaktionen beinahe kostenlos, grenzübergreifend, zensurresistent und vor allem peer-to-peer – also unabhängig von Drittparteien wie Banken – ermöglicht. In den zehn Jahren seit der Enthüllung von Bitcoins Existenz hat sich dessen Narrativ allerdings vom digitalen Geld ins digitale Gold gewandelt. Es wurde erkannt, dass die grosse Volatilität, das deflationäre Design, sowie die sich erhöhenden Transaktionskosten des Systems dieses als Cash Alternative (zumindest in der aktuellen Form) unbrauchbar machen. Ein Geldsystem – ob digital oder physisch – muss grundsätzlich die folgenden drei Funktionen erfüllen:
1.) Wertspeicherung: Es sollte langfristig einen stabilen oder steigenden Wert aufweisen.
2.) Tauschmedium: Es sollte sich zum Tauschen eignen.
3.) Recheneinheit: Man sollte Preise darin angeben und es als standardisierte Einheit verwenden können.
Die Reihenfolge ist dabei nicht zufällig gewählt. In der Regel durchläuft jede Form von Geld, die sich in der Breite etabliert, diese drei Phasen. Gold beispielsweise wurde erst vor allem zur Wertspeicherung benutzt, dann etablierte es sich Schritt für Schritt als Tauschmedium, und schliesslich wurde es auch als Recheneinheit anerkannt. Dasselbe geschieht üblicherweise bei der Dollarisierung von Entwicklungsländern: Erst fangen die Menschen an, die eigene – oft hyperinflationäre Währung – schnellstmöglich abzustossen und dafür so viele «harte» Dollars wie möglich zu horten, weil diese den Wert besser erhalten. Sobald sich der Dollar in einem Land als zuverlässiger Wertspeicher verbreitet hat, fangen die Leute an Dollar für Produkte und Dienstleistungen anzunehmen und somit zu tauschen. Schliesslich werden dann Preise sogar direkt in Dollar und nicht mehr in der Landeswährung angegeben — somit sind dann alle drei Funktionen des Geldes gegeben.
Bitcoin taugt aktuell weder als Recheneinheit, noch als Tauschmedium, weil der Preis dazu viel zu volatil ist. Als Wertspeicherung, so könnte man argumentieren, macht sich das digitale Asset aber bislang sehr gut. So ist der Preis eines Bitcoins im ersten Jahrzehnt seines Daseins von 10 Cent auf über USD 10’000 gestiegen, damit ist es das Asset mit dem besten Return on Investment der letzten Dekade2. Ebenfalls spannend: Trotz der hohen (jedoch stetig sinkenden) Volatilität war der Bitcoin bisher nur in einem einzigen Jahr weniger Wert als im Vorjahr, wie die folgende Abbildung verdeutlicht3.
Kritiker behaupten, dass das alles nur vorübergehende irrationale Spekulation sei, wie damals die South Sea Company Blase oder die Tulpenmanie. Bitcoin habe keinen inneren Wert und sei viel zu volatil und unberechenbar, um als ernstzunehmender alternativer Wertspeicher zu Gold infrage zu kommen. Befürworter entgegnen, dass Bitcoin zwar keinen inneren Wert habe, sich dahingehend aber auch nicht von Gold und Fiatwährungen unterscheide. Wie bei Gold wird der Preis bei Bitcoin rein durch Angebot und Nachfrage bestimmt, weshalb die Volatilität relativ hoch ist. Diese Volatilität und die damit einhergehende Unsicherheit wird sich aber mit der Lebenszeit von Bitcoin sowie Etablierung an den Finanzmärkten verringern, so die Fürsprecher. So weit also die subjektiven Argumente beider Seiten. Doch wie stehen die objektiven Fakten? Ist Bitcoin tatsächlich nur eine vorübergehende Blase? Oder eignet sich das digitale Asset aufgrund seiner Eigenschaften wirklich als Wertaufbewahrungsmittel?
Voraussetzungen für eine effektive Wertanlage
Wir haben heute sehr klare Vorstellungen, wie ein gutes Wertspeicherungsmittel aussehen bzw. welche Voraussetzungen es erfüllen muss. In der modernen Zeit hat sich Gold als globale Wertanlage durchgesetzt. Aufgrund seiner Eigenschaften eignet sich das Edelmetall um ein Vielfaches besser als alle vorhergehenden Systeme, um auszudrücken wer wieviel Wert besitzt sowie diesen Wert zu speichern und zu transferieren. Doch was braucht es alles, damit ein solches Wertspeicherungssystem funktioniert?
Die folgenden Attribute müssen dafür gemäss der St. Louis FED bei einem gegeben sein:
1. Langlebigkeit: Es ist idealerweise unzerstörbar und überdauert Generationen. Kühe eignen sich in diesem Sinne weniger als Wertaufbewahrungsmittel als Gold, weil Kühe sterblich, Gold jedoch unzerstörbar ist.
2. Portabilität: Es kann möglichst einfach mitgeführt und übertragen werden, unabhängig von Distanzen und Grenzen. Papiergeld eignet sich in dieser Hinsicht besser als Gold, da die Noten leichter und handlicher sind.
3. Teilbarkeit: Es kann sowohl in grossen Mengen als auch in sehr kleine Einheiten unterteilt werden. Rai Steine kommen beispielsweise nur in bestimmten Grössen vor, während Gold theoretisch in nahezu unendlich grosse Teile geteilt und wieder zusammengeschmolzen werden kann.
4. Gleichartigkeit: Eine Einheit unterscheidet sich nicht von der anderen, somit kann der Wert einer Einheit einfach und universell bestimmt werden. Kühe unterscheiden sich zum Beispiel von Natur aus in Grösse und Gewicht, was sie prinzipiell nicht vergleichbar macht. Der Wert jeder Kuh muss einzeln bestimmt werden. Anders beim Bargeld: Jede 10-Dollar-Note ist gleich und hat den gleichen Wert.
5. Knappheit: Das Angebot muss begrenzt sein. Wenn immer mehr davon produziert werden kann, wird es langfristig an Wert verlieren. Gold ist ein sehr knappes Gut, während Glasperlen beinahe bis ins Unendliche nachproduziert werden können.
6. Akzeptanz: Es muss als Wertübertragungs- und Zahlungsmittel akzeptiert werden, damit der gespeicherte Wert jederzeit realisiert werden kann. Wenn eine Kuh zwar viel Wert hat, aber nur von einigen wenigen Bauern als Zahlungsmittel angenommen wird, verringert dies den Wert. Im Gegensatz dazu geniesst Papiergeld, zumindest innerhalb einer Nation, breite Akzeptanz Akzeptanz.4
7. Verifizierbarkeit: Es muss einfach und zweifelsfrei verifiziert werden können, dass es sich um das handelt, was es vorgibt zu sein. Dies stellt eine entsprechende Fälschungsresistenz sicher. Salz kann mit ähnlichem weissem Pulver versetzt werden, Banknoten können gefälscht und Rai Steine können nachgebaut werden. Die Verifizierung braucht gewisse technische Kompetenzen. Kühe eignen sich hierbei gut, weil sie von den meisten Laien einfach als solche identifiziert werden können.
8. Zensurresistenz: Es darf nicht einfach von Drittparteien beschlagnahmt oder eingefroren werden können. In kommunistischen Regimen eignen sich Fiatgeld bzw. Bankguthaben nicht als Wertspeicherungsmittel, da sie jederzeit beschlagnahmt oder eingefroren werden können. Deshalb verstecken und horten in diesen Ländern viele Menschen Gold oder Cash bei sich zu Hause.
9. Etablierung: Es muss eine lange Geschichte und einen zuverlässigen Track Record ausweisen können, um Vertrauen zu wecken. Muscheln haben sich nicht als global verlässliches Wert- und Finanzsystem erwiesen und verloren mit der Zeit ihre Bedeutung. Gold hingegen hat einen Jahrtausende überdauernden Track Record als verlässliches Wertspeicherungsmedium.5
Bitcoin vs. Gold
Wenn man nun Bitcoin hinsichtlich dieser objektiven Kriterien bewertet und mit den heute am weitesten verbreiteten Wertaufbewahrungssystemen vergleicht, kann festgestellt werden, ob es sich als solches eignet oder nicht. Es folgt eine Bewertung des Autors auf einer Skala von 1-10, angelehnt an das Paper «The Bullish Case for Bitcoin».6
Siehe da – wir haben einen überraschenden Gewinner! Gemäss den objektiven, gängigen und akzeptierten Kriterien für ein gutes Wertspeicherungsmittel ist Bitcoin die beste Option, um sein Vermögen zu parken. Natürlich lässt sich hier über die Bewertungsmethode und den offensichtlichen «Confirmation Bias» des Autors, der beruflich und finanziell in Bitcoin investiert ist, streiten. Die grobe Stossrichtung ist aber schwer abzustreiten: Bitcoin eignet sich, gemäss den oben genannten Kriterien, sehr gut zur Wertspeicherung. So unterliegt es Gold im Grunde lediglich in zwei Disziplinen: Akzeptanz und Etablierung. Das heisst genau in diesen Punkten, in der Zeit ein wichtiger Faktor ist. Gold war lange ebenfalls nicht breit akzeptiert und etabliert; erst mit der Zeit hat es diesen Status erreicht. Nun existiert Gold als Wertaufbewahrungsmittel bereits seit Tausenden von Jahren, während Bitcoin erst kürzlich sein 10 jähriges Jubiläum gefeiert hat. Könnte Bitcoin also mit der Zeit das beste Wertaufbewahrungssystem werden, das wir je hatten?
Nachfrage und Bewertung von Bitcoin
Bitcoin ist aktuell noch ein Nischen-Investment. Schätzungen zufolge besitzen nur rund 5% der Amerikaner und ca. 1% der Weltbevölkerung Bitcoin.7 Die Nachfrage nach Bitcoin als «sichere Wertanlage» steigt aber bei zwei spezifischen und für die Zukunft vielversprechenden Investorengruppen rasant an: Emerging Markets und Millennials (1980er/1990er Jahrgänge). Gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern im südamerikanischen, afrikanischen und asiatischen Raum, die unter unsicheren wirtschaftlichen Bedingungen und Hyperinflation leiden, wenden sich die Menschen immer mehr dem digitalen Gold zu: So breitet sich beispielsweise im inflationsgeplagten Venezuela Bitcoin aus wie ein Lauffeuer8. Auch bei den jungen Generationen kommt die Crypto-Währung als Wertanlage gut an: 20% der Millennials sind bereits in Bitcoin investiert9 und über 70% sagen sie würden gerne in Bitcoin investieren.10 Mit einer Marktkapitalisierung von rund USD 200 Milliarden ist Bitcoin im Vergleich zu Gold mit rund USD 7.5 Milliarden immer noch ein Leichtgewicht. Wer aber anerkennt, dass Bitcoin insbesondere in einer zunehmend digitalen Welt als digitale Alternative zu physischem Gold weiter an Zuspruch gewinnen könnte, findet bald Gefallen an den entsprechend optimistischen Preisvorhersagen. Aktuell liegt nur ca. 2% des Vermögens, das in Form von Gold gespeichert ist, in Bitcoin. Dies bei einem Preis pro Bitcoin von ungefähr USD 10’000. Wenn Bitcoin in 10 Jahren auch nur 10% des Werts von Gold ausmachen sollte, würde sich dies in einem Preis von rund USD 40’000 pro Bitcoin äussern.11 Noch optimistischere Szenarien gehen sogar noch von einer viel rosigeren Zukunft aus und rechnen vor, dass Bitcoin nicht nur als Goldersatz, sondern auch als globale Leitwährung und Grundlage für ein neues dezentrales Finanzsystem dienen und somit in 7-10 Jahren einen Stückpreis von bis zu einer Million USD erreichen könnte.12
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ÜBER DEN AUTOR
Julian Liniger
Als Jungunternehmer und Berater im Bereich Crypto Finance setzt sich Julian für die Zusammenführung der traditionellen und der Crypto-Finanzwelt ein. Mit seiner Firma Bravis berät und trainiert er Finanzdienstleister in den Bereichen Crypto Assets & Blockchain. Mit dem Startup Relai lanciert er im Oktober eine einzigartige Crypto Investment App. Julian beschäftigt sich seit 2015 mit der Thematik und hat sich in dieser Zeit ein solides Know-How und Know-Who im Crypto Valley aufgebaut.
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QUELLEN
1. Ammous, S. (2018). The bitcoin standard: the decentralized alternative to central banking. John Wiley & Sons.
2. https://cointelegraph.com/news/bitcoin-is-worlds-best-performing-asset-class-over-past-10-years-says-pompliano
3. https://steemit.com/bitcoin/@ackza/amazing-chart-showing-yearly-lows-of-bitcoin-instead-of-the-all-time-highs-repost-from-reddit-com-r-bitcoin
4. https://www.stlouisfed.org/education/economic-lowdown-podcast-series/episode-9-functions-of-money
5. https://medium.com/@vijayboyapati/the-bullish-case-for-bitcoin-part-2-of-4-c918977c40f6
6. https://medium.com/@vijayboyapati/the-bullish-case-for-bitcoin-part-2-of-4-c918977c40f6
7. https://www.bitcoinmarketjournal.com/how-many-people-use-bitcoin/
8. https://www.vox.com/future-perfect/2019/7/10/18700235/cryptocurrency-venezuela-humanitarian-aid-maduro-bitcoin
9. https://coinnewsextra.com/index.php/2019/04/30/20-of-millennials-now-own-bitcoin-btc/
10. https://www.fxstreet.com/cryptocurrencies/news/more-than-70-of-millennials-are-willing-to-invest-in-crypto-if-offered-by-traditional-financial-institutions-etoro-survey-201902220158
11. https://www.forbes.com/sites/matthougan/2018/05/23/what-golds-history-teaches-us-about-bitcoin-as-a-store-of-value/#1ccf33df260e
12. https://www.ccn.com/one-bitcoin-could-exceed-1-million-in-7-10-years-paypal-director/