Zurück
payoff Interviews

«E-Mobilitäts-Firmen sind derzeit sehr günstig bewertet»

04.07.2019 7 Min.
  • Serge Nussbaumer, Chefredaktor

Craig Bonthron, Portfoliomanager bei Kames Capital, über die Perspektiven elektrisch angetriebener Fahrzeuge.

Wie kommen Sie jeden Morgen in Ihr Büro?
Ich nutze auf meiner Fahrt von Glasgow zur Firmenzentrale in Edinburgh einen Tesla. Sie dauert 90 Minuten und ich geniesse sie sehr. Meinen Strom beziehe ich vollständig aus erneuerbaren Energien, ebenso wie Kames und unsere Muttergesellschaft Aegon. Daher bin ich sowohl auf dem Hin-, als auch auf dem Rückweg mit regenerativen Energien unterwegs.

 

In den meisten Elektroautos sind derzeit Lithium-Ionen-Batterien verbaut. Wird das so bleiben oder können Sie sich vorstellen, dass sie bald von Brennstoffzellen oder Wasserstoff ersetzt werden könnten?
Zunächst wird es dabei bleiben, doch die weitere Entwicklung läuft darauf hinaus, die Menge an Kobalt zu reduzieren und gleichzeitig die Verwendung von Nickel zu erhöhen, was zu einer höheren Energiedichte führen wird. Tesla hat kürzlich den Batterietechnik-Spezialisten Maxwell Technologies erworben, der eine sogenannte «trockene Elektrode» entwickelt patentiert hat. Diese Innovation könnte Tesla nicht nur zu billigeren, sondern darüber hinaus zu leistungsfähigeren Batterien verhelfen und den Vorsprung in der Batterieproduktion absichern.

 

Elektroautos sind sehr teuer. Wann werden sie auch für weniger Betuchte erschwinglich?
Im Vergleich zum vergangenen Jahr sind die Anschaffungspreise bereits gesunken. Ich gehe von weiter sinkenden Preisen aus, wobei ein Drittel der Kosten auf die Batterien entfällt. 100 Dollar pro Kilowattstunde sind der Rentabilitätsschnittpunkt, an dem die Preise von Fahrzeugen mit Elektroantrieb denjenigen mit Verbrennungsmotoren entsprechen. Einige Branchenkenner meinen, dass sich Tesla diesem Punkt bereits weitgehend angenähert hat – während der Rest der Branche wahrscheinlich ein paar Jahre davon entfernt ist. Somit ist das Tesla Model 3 das erste Serienauto, das wirklich bezahlbar ist und mit Blick auf die Performance einem BMW 3er oder einer Mercedes C-Klasse Paroli bieten kann. Das könnte der Katalysator für die zunehmende weltweite Akzeptanz von Elektroautos sein. Ich erwarte vor diesem Hintergrund, dass der Verkauf von Elektroautos von rund drei Prozent aller heute verkauften Autos auf über 15 Prozent innerhalb der nächsten fünf Jahre ansteigen wird.

 

Die Preisspanne für dieses Marktsegment liegt zwischen 35’000 und 50’000 Dollar – nicht wirklich günstig.
Sicherlich dies nicht für jeden erschwinglich. Doch immer mehr Menschen bekommen dafür ein hervorragendes Produkt. Man sollte von der Wahrnehmung abrücken, dass Tesla-Fahrzeuge nur für 100’000 Dollar zu haben sind, das ist längst nicht mehr der Fall. Das strategische Ziel von Tesla auf Sicht von zehn Jahren war es, ein 35’000 Dollar Auto zu bauen – was man mit dem Model 3 erreichte. Nun planen die Kalifornier eine kleinere Version dieses Typs, die erschwinglicher sein wird. Ohnehin werden die Herstellungskosten für das Model 3 mit der Zeit sinken – was bedeutet, dass es künftig zu einem Preis zwischen 25’000 und 28’000 Dollar angeboten werden dürfte.

 

Wird E-Mobilität in der Schweiz zum dominierenden Verkehrsmittel werden?
Ja, davon gehe ich aus. Der dortige Markt hat sich sehr gut entwickelt, vor allem die Zulassungszahlen des Tesla Model 3 sind sehr hoch. Ende März wurden mehr als 5’300 Fahrzeuge dieses Typs in der Schweiz verkauft. Damit war es das meistverkaufte Auto in der Eidgenossenschaft. Als ich kürzlich in Zürich war, habe ich darüber hinaus E-Scooter und sogar ein «selbstausgleichendes elektrisches Einrad-Skateboard» gesehen. Dies zeigt, wie gross die Chance auch in anderen Märkten der Welt ist, die eine wesentlich geringere Durchdringungsrate aufweisen.

 

«Als ich kürzlich in Zürich war, habe ich darüber hinaus E-Scooter und sogar ein «selbstausgleichendes elektrisches Einrad-Skateboard» gesehen.»

 

Wie beurteilen Sie die aktuelle Unterstützung der E-Mobilität durch die Politik?
Es könnte besser sein, denn die Kosten, nichts zu tun, sind deutlich höher, als den Sektor zu unterstützen. Ich bin dafür, die Subventionen zu erhöhen, um den Wandel schnellstmöglich zu beschleunigen – zum Beispiel durch Steuererleichterungen oder die günstigere Bereitstellung der Infrastruktur.

 

Wie definiert Kames den Begriff der Elektro-Mobilität?
Für uns bedeutet er viel mehr, als nur den Antrieb von Autos. Er reicht von E-Bikes über Lastwagen bis hin zu Akku-Lokomotiven und Elektro-Schiffen.

 

Wie setzen Sie das Thema E-Mobilität in Ihrer Vermögensallokation um?
Wir wollen von der steigenden Nachfrage nach Elektromobilität profitieren, indem wir in jene Unternehmen investieren, die das zu erwartende Wachstum nutzen und deren Businessmodelle von den genannten Trends profitieren.

 

Welche Firmen halten Sie für besonders viel versprechend?
Neben Tesla, die am bekanntesten, aber auch am kontroversesten sind, haben wir eine Position in Albemarle, dem weltgrössten Lithium-Produzenten. Dieses Metall ist für die Produktion von Batterien unabdingbar und die weltweiten Ressourcen sind knapp. Zudem haben Chroma, einen taiwanesischen Anbieter elektronische Prüf- und Messsystemen. Die niederländische Alfen wiederum arbeitet eng mit Netzbetreibern zusammen, um das Stromnetz auf die Zukunft vorzubereiten.

 

Geht es um Geldanlagen, zählt ESG derzeit zu den bestimmenden Themen. Wie beurteilen Sie E-Mobilität im Hinblick auf Ihre unternehmenseigenen ESG-Kriterien?
Wir denken in drei Dimensionen. Was bietet eine Firma an, wie geht sie dabei vor – und: wie präsentiert sich das weitere Wachstumspotenzial? Dabei fragen wir uns weiter: Handelt diese Firma nachhaltig im Sinne von sozialer Verantwortung und Unternehmensführung? Und nicht zuletzt: Tut sie ihr Bestes, um negative Effekte zu minimieren? Unsere Aufgabe ist, disruptive Innovatoren zu suchen, die wir mithilfe unseres Bottom-up-Ansatzes identifizieren.

 

Halten Sie es für ratsam, jetzt zu investieren?
Allerdings, denn wir sind erst am Anfang der S-Kurve, die das Leistungspotenzial einer Technologie in Bezug auf die eingesetzten Mittel für Forschung & Entwicklung aufzeigt. Von einem Hype kann keine Rede sein – im Gegenteil: Das Wachstum wird derzeit stark von der Börse unterschätzt, die Marktdurchdringung wird in fünf bis zehn Jahren deutlich grösser sein, als der derzeit von den Experten erwartet. Prognosen zufolge sollen bis zum Jahr 2030 15 bis 30 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge über einen elektrischen Antrieb verfügen. Ich wäre nicht überrascht, wenn es deutlich mehr werden. Die Erwartungen dürften deutlich übertroffen werden. Dies ist derzeit jedoch nicht in den Aktienkursen reflektiert – und bietet bedeutende Chancen für diesen Sektor.

 

Welchen Zeithorizont sollten Anleger mitbringen?
Der Marktanteil elektrisch angetriebener Fahrzeuge wird zunehmen. Auf Sicht von fünf Jahren wird der Sektor eine deutlich höhere Wertschöpfung erzielen, verbunden mit steigenden Gewinnen. Gemessen am erwarteten Wachstum sind börsennotierte E-Mobilitäts-Unternehmen derzeit sehr günstig bewertet.

 

Werden sich mittel- bis langfristig die Newcomer durchsetzen oder werden die Traditionsunternehmen das Rennen machen?
Konsensmeinung ist, dass die grossen Player gewinnen und Tesla das Nachsehen hat. Ich hingegen hoffe, dass alle gewinnen und so den Planeten retten. Tesla wird als Technologieführer mit vergleichsweise günstigeren Fahrzeugen das Rennen machen. Es wird schwer für die anderen Firmen, diesen Vorsprung aufzuholen.

 

VITA

Craig Bonthron, Co-Manager des Kames Global Sustainable Equity Fund ist verantwortlich für die gemeinsame Verwaltung globaler Aktienportfolios der in Edinburgh ansässigen Investmentgesellschaft. Sein Schwerpunkt liegt auf der Analyse von disruptiven und nachhaltigen Anlagetrends in den Bereichen Technologie, Gesundheitswesen, Industrie und Konsumgüter. Er ist zudem Mitbegründer der Kames Sustainability Soapbox, einem wöchentlichen Forum zur Diskussion über das Alpha-Potenzial nachhaltiger Investments. Craig verfügt über 17 Jahre Branchenerfahrung und hat einen 1st Class Honours Degree in Building Surveying sowie einen MSc mit Auszeichnung in Business Information Technology Systems von der Strathclyde Business School. 

 

Weitere News aus der Rubrik

Unsere Rubriken