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EU-Emissionshandel: Jubiläum mit viel Dynamik

13.02.2025 5 Min.
  • Serge Nussbaumer
    Chefredaktor

Vor 20 Jahren startete die Europäische Union ein Handelssystem für Treibhausgasemissionen. Nach mehreren Reformen hat sich das EU-ETS zu einem zentralen Instrument der europäischen Klimaschutzpolitik entwickelt. Wir zeigen, wie das System funktioniert, welche Faktoren den europäischen CO2-Preis bestimmen und wie sich Anleger in dieser speziellen Assetklasse positionieren können.

Der Frühling ist zum Greifen nah und Lissabon lockt im Februar mit milden Temperaturen um die 15 Grad, romantischen Gassen und leckeren Pastéis de Nata (Vanilletörtchen). Swiss bietet einen günstigen Hin- und Rückflug ab Zürich für weniger als CHF 130 an – und kompensiert mit diesem attraktiven Preis auch noch den Ausstoss von Treibhausgasen: Die Reise an den Westrand Europas verursacht pro Passagier rund 740 Kilogramm CO2. Der Preis für das Recht, diese Menge des klimaschädlichen Gases zu erwerben, liegt derzeit an der Warenterminbörse eex bei knapp CHF 60.

Diese Informationen wären ohne das Europäische Emissionshandelssystem EU-ETS nicht möglich. Mit ihm setzte die EU 2005 das im japanischen Kyoto beschlossene Klimaschutzprotokoll um. Ziel des EU-ETS ist es, den Ausstoss von Treibhausgasen zu regulieren, zu begrenzen und zu bepreisen. Das Handelssystem funktioniert also nach dem Prinzip «Cap and Trade»: Den ETS-Teilnehmern wird eine maximale Anzahl an C02-Zertifikaten gutgeschrieben (Cap). Sobald diese nicht ausreichen oder ein Unternehmen über zu viele Verschmutzungsrechte verfügt, kommt der Handel (Trade) ins Spiel. Hier können Zertifikate angeboten oder zugekauft werden. Es hat eine Weile gedauert, bis sich das EU-ETS vom zahnlosen Tiger zu einem zentralen Instrument der EU-Klimapolitik entwickelt hat. Anfangs waren einfach zu viele Zertifikate auf dem Markt.

Wirkung mit Verzögerung

Diese und andere Hindernisse hat Brüssel mit einer Reihe von Reformen beseitigt. 20 Jahre nach seiner Einführung deckt das EU-ETS 40% der gesamten europäischen Treibhausgasemissionen ab. Betroffen sind neben der Strom- und Wärmeerzeugung auch die Industrieproduktion, der Flugverkehr und seit letztem Jahr auch die Seeschifffahrt. «Bis 2023 wird das EU-Emissionshandelssystem dazu beigetragen haben, die Emissionen der europäischen Kraftwerke und der Industrie um rund 47% gegenüber dem Stand von 2005 zu senken», erklärt die Europäische Kommission. Die Schweiz hat ihr Emissionshandelssystem vor fünf Jahren mit dem ETS verknüpft.

Der Handel mit den Verschmutzungsrechten wird von der Politik den Warenterminbörsen überlassen. Eine davon ist die bereits erwähnte European Energy Exchange (eex). Die dort gehandelten C02-Futures sind wie Warenterminkontrakte strukturiert. Ein Future umfasst 1’000 Verschmutzungsrechte, sogenannte EUAs. Seinen bisherigen Höchststand erreichte der C02-Preis am Handelsplatz in Leipzig vor knapp zwei Jahren: Ende Februar 2023 kostete es knapp EUR 103, eine Tonne des Treibhausgases zu emittieren.

Heftiges Auf und ab

Der Future konnte dieses Niveau nicht halten. Innerhalb eines Jahres hat er sich fast halbiert. Zum einen drückte die schwache Industriekonjunktur in Europa auf den C02-Preis. Sobald die Auslastung der im Emissionshandel erfassten Produktionsanlagen zurückgeht, sinkt auch der Bedarf an Verschmutzungsrechten. Hinzu kommt die Energiewende. Auf dem alten Kontinent kommt immer mehr Strom aus erneuerbaren Quellen. Entsprechend geht die klimaschädliche Verbrennung von Kohle und Gas zurück. Zuletzt drehte der EUA-Future nach oben, innerhalb von drei Monaten legte er um fast ein Viertel zu. 

Als Auslöser für den Aufschwung nennen die Experten die steigenden Gaspreise. Aufgrund der relativ kalten Witterung und der Unterbrechung der russischen Gaslieferungen über die Ukraine nach Europa ist der Gaspreis in der EU auf den höchsten Stand seit 14 Monaten gestiegen. Zudem treibt die laufende Reform des EU-ETS den C02-Preis in die Höhe. Insbesondere sollen die ETS-Teilnehmer ab dem kommenden Jahr sukzessive weniger kostenlose Zertifikate erhalten. Ziel ist es, die Gratiszuteilung von EUAs im Jahr 2034 zu beenden.«Das EU-ETS entwickelt sich allmählich von einem überversorgten zu einem ausgeglichenen Markt», sagt Haege Fjellheim, Analystin bei der C02-Beratungsfirma Veyt. Schon nächstes Jahr könnten die Verschmutzungsrechte knapp werden. 

Offensive Prognose

Entsprechend positiv fällt die Prognose von Veyt aus. «Wir gehen davon aus, dass die europäischen C02-Preise in den kommenden drei Jahren deutlich steigen werden», erklärte das Research-Haus Anfang Oktober. Für 2025 nennen die Experten ein Kursziel von EUR 95 pro Tonne. Bis 2027 könnte der C02-Preis auf EUR 160 klettern. «Der kurzfristige Ausblick hängt von politischen Entscheidungen ab», betonen die Analysten. Als Beispiel nennen sie das Vorgehen der EU bei der Versteigerung von EUAs.

Natürlich spielt auch die globale Klimapolitik eine Rolle. Der neue US-Präsident Donald Trump hat als eine seiner ersten Amtshandlungen den Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen angeordnet. Sollte Europa politisch weiter nach rechts rücken, könnte es auch diesseits des Atlantiks zu Einschnitten im Kampf gegen die Erderwärmung kommen. Noch ist es nicht so weit. Vielmehr bleibt das EU-ETS fest in der europäischen Politik und Wirtschaft verankert und gilt als globales Vorbild.

Unterschiedliche Struki-Lösungen

Längst hat auch die Finanzindustrie den CO2-Preis für sich entdeckt. Neben einer tiefen Korrelation zu anderen Anlageklassen bietet er die Möglichkeit, den Trend zur Dekarbonisierung in die Vermögensverwaltung zu integrieren. Die UBS hat das EU-ETS in ihre Rohstoffindexfamilie CMCI integriert. Der CMCI Components Emissions EUR Total Return Index baut durch den laufenden Austausch der besonders liquiden Dezember-Kontrakte eine konstante Future-Fälligkeit auf. Seit knapp vier Jahren ist dieser Basiswert über das Tracker-Zertifikat EMOCIU investierbar.

Die hohe Volatilität des CO2-Preises ist auch für Trader interessant. Sie können beispielsweise mit dem Mini-Future Long MMOAHV darauf setzen, dass die Notierung ihre jüngste Gegenbewegung fortsetzt. Vontobel verwendet für dieses Produkt den an der ICE kotierten EUA-Kontrakt mit einer Laufzeit bis Dezember 2025. Aktuell partizipiert der Mini-Future mit einem Hebel von rund 3 an steigenden Preisen. Ob einfache oder gehebelte Partizipation: Anleger sollten sich der Risiken dieser speziellen Anlageklasse bewusst sein und den Kapitaleinsatz nicht übertreiben.

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